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Fördefräulein: Mit Liebe und Kitsch durch Kiel

Kiel | Auf ihrem Weg macht Merle Primke Halt in dem kleinen nostalgischen Café in einer Seitenstraße und probiert sich durch die verschiedensten Kaffeespezialitäten. Anschließend besucht sie Tante Suses Biosk, eine Mischung aus Biobäcker und Tante-Emma-Laden. Ihr Weg führt sie weiter auf die Holtenauer Straße, dort kehrt sie in einen Feinkost-Wurstimbiss ein und testet den Geschmack einer Luxus-Currywurst aus edlem Rindfleisch. Dann geht es in Richtung Blücherplatz. Sie wirft einen Blick auf die erste Crêperie der Stadt und entflieht für einen Augenblick ins ferne Paris. „Ich möchte das Besondere, das Zauberhafte aufspüren", sagt die 25-jährige Merle Primke über ihre Arbeit als Bloggerin. Liebevoll, mit vielen bunten, detailgetreuen Bildern und ausschmückenden Worten zeigt sie ihren Lesern diese blumige, verträumte Seite der Stadt und stellt ihre Geheimtipps vor.

Es ist eine schöne heile Welt, die sie auf ihrem Blog Fördefräulein präsentiert. Eine sehr kreative, ja fast schon etwas kitschige Sicht auf eine Stadt, die sonst häufig in dem Ruf steht, langweilig und hässlich zu sein. Mit diesem träumerischen Blick ist das Fördefräulein mit mehr als 30.000 Seitenaufrufen im Monat eine der erfolgreichsten Bloggerinnen in Schleswig-Holstein. Sie liebt ihre Arbeit, und steht mit all ihrer Leidenschaft dahinter. „Es ist echt, was ich mache. Ich mache genau das, was mich interessiert. Das ist wirklich traumhaft."

Doch so heil und märchenhaft wie auf ihrem Blog war Merle Primkes Welt nicht immer. Nach der Schule war sie längere Zeit krank, sie kämpfte mit Depressionen. „Ich habe für mich ein kreatives Ventil gesucht, um damit besser zurecht zu kommen", erzählt sie. Dann kam ihr die Idee zu einem eigenen Blog, das war 2009. Unter dem kuriosen Blog-Namen „Schnürsenkelrolltreppentod" schaffte sie es, gegen die Krankheit anzukämpfen und die Depressionen zu überwinden. Hier konnte sie sich selbst verwirklichen, ihrer Leidenschaft der Fotografie und dem Schreiben nachgehen und einfach sie selbst sein.

Ihr erstes Blog war dabei noch modelastiger. Ein Lifestyleblog, auf dem sie ihre Lieblingsoutfits und Beauty-Produkte vorstellte. Das Interesse war groß, Leser aus ganz Deutschland und sogar weltweit wollten mehr über die Tipps der Kielerin erfahren. „Die Leute haben mich dann immer gefragt, wo ich meine Fotos aufgenommen habe. Sie wollten wissen, wo sich diese schönen Orte befanden." Und diese schönen Orte waren eben in Kiel. Warum also nicht eine lokale Seite daraus machen, fragte sie sich. Mit Unterstützung des Stadtmagazins „KIELerLEBEN" konnte sie ihre Idee umsetzen und startete 2012 ihr Blog unter dem Namen Fördefräulein.

„Ich habe früher immer gejammert, dass in Kiel nichts los ist. Und ich wollte weg aus der Stadt, viel lieber nach Hamburg", verrät sie. Doch sich selbst und den anderen Kielern konnte sie das Gegenteil beweisen. Auf der Suche nach den verborgenen Schätzen der Stadt wurde sie schnell fündig. Ihre ersten Berichte über ein Retro-Spielzeuggeschäft, ein Feinkost-Wurstimbiss oder die Kieler Fischbar haben großen Anklang gefunden. Inzwischen will Merle gar nicht mehr weg aus Kiel. „Ich fühle mich einfach wohl hier. Kiel ist nicht langweilig und trostlos, Kiel ist bunt und vielfältig. Es ist eine tolle Stadt."

Was sie am Bloggen am meisten fasziniert, ist für sie ganz klar der Kontakt zu den Menschen. All die neuen Gesichter, die sie auf ihren Entdeckertouren trifft, machen die Arbeit erst so aufregend, sagt sie. „Ich nehme mir viel Zeit auf den Terminen. Ich möchte die Ladeninhaber kennenlernen. Ich möchte, dass sie sich bei den Gesprächen wohl fühlen." Aus einigen Treffen ist bereits eine echte Freundschaft entstanden, bei dem Projekt „So wohnt Kiel" zum Beispiel. Auf der Suche nach außergewöhnlich eingerichteten Wohnungen traf sie im letzten Jahr auf ihre Namensvetterin Merle, die mit Kater Gisbert in einer im 50er-Jahre Stil eingerichteten Wohnung im Stadtteil Gaarden lebt. Es blieb nicht nur bei einer Begegnung für den Bericht, zwischen den Beiden ist inzwischen eine echte Freundschaft entstanden.

Aktuell arbeitet das Fördefräulein sogar schon an ihrem ersten Buch. „Das ist alles ganz aufregend gerade." In einem Bildband wird sie im April ihre Lieblingsplätze der Stadt veröffentlichen. So möchte sie Touristen und auch den Kielern selbst Ideen, für ein paar unvergessliche Momente bieten. Natürlich wieder im gewohnten Stil vom Fördefräulein - mit viel Liebe und ganz viel Kitsch.


www.fördefräulein.de www.schnuersenkelrolltreppentod.blogspot.de

von Jana Walther erstellt am 03.Mrz.2014 | 17:35 Uhr

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