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Cannabis Verbot in Deutschland: Oma durfte noch kiffen!

Cannabis verboten: „Gesundheit spielte keine wirkliche Rolle“.

Warum und seit wann ist Cannabis in Deutschland eigentlich verboten? Wir erzählen dir die Geschichte, wie Marihuana zur illegalen Droge wurde.

Stell‘ dir vor: Deine Oma und dein Opa durften noch legal kiffen. Zumindest, wenn sie vor 1929 geboren wurden. Eine so große Debatte wie heute gab es damals darüber allerdings nicht. „Cannabis war zu unserer Zeit kein so großes Thema. Es gab zwar Leute, die es geraucht haben“, sagt meine Oma. Sie ist fast 80. „Aber da wurde nicht offen drüber gesprochen und kontrolliert wurde es auch kaum.“ Das ist heute anders. In Deutschland ist Cannabis verboten.

Cannabis-Verbot in Deutschland: „willkürlich erfolgt“?

Jetzt bringt ausgerechnet der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) neues Feuer in die Diskussion – und fordert, dass Marihuana legal wird. „Die Prohibition von Cannabis ist historisch betrachtet willkürlich erfolgt und bis heute weder intelligent noch zielführend“, sagte BDK-Chef André Schulz der „Bild“-Zeitung. Starker Tobak. Aber schauen wir doch mal in die Geschichte: Wann wurde Cannabis in Deutschland überhaupt verboten?

„Das Cannabis-Verbot ist keine deutsche Erfindung“, sagt Georg Wurth. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, vertritt also vereinfacht gesagt die Interessen aller Kiffer in Deutschland und setzt sich für eine Legalisierung von Cannabis ein. Der wahre Grund für das Verbot von Marihuana in Deutschland sei Mitläufertum, sagt Wurth.

Die deutschen Gesetze seien einfach internationalen Entscheidungen gefolgt. „Gesundheitliche oder medizinische Aspekte spielte keine wirkliche Rolle.“ Machen wir also einen kleinen Ausflug in die Geschichte des Cannabis-Verbots, um die wahren Gründe zu verstehen.

Die Geschichte des Cannabis-Verbots in Deutschland beginnt 1872

Der „Verein für Drogenpolitik“ schreibt, dass der Konsum von Cannabis in Deutschland bis zum Jahr 1872 in Deutschland komplett unreguliert war. Mit anderen Worten: Kiffen war völlig legal. Erst die „Verordnung, betreffend den Verkehr mit Apothekerwaaren“, höchstpersönlich erlassen vom ersten Deutschen Kaiser Wilhelm I., bringt eine erste Regelung zu Cannabis in Deutschland.

„Droguen und chemische Präparate“ dürfen der Verordnung nach ab sofort ausschließlich in Apotheken verkauft werden. Nein, wir haben nicht gekifft. Ja, das schrieb man damals wirklich so.

Unter diese Regel fiel damals auch „Indischer Hanf (Herba Cannabis Indicae)“, eine Unterart der Cannabis-Pflanze. Im 19. Jahrhundert haben Ärzte die Pflanze vermehrt als Schmerzmittel eingesetzt. Die Bezeichnung „Indischer Hanf“ findet sich in den nächsten Jahren immer wieder in Gesetzen und Verordnungen. Halten wir also fest: Vor 146 Jahren kam erstmals überhaupt jemand in Deutschland auf die Idee, dass Cannabis gefährlich sein könnte. Von Gesetzen oder Strafen sprach jedoch (noch) niemand.

Internationale Opiumkonferenz will 1912 Handel von Hanf eindämmen 

Am 1. Februar 1909 gründet sich die Internationale Opiumkommission in Shanghai. Neben den USA und Großbritannien sind auch Deutschland und elf andere Länder in der Kommission vertreten. Die Droge Cannabis spielt zu Beginn noch keine Rolle in der Kommission. Zunächst geht es darum, das Rauschmittel Opium zu verbieten.

Erst zwei Jahre später nimmt die Debatte über ein Cannabis-Verbot im niederländischen Den Haag seinen Lauf. Auf der ersten „Internationalen Opiumkonferenz“ von 1911 bis 1912 diskutieren die 13 beteiligten Länder neben Opium erstmals auch über Cannabis.

Ausschlaggebend dafür ist ein Vorschlag der italienischen Regierung, die Cannabis einheitlich mit den Drogen Morphin, Opium sowie Kokain regulieren möchte. Anbau, Besitz und Handel dieser Substanzen soll unter Strafe gestellt werden.

Noch bevor die Teilnehmer der Konferenz darüber abstimmen können, zieht die italienische Regierung den Antrag zurück. Trotzdem schafft es Cannabis, damals als „Indischer Hanf“, in die Abschlusserklärung der Konferenz. So wird am 23. Januar 1912 beschlossen, „die Frage des indischen Hanfs […] durch die inländische Gesetzgebung oder ein internationales Abkommen einzudämmen.“ Das ist zunächst einmal eine Absichtserklärung, noch kein Gesetz.

In Deutschland gibt es weiterhin keine Bemühungen für eine gesetzliche Regelung. Das Rauchen von Cannabis ist der damaligen kaiserlichen Regierung unbekannt. Cannabis wird hauptsächlich als Medizin eingesetzt.

Ein Ägypter sorgt 1925 für ein weltweites Verbot von Cannabis 

Die Initiative für ein Verbot geht weiter auf internationaler Ebene, knapp zwölf Jahre später auf der nächsten Internationalen Opiumkonferenz. Es ist ein Ägypter, der die gesetzliche Regelung von Cannabis grundlegend reformiert.

Auf der Konferenz von 1924 bis 1925 im schweizerischen Genf drängt der ägyptische Delegationsleiter El Guindy auf ein Verbot von Cannabis. Denn in Ägypten und weiteren afrikanischen und arabischen Ländern ist der Konsum von Cannabis weit verbreitet. Auch aus Tradition:

In einem extra eingerichteten Ausschuss wird im Dezember 1924 über das beantragte Cannabis-Verbot abgestimmt. Die beteiligten Länder Ägypten, Frankreich, Griechenland, Japan, Türkei und die USA stimmen für ein Verbot. Lediglich Großbritannien, die Niederlande und Indien stimmen dagegen. Deutschland ist nicht im „Cannabisunterausschuss“ vertreten. Da der Cannabis-Konsum in Europa zu dieser Zeit keine große Rolle spielt, werden gesundheitliche Gefahren kaum diskutiert.

Die Abstimmung ist der erste große Schritt auf dem Weg zu einem weltweiten Cannabis-Verbot. Unter der Bezeichnung „Indischer Hanf“ wird die „getrocknete Spitze der blühenden oder fruchttragenden weiblichen Stauden der Cannabis“ am 19. Februar 1925 in das „Internationale Abkommen über die Betäubungsmittel“ aufgenommen.

In Deutschland ist Cannabis erst seit dem Jahr 1929 gesetzlich verboten 

Durch das Abkommen wird Deutschland gezwungen, „wirksame Gesetze oder Vorschriften zu erlassen, um Herstellung, Einfuhr, Verkauf, Vertrieb, Ausfuhr und Verwendung der Stoffe […] ausschließlich auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu beschränken.“

Es dauert weitere vier Jahre, bis die Forderungen in Deutschland umgesetzt werden. Am 10. Dezember 1929 beschließet der deutsche Reichstag das „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz)“, den Vorgänger des Betäubungsmittelgesetzes. In diesem Gesetz wird Indisches Hanf zum ersten Mal in der deutschen Geschichte als strafbar erwähnt.

Dieser Tag kann als Beginn der deutschen Illegalisierung von Cannabis gesehen werden. Die heutigen Regelungen basieren im Wesentlichen auf diesem Gesetz. Also auf einer Regel, die im kommenden Jahr 80 Jahre alt wird – und damit nur ein Jahr jünger ist als meine Oma.

Deutschland macht 1971 das Opiumgesetz zum Betäubungsmittelgesetz 

Schlappe 42 Jahre später gibt es in Deutschland die erste gesetzliche Änderung bezüglich eines Cannabis-Verbots. Das „Opiumgesetz“ wird am 22. Dezember 1971 zum heutigen „Betäubungsmittelgesetz“, kurz BtMG, umbenannt.

Cannabis wird nun auch wörtlich in das Gesetz aufgenommen und vollständig verboten. Das bedeutet: 100 Jahre nach den ersten Regelungen zu Cannabis tritt das Betäubungsmittelgesetz im Januar 1972 in Kraft.

Seitdem gab es immer wieder kleine Änderungen im Gesetz. Der Kernbestandteil gilt aber seit 46 Jahren unverändert – Anbau, Handel, Kauf und Besitz von Cannabis sind in Deutschland strafbar.

Cannabis auf Rezept: Seit 2017 in Deutschland nicht mehr verboten 

Eine größere Änderung beschließt der Bundestag Anfang 2017. Seit 10. März 2017 können Schwerkranke Cannabis auf Rezept bekommen. Genau wie schon 1872 ist der Erwerb von Cannabis nach der Verschreibung durch einen Arzt in einer Apotheke nun straffrei möglich. Das Kölner Start-up Cannamedical hat daraus ein Geschäft gemacht.

Und was sagt meine Oma dazu? „Die kontrollierte Abgabe von Cannabis als Schmerzmittel finde ich gut.“ Für eine generelle Erlaubnis sei sie aber nicht. Sie befürchtet, dass sonst bald ganz Deutschland zum Reggaefestival werden würde.

WAS HEISST BITTE...?

  • Hanf 
    ... ist eine krautartige Pflanze aus der Marihuana gewonnen werden kann. Es wird als Rausch- und als Arzneimittel verwendet. 
  • Marihuana
    Als Marihuana oder auch Gras bezeichnet man die getrockneten Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanze.
  • Cannabis 
    ... ist der lateinische Name für Hanf. Der Begriff wird oft umfassend für die Hanfpflanze genutzt.
  • Haschisch
    Haschisch oder kurz Hash bezeichnet das Harz der weiblichen Hanfpflanze. Es kann zu Platten oder Klumpen verarbeitet werden und hat einen höheren Wirkstoffgehalt als Marihuana.
  • Opium 
    ... ist der getrocknete Pflanzensaft der Samenkapseln des Schlafmohns, einer Blütenpflanze. Es ist ein Rausch- und Betäubungsmittel.
  • Morphin 
    ... ist ein Wirkstoff für Schmerzmittel. Es ist Bestandteil von Opium. 
  • Kokain 
    ... ist ein Rauschgift, das aus den Blättern des Coca-Strauchs gewonnen wird. Es wird chemisch zu einem weißen Pulver aufbereitet. 
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