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Hundefutter aus Insekten im Test: Wow oder Wau?

Ein Start-up entwickelt Hundefutter aus Fliegenlarven. Eklig? Umweltfreundlich! Sagen zumindest die Gründer. Wir fragen Zwergpudel Vicky.

Ein Start-up entwickelt Hundefutter aus Fliegenlarven. Eklig? Umweltfreundlich! Sagen zumindest die Gründer. Wir fragen Zwergpudel Vicky.

Für die chinesische Küche gibt es ein klassisches Klischee: In China essen sie Hunde! Als Jonny Edward sein Auslandssemester in Shanghai verbrachte, erlebte er einen anderen Kulturschock: Insekten. In China essen sie vieles, was kreucht und fleucht. Schleimig, aber vitaminreich. Mit dieser Erfahrung kam der 28-Jährige auf den Hund. Zurück in Deutschland entwickelte er mit seinem Mitbewohner Felix Bierholz (23) eine Geschäftsidee: Hundefutter aus Insekten. So gründeten sie das Start-up Futterzeit.

Hundefutter aus Insekten? Hunde essen mehr Fleisch als Mensch!

Damit wollen sie nicht nur Geld verdienen, sondern auch Gutes tun. Ihre Rechnung geht so: Im Schnitt isst ein Mensch laut Statistischem Bundesamt 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Klingt viel. Aber Hunde essen im Schnitt 164 Kilo Fleisch. Fast dreimal so viel. Bei 8,6 Millionen Hunden in Deutschland kommt da tierisch viel zusammen.

Das Problem: Die Fleischproduktion ist umweltschädlich. Laut einem Bericht des World-Watch-Institute verursacht Tierhaltung die Hälfte aller klimaschädlichen Gase und bedroht somit das Wohl unseres Planeten. Und hinter einem Kilogramm Rindfleisch verbergen sich laut der Umweltschutzorganisation WWF 15.415 Liter Wasser. Das sind mehr als 100 Badewannen voll. Wau.

Die Menge setzt sich aus allem Wasser zusammen, das bei der etwa dreijährigen Zucht eines Rinds anfällt: Trinkwasser für das Rind und Wasser für die Reinigung der Ställe. Am Ende bringt ein Rind etwa 200 Kilogramm Fleisch. Umgerechnet macht das 155 Liter Wasser pro Kilo.

Hinzu kommt die Wassermenge aus der Futterproduktion– 15.300 Liter. Damit ist der ökologische Pfotenabdruck von Hunden in Bezug auf den Fleischkonsum sogar schlechter als der von Menschen, die weniger Fleisch essen.

Insektenfutter soll weniger Wasser verbrauchen 

Zeit, etwas zu ändern, dachten sich Jonny und Felix. Sie nahmen die Fährte auf und überlegten während ihres Wirtschaftsstudiums, welches Insekt sich für Hundefutter eignet. Nach Gesprächen mit Tierärzten, Futterherstellern und Insektenexperten fiel die Entscheidung auf Larven der schwarzen Soldatenfliege. „Pro Mahlzeit unseres Futters können sieben Badewannen Wasser eingespart werden“, sagt Felix. Ihr erstes Hundefutter „Alleskönner“ gibt es seit Januar im eigenen Online-Shop. 8,99 Euro kostet ein Kilogramm des Futters.

Hundefutter aus Insekten Erfahrung

Felix (l.) und Jonny: mit Insekten auf den Hund gekommen. (Foto: Jana Glose / Orange by Handelsblatt)

Damit gehört das Trockenfutter zur Premiumkost für Hunde. Im Onlineshop von Fressnapf, einem der größten deutschen Händler für Tiernahrung, kostet das billigste Trockenfutter 2,49 Euro pro Kilo. Das teuerste hier verkaufte Trockenfutter kommt auf 10 Euro pro Kilogramm. Hundefutter auf Insektenbasis hat Fressnapf nicht im Sortiment. „Allerdings beobachten wir diese Nische weiterhin intensiv“, erklärt der Pressesprecher.

Nach eigener Aussage haben die Futterzeit-Gründer seit Verkaufsstart eine hohe dreistellige Anzahl an Futter verkauft. Der Umsatz erreiche schon jetzt einen niedrigen fünfstelligen Betrag. „Das Futter kommt gut an, einige Kunden bestellen schon ein zweites Mal“, sagt Jonny.

Hundefutter aus Insekten im Test 

Wer beim „Alleskönner“ tote Insektenlarven wie im Dschungelcamp in der Packung erwartet, irrt sich. Die etwa 30 Prozent Insekten im Futter sind zusammen mit Gemüse, zum größten Teil Süßkartoffeln, und Kräutern zu Pellets verarbeitet. Äußerlich ist kaum ein Unterschied zu normalem Trockenfutter zu erkennen. Auch der Geruch ist ähnlich.

Aber frisst ein Hund überhaupt Insekten? Wir haben das Futter an Zwergpudel Vicky getestet. Sie frisst normalerweise Nassfutter. Am liebsten mit Gans. Aber Besitzerin Steffi versichert, dass sie eigentlich alles frisst. Ein Kilo ihres normalen Futters kostet ungefähr 5,50 Euro.

Im Futtertest mit Vicky zeigt sich trotzdem: Sie mag das Futter nicht. Sie frisst lieber ihr normales Hundefutter und lässt das Futter aus Insekten auch nach mehreren Versuchen unberührt. Die Düsseldorfer Tierärztin Katrin Jansen wundert das nicht: „Das Futter kommt geschmacklich nicht an normales Hundefutter ran, da kann ich gut verstehen, dass es einem Hund nicht schmeckt.“

Hundefutter aus Insekten: Was sagt der Tierarzt? 

Allgemein sieht Jansen ein Problem beim Hundefutter aus Insekten: „Normalerweise füttern wir solches Futter nur dann an Hunde, wenn eine Futtermittelallergie bei ihnen besteht.“ Unverträglichkeiten und allergische Reaktionen auf einzelne Futterstoffe seien immer häufiger anzutreffen. „Tritt diese auf, macht man eine Ausschlussdiät mit nur einer, bisher noch nicht gefütterten Proteinquelle. Dafür setzen wir oft auf das Futter aus Insekten“, sagt Jansen.

Wenn ein Hund nun aber schon einmal das Futter aus Insekten gefressen habe, könne man es nicht mehr bei einer solchen Diät nutzen. „Das Futter nimmt die Chance, bei allergischen Hunden ein neues Futter zu finden. Wenn ein Hund ganz normal sein Futter frisst, gibt es keinen Grund, es durch Futter aus Insekten zu ersetzen.“

Futterzeit verblüfft diese Aussage. „Wir arbeiten auch mit Tierärzten zusammen und diese Bedenken hat bisher niemand geäußert. Wir nehmen das Argument aber Ernst und werden darüber sprechen“, erklärt Jonny auf Nachfrage.

Mehrere Hersteller bieten Hundefutter auf Insektenbasis 

Futterzeit ist nicht das erste Unternehmen, das Hundefutter aus Insekten verkauft. Der Anbieter Bellfor hat als erster Hersteller der Weltöffentlichkeit ein solches Futter Anfang 2017 vorgestellt. Auch das Unternehmen Trovet verkauft Trockenfutter aus Insekten und setzt genau wie Bellfort auf Fliegenlarven.

Der Anbieter Green-Petfood setzt als einziges auf die Larve des Mehlwurms. Die Preise liegen zwischen 3,33 und 6,40 Euro pro Kilo. Was unterscheidet den teureren „Alleskönner“ von diesen Herstellern? „Wir bieten im Vergleich zu den Anderen nur Insektenfutter und keine Alternativen mit Fleisch an“, sagt Felix.
Felix und Jonny beenden gerade ihr Studium und wollen sich jetzt komplett auf ihr Startup Futterzeit konzentrieren. Im Juli 2017 erhielten die Gründer das AndersGründer Stipendium, das soziale Startups fördert. Das ermöglicht ihnen in einem Co-Workingspace, dem Social Impact Lab in Duisburg, zu arbeiten. Dort können sie sich mit anderen Gründern austauschen und an neuen Ideen arbeiten.

„Wir möchten Katzenfutter und Leckerlis aus Insekten entwickeln“, sagt Jonny. Bis dahin heißt es Futter verkaufen und Überzeugungsarbeit leisten. „Wir müssen die Leute überzeugen, dass unser Futter für Hunde genauso gesund ist wie normales Futter.“ Unabhängig davon entscheidet am Ende aber der Hund, ob er das Futter frisst oder nicht.


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