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„Das Ding des Jahres": Die meisten Produkte sind gar nicht neu

Prosieben-Jury mit Joko Winterscheidt, Lena Gercke und Hans-Jürgen Moog: „In ‚Das Ding des Jahres‘ zeigen wir, wie erfinderisch Deutschland ist.“

Die Prosieben-Show „Das Ding des Jahres“ will zeigen, wie erfinderisch Deutschland ist. Die Sendung von Stefan Raab hat nur ein Problem: Jede Menge Erfindungen aus den ersten beiden Folgen gibt es seit Jahren zu kaufen.

„Liebe Frauen, haltet eure Männer fest, denn bei der nächsten Erfindung geht es um Bier“, sagt Moderatorin Janin Ullmann. Vor einer Garagenkulisse hat Erfinder Stefan Limmer einen Holztisch mit einem blauen Kasten aufgebaut. „Warmes Bier ist für Männer ein Alptraum“, erklärt er dem Publikum.

Und dann kommt seine Erfindung: ein Eisblock. Genauer gesagt, eine Eiswürfelform, die auf einen Bierkasten passt und so die Flaschen kühlt. Was Stefan Limmer nicht sagt: Der Bierkühler ist keine Neuheit. Und die Erfinder-Show ist auch nicht sein erster TV-Auftritt.

„Das Ding des Jahres“: Den Bierkühler gibt es seit 2010 bei Amazon 

Es ist der vergangene Samstagabend mitten in der besten Sendezeit ab 20.15 Uhr – und mitten in der neuen Prosieben-Show „Das Ding des Jahres“. Dabei stellen Erfinder einer schillernden Jury ihre Entwicklungen vor. Prosieben sucht nach eigenen Angaben „Dinge, die das Leben einfacher, schöner oder interessanter machen.“ Der Gewinner von insgesamt fünf Shows mit 40 Erfindungen soll für sein Produkt Werbung auf den Kanälen der ProSiebenSat.1-Gruppe im Wert von 2,5 Millionen Euro bekommen. Das Konzept hat sich Stefan Raab ausgedacht.

Im ersten Moment erinnert die Show an die Start-up-Sendung „Die Höhle der Löwen“, mit der ein Konkurrenz-Sender seit Jahren erfolgreich ist: Vox. Doch damit hat „Das Ding des Jahres“ nur wenig gemeinsam. Statt Investoren, die Start-up-Gründern mit Geld und Erfahrung dabei helfen, ihre Ideen zu vermarkten, entscheidet bei Prosieben das Publikum.

Die Jury, bestehend aus Model Lena Gercke, dem Rewe-Chefeinkäufer Hans-Jürgen Moog und dem Moderator Joko Winterscheidt, begutachtet vorher die Erfindungen und stellt Fragen an die Entwickler. „Eine gute Erfindung ist das, was man in Sekunden für unersetzlich hält“, stellt Joko Winterscheidt in einer Pressemitteilung zur Sendung fest. Einkäufer Moog lobt darin, „mit wieviel Herzblut die Erfinder ihre Sachen vorantreiben. Sie brennen für ihre ‚Dinge‘, sie freuen sich, diese vorzustellen, und sie genießen es richtig, ihre Erfindungen der Öffentlichkeit zu zeigen.“

Bierkhler aus Das Ding des Jahres bei Amazon

Bierkühler aus der zweiten Folge der Erfinder-Show: Seit siebeneinhalb Jahren bei Amazon erhältlich. (Foto: Screenshot)

Was die Öffentlichkeit in der Sendung nicht erfährt: Die meisten Erfindungen sind alt. Stefan Limmer bietet seinen Bierkühler schon seit mindestens siebeneinhalb Jahren bei Amazonzum Kauf an. Und nicht nur das: Auf der offiziellen Homepage bewirbt er sein Produkt mit den Worten „Bekannt aus dem TV“­ – damit meint er aber nicht etwa die Erfinder-Show von Prosieben, sondern Beiträge in den Prosieben-Sendungen „Galileo“, „Taff“ sowie bei Dmax und RTL-„Extra“.

„Das Ding des Jahres“: Eine Cocktailmaschine gab´s längst in der Schweiz 

Der Bierkühler ist kein Einzelfall. Hüte für Fahrradhelme wie die, die in der ersten Folge am Freitagabend zu sehen waren, sind ebenfalls längst auf dem Markt, und zwar von einer ganz anderen Firma aus Dänemark. Die bietet solche Hut-Verkleidungen seit fast zehn Jahren ganz regulär in ihrem Webshop an.

Hte fr Fahrradhelme Das Ding des Jahres

Hüte für Fahrradhelme: seit fast zehn Jahren in Dänemark erhältlich. (Foto: Screenshot)

Auch der Campingwagen-Anhänger fürs Fahrrad (ebenfalls am Freitag vorgestellt) ist keine Neuheit. Ein britischer Hersteller hat einen kleinen Caravan bereits seit 2011 im Angebot.Zumindest ähnlich sieht es bei dem Kinderschuhmessgerät aus der gleichen Folge aus. Bei Amazon gibt es seit März 2012 ein Produkt, das dem bei Prosieben präsentierten Messgerät stark ähnelt.

In der Show tritt der „Erfinder“ des Schuhmessgeräts gegen einen Konkurrenten an, der eine Cocktailmaschine vorstellt. Cocktails auf Knopfdruck kann auch eine Maschine, die eine Firma aus der Schweiz entwickelt hat – und zwar schon im Jahr 2016.

Nächstes Beispiel: Der Honiglöffel, der das Kleckern mit flüssigem Honig verhindern soll. Gute Idee – aber keine Weltneuheit. Seit 2006 ist bei Amazon ein Löffel aus Edelstahlerhältlich, der ähnliches verspricht, für gerade mal sechs Euro. Der Erfinder in der Show nannte für seinen Löffel einen Preis von 19,99 Euro.

„Das Ding des Jahres“: Die Fußweise lief vor neun Jahren schon auf Sat.1

Die bunte „Fußwiese“ aus der Show am Samstag, die beim Duschen nebenbei die Füße reinigen soll, dürfte Prosieben selbst noch bestens bekannt sein. Erfinderin Anette Schiffer  hat sie schonmal in der Sat.1-Erfindershow „Die beste Idee Deutschlands“ vorgestellt. Das war im Jahr 2009. Sat.1 gehörte auch damals schon zum selben Unternehmen wie Prosieben.

Fuwiese bei Das Ding des Jahres und bei Die beste Idee Deutschlands auf Sat 1

„Fußwiese“ aus der Erfindershow am Samstag: 2009 schon bei „Die beste Idee Deutschlands“ auf Sat.1. (Foto: Screenshot)

Bleibt noch einer der Gewinner der ersten beiden Shows: Er hat eine automatische Zahnbürste entwickelt, die in nur zehn Sekunden die Zähne putzt. Ein solches Produkt gibt es in fast gleichem Design ebenfalls bei Amazon – allerdings erst seit November 2017. Insgesamt haben wir mindestens neun der 16 Erfindeungen aus den ersten beiden Folgen schonmal irgendwo gesehen.

Wir fragen Prosieben, warum in einer Erfinder-Show so viele alte Produkte vorgestellt werden. Schriftlich teilt der Sender mit:

Bei „Das Ding des Jahres“ dürfen alle Erfinder mitmachen – die einzige Voraussetzung: eine eigene Erfindung. Die vorgestellten ‚Dinge‘ befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstufen – vom Prototypen bis zu bereits im Verkauf befindlichen Erfindungen. – Prosieben-Sendersprecher Christoph Körfer

Mit anderen Worten: Würde der Erfinder der Dampfmaschine noch leben, hätte er auch teilnehmen dürfen. Die Show ist damit nicht viel mehr als eine Dauerwerbesendung, in der Dinge beworben werden, die „bereits im Verkauf befindlich“ sind (wie der Bierkühler) oder die es auch nach neun Jahren und zwei TV-Auftritten nirgendwo zu kaufen gibt (wie die Fußwiese). In den Sozialen Netzwerken machen sich Zuschauer über die Sendung lustig. Eine Userin postete bei Twitter:

Noch empfindlicher dürfte Prosieben eine andere Reaktion vieler Zuschauer nach der ersten Folge treffen: Sie schalteten ab. Zur Premiere am Freitag hatten laut Quotenmeter.deimmerhin 1,93 Millionen Menschen „Das Ding des Jahres“ gesehen. Bei der zweiten Ausgabe am Samstag waren es nur noch 1,28 Millionen.

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