Mit einem Wisch zum Nebenjob: Das verspricht die neue App Adia. Unsere Autorin probierte sie aus, heuerte als Kellnerin an – und erfuhr, dass alles ganz und gar nicht einfach ist.
Ein wenig verloren stehe ich inmitten von Tischen und Stühlen im Restaurant. Es herrscht Hochbetrieb. Kellner hasten im Akkord von der Küche zu Tischen und zurück. Seit knapp zwei Stunden gehöre ich auch zum Team und soll sie bei der Arbeit unterstützen. Als wirkliche Hilfe fühle ich mich aber nicht. Ohne Erfahrung kellnern scheint für mich als Nebenjob unmöglich.
Adia App im Test: Lohnt sich das Nebenjob finden per Smartphone?
Deutschland ist das Land der Minijobber. 7,4 Millionen Menschen arbeiten auf 450-Euro-Basis, für 4,7 Millionen von ihnen ist es die einzige Einkommensquelle. Das zeigt der neu erschienene „Atlas der Arbeit“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Eine Antwort auf die hohe Nachfrage nach Nebenjobs möchte das Unternehmen Adecco mit der App Adia geben. Adecco ist der weltweit größte Personaldienstleister und verdient sein Geld damit, Menschen an Unternehmen „auszuleihen“, um dort für eine gewisse Zeit zu arbeiten. Die App bietet befriste Jobs und funktioniert dabei vom Prinzip her wie die Dating-App Tinder. Bock auf den Job? Ein Wisch nach rechts. Wer nach links wischt, lehnt ab.
Henrik Straatmann: „Chief Sales & Innovation Officer“ bei Adecco in Deutschland. (Foto: Jana Glose / Orange)
„Wir wollen Unternehmen ermöglichen, kurzfristig und schnell Personal zu buchen“, erklärt Henrik Straatmann, Sprecher der App. „Auf der anderen Seite möchten wir eine Zielgruppe ansprechen, die unkompliziert einen Nebenjob sucht und sich mit Jobs aus unserer App Geld dazu verdienen möchte.“ Als Studentin, die häufiger knapp bei Kasse ist, gehöre ich eindeutig zu dieser Zielgruppe.
Adia von Adecco: Jobs per App
Langfristige Jobs wolle man aber nicht ersetzen. „Wir verstehen uns nicht als Personalvermittlung“, sagt Straatmann. Während die Nutzung für die Bewerber kostenlos ist, zahlen Unternehmen für ihre Personalsuche. „Einen festen Satz gibt es nicht. Wir regeln das individuell mit den Unternehmen.“
Die Registrierung in der App ist einfach. Nachdem ich Daten wie Name und Wohnort eingeben habe, ruft mich eine Mitarbeiterin von Adecco an. Sie erklärt mir, was im Profil noch fehlt. „Mit dem Anruf stellen wir sicher, dass der Markplatz funktioniert“, erklärt eine Sprecherin. Fake-Profile ließen sich dadurch entlarven.
Stellenausschreibung für einen Job bei Adia: „Wir verstehen uns nicht als Personalvermittlung.“ (Screenshot: Jana Glose / Orange)
Nachdem ich meinen Lebenslauf, ein Foto meines Ausweises und ein Foto von mir in mein Profil geladen habe, kann ich Jobprofile wählen. Die Auswahl erstreckt sich auf die Bereiche Gastronomie, Events, Gastgewerbe und Logistik. Bei den Jobs kann ich mich als Anfänger, Erfahren oder Profi einstufen. Ich wähle für die Jobs Kellner, Eventmitarbeiter, Flyerverteiler und Verkäufer die Stufe Anfänger.
Nebenjob finden als Kellner ohne Berufserfahrungen
Jetzt kann die Jobsuche los gehen. Doch zunächst bekomme ich keine Angebote. Vorgeschlagen werden nur Jobs mit einer Entfernung von maximal 30 Kilometern. Ich studiere im niedersächsischen Wilhelmshaven und in meiner Region gibt es noch keine Jobs über Adia. Zurzeit baue man Jobangebote besonders im Süden und im Westen Deutschlands aus, erklärt das Unternehmen.
Adia-Profil von Orange-Reporterin Jana: „für nur einen Abend eher schwierig“. (Screenshot: Jana Glose / Orange)
Eine Job-Garantie biete die App nicht. Allerdings hätten auch Bewerber ohne oder mit wenig Qualifikation eine Chance auf einen Job, sagt Sprecher Straatmann. So könne man in seinem Profil ein Video hochladen, um einen potentiellen Arbeitgeber von sich zu überzeugen.
Auch ohne Video erhalte ich einige Wochen später ein Job-Angebot auf mein Smartphone. Für 9,50 Euro pro Stunde kann ich vier Stunden im einem Restaurant kellnern. Das aber nicht ganz zufällig. Weil ich die App als Journalistin teste, hat Adecco für mich nach möglichen Partnern in meiner Region gesucht und ein Restaurant gewinnen können. Ich habe zwar noch nie wirklich gekellnert, habe mich selbst aber ja auch als Anfänger eingestuft.
Nebenjob als Kellner bei Adia: 9,50 Euro Stundenlohn
In der App muss ich nun nur noch nach rechts wischen, um mich zu bewerben. Einige Tage später bekomme ich eine Push-Meldung mit der Gratulation zum neuen Job und kann in der App einen fünfseitigen Vertrag direkt digital unterschreiben.
Job gefunden per Adia: Es ist ein Match! (Screenshot: Jana Glose / Orange)
Der Vertrag wird nicht mit dem Restaurant, sondern mit Adecco geschlossen. „Technisch könnte der Vertrag nur über unsere App laufen, durch die gesetzliche Regelung in Deutschland muss er aber zwischen dem Kandidaten und Adecco hin und her geschickt werden“, erklärt Straatmann.
Befristeter Arbeitsvertrag für den Nebenjob
Also erhalte ich den Vertrag auch per Post. Der Brief ist ganz schön dick. Neben den fünf Seiten des befristeten Arbeitsvertrags sind im Umschlag:
- Einsatzmeldung
- Arbeitsschutz-Grundanweisung
- generelle Mitarbeiterinformationen
- und ein Dokument zur Information über Zeitarbeit mit Regelungen zum Mindestlohn und Arbeitsbedingungen.
Nach acht Unterschriften habe ich das erledigt. Ganz schön viel Papierkram für nur vier Stunden Arbeit.
Verträge von Adia: ganz schön viel Arbeit. (Foto: Jana Glose / Orange)
Knapp zwei Monate nach der Registrierung habe ich meinen ersten befristeten Job als Kellnerin. Im „Glut und Wasser“, meinem Arbeitgeber für den Abend, erwartet mich Kellner Jerome. Zu Beginn starte ich die Zeiterfassung in der App. Nach einer kurzen Führung durch das Restaurant wird klar, dass vier Stunden sehr kurz sind, um sich alle Abläufe zu merken.
Ich wische Tische ab, sortiere Getränke und Besteck ein und decke Tische mit Speisekarten und Teelichtern ein. Als es zwei Stunden später richtig voll wird, fühle ich mich ein wenig überfordert. Zwischendurch winken mich Kellner zu sich, damit ich mit ihnen Essen zu Tischen tragen kann.
Erfahrungen mit Asia: 4 Stunden kellnern ist schwierig
Erfahrung mit Adia: 4 Stunden kellnern ist schwierig
Als wirkliche Hilfe fühle ich mich aber kaum. Zum Glück sind genug andere Kellner im Einsatz. Wäre wirklich Not am Mann, könnte ich nur bedingt helfen.
Werbevideo: So preist Adecco die App Adia an.
„Für längere Einsätze ist die Suche nach Personal über die App gut vorstellbar. Für nur einen Abend ist das für unseren Bereich aber eher schwierig“, sagt Kellner Jerome. Mein Fazit fällt nach vier Stunden ähnlich aus. Ganz ohne Vorerfahrung ist kellnern, zumindest für mich, kaum möglich.
Stattdessen sind die vielen Verträge und die Kommunikation dann doch ziemlich aufwändig. Für andere Jobs oder einen längeren Zeitraum ist Adia sicher eine schnelle Alternative für die Suche nach einem Nebenjob. Das Smartphone hat man ja fast immer dabei.
Geld für den Nebenjob über die Adia-App kommt erst nach einem Monat
Ob ich meinen nächsten Nebenjob wieder über Adia suche, weiß ich noch nicht. Kellnern wird es dann in jedem Fall nicht. Daran ändert auch das Lob von Kellner Jerome am Ende des Abends nichts. „Für das erste Mal war das schon gut. Mit viel Übung wird das“, sagt er lachend.Neben viel Geduld für mich, zahlt das Restaurant für meinen Einsatz zu meinem Lohn noch eine Vermittlungsgebühr an Adecco. Wie viel genau, möchte das Unternehmen nicht sagen.
Ich warte nach meinem Einsatz erstmal eine ganze Zeit auf meinen Lohn. Auf Nachfrage stellt sich knapp einen Monat nach meinem Einsatz heraus, dass es einen Systemausfall gab und die Überweisung nicht rausging. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, das lange Warten sei normal.
Uns ist es wichtig, dass der Kandidat schnellstmöglich nach Schichtende bezahlt wird. Wir versuchen den Mitarbeiter innerhalb von 48 Stunden den Lohn auszuzahlen. – Mitarbeiterin von Adia
Bei mir dauert es letztendlich fünf Wochen, bis ich meinen Lohn, der abzüglich Steuern und Sozialversicherung 32,01 Euro beträgt, auf dem Konto habe. Macht acht Euro netto pro Stunde. Nach dem ganzen Aufwand finde ich das Ergebnis dann doch eher enttäuschend. Bei einem nur vierstündigen Einsatz lohnt sich die Arbeit mit App, Verträgen und Bezahlung meiner Meinung nach nicht.
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