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Warum die Deutsche Bank dicke Boni zahlen muss

Investmentbanker: „Man muss eben bestimmte Spieler halten.“

Die Deutsche Bank macht Minus und streicht Stellen. Gleichzeitig bekommen manche Mitarbeiter zusätzliches Gehalt, insgesamt eine Milliarde Euro. Dahinter steckt ein System, dem die Bank nicht entkommen kann. 

Die böse, böse Deutsche Bank. Schreibt 1,5 Milliarden Euro Verlust zwischen Oktober und Dezember 2017. Kürzt 1.000 Stellen. Und zahlt ihren Investmentbankern mehr als eine Milliarde Boni. Das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und löste damit eine Debatte aus, bei der die Bösen schnell gefunden waren: die Banker.

Deutsche Bank zahlt Milliarden-Boni trotz Verlusten

„Boni trotz Verlusten widersprechen jeglichem Gerechtigkeitsempfinden“, sagte CDU-Politiker Matthias Zimmer der Bild-Zeitung. Und an gleicher Stelle schimpft SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel: „Einerseits Arbeitsplatzabbau, andererseits goldene Nasen in der Führungsetage – das kann man niemandem erklären.“ Wir versuchen es mal und beginnen mit der Frage: Was ist eigentlich ein Bonus?

Eine Sprecherin der Deutschen Bank erklärt: „Bei uns umfasst das Gehalt der Mitarbeiter drei Komponenten. Der fixe Anteil ist das Grundgehalt, das jeder Mitarbeiter vertraglich erhält. Es definiert sich im Wesentlichen über seine Rolle, seine Erfahrung und Kompetenzen. Die zweite und dritte Komponente ist die variable Vergütung.“ Mit anderen Worten: die sogenannten Bonus-Zahlungen, kurz Boni.

Sie setzen sich aus der „individuellen variablen Vergütungskomponente und der Gruppenkomponente zusammen“, sagt die Sprecherin. So soll sowohl die eigene Leistung belohnt werden, als auch der Erfolg des gesamten Unternehmens.

Was macht eigentlich ein Investmentbanker?

Boni gibt es nicht nur in Banken, sondern auch im Fußball, in der Automobil- oder Pharmaindustrie. Mit diesen Zusatzzahlungen wollen Firmen ihre Mitarbeiter motivieren, hart und erfolgreich zu arbeiten. Wer viel leistet, wird dafür belohnt.

„Uns ist wichtig, dass wir unsere Leute angemessen für das bezahlen, was sie geleistet haben“, sagte Marcus Schenck, stellvertretender Vorstandvorsitzender der Deutschen Bank, in einem Interview mit dem Handelsblatt. Das sei genau wie bei einem Fußballclub: „Wenn man mit um den Titel spielen will, dann muss man eben bestimmte Spieler halten oder holen.“

Um diesen Vergleich zu verstehen, müssen wir uns klarmachen, was die Aufgabe eines Investmentbankers ist: Sie verwalten das Vermögen von Kunden und beraten Unternehmen bei bestimmten Vorhaben, zum Beispiel bei einem Börsengang oder beim Kauf oder Verkauf eines Unternehmens.

Die Deutsche Bank hat nach Angaben des Geschäftsberichts 2016 weltweit 99.744 Mitarbeiter, 7,1%, also knapp 7082 davon, sind Investmentbanker. Vor allem sie sind es, die in diesem Jahr dicke Boni kassieren sollen.

„Investmentbanker arbeiten durch die erfolgsabhängigen Zahlungen ein wenig wie Selbständige, als ob sie einen eigenen Shop in der Bank betreiben“, erklärt Zacharias Sautner, Professor für Finanzwirtschaft an der Privat-Uni Frankfurt School of Finance & Management. „Je mehr Geschäfte sie machen und je mehr Kunden sie haben, desto mehr Geld bekommen sie am Ende auch. Der Boni ist also eine Erfolgsprämie.“

Investmentbanker sind so begehrt wie Profifußballer

Der Nachteil für die Banken: „Investmentbanker können ihre Position nutzen und Banken erpressen. Sind die Bonuszahlungen zu gering, geht ein Banker zur Konkurrenz. Dann nimmt er auch seine Kunden, die dem Unternehmen Gewinn bringen, mit.“

Was Lionel Messi im Fußball, sind bei der Deutschen Bank nach Angaben des Geschäftsberichts 2016 (S. 279) die Mitarbeiter, „deren Position besonders entscheidend für den zukünftigen Erfolg der Bank sind, für die eine hohe Nachfrage am Markt besteht und die zudem äußerst schwer zu ersetzen sind.“

Ähnlich wie im Profifußball konkurrieren die großen Banken auf der ganzen Welt um die besten Investmentbanker. Und die Investmentbanker gehen dahin, wo sie am meisten Geld bekommen. Zieht die Deutsche Bank auf diesem Markt nicht mit, gehen erfolgreiche Investmentbanker zur Konkurrenz.

Jetzt wirst du dich fragen: Schön und gut, dass jemand für Erfolg belohnt wird. Aber die Deutsche Bank macht Verluste, schon im dritten Jahr in Folge. Warum also soll es überhaupt Boni geben?

Donald Trumps Steuerreform bringt der Deutschen Bank rote Zahlen 

Die Sprecherin von der Deutschen Bank meint: „Der Grund für unseren geringen Nachsteuer-Verlust im Jahr 2017 ist die US-Steuerreform. Für diese Reform sind unsere Mitarbeiter nicht verantwortlich. Deshalb hat der Vorstand entschieden, die individuelle variable Vergütung wieder an die Mitarbeiter zu zahlen.“

Dazu musst du wissen: Ende 2017 hat US-Präsident Donald Trump beschlossen, dass Unternehmen in den USA nicht mehr 35, sondern nur 21 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen müssen. Klingt zunächst ziemlich gut für Firmen wie die Deutsche Bank, die auch viele Geschäfte in den USA macht.

Die Deutsche Bank hat aber durch die Finanzkrise ab 2007 milliardenschwere Verluste gemacht, mit denen sie die Steuerlast in den Folgejahren senken konnte. Durch sogenannte Verlustvorträge können Verluste aus einem Jahr mit Einnahmen aus dem nächsten Jahr verrechnet werden. Das mindert die Steuer. Aber weil jetzt die Summe an zu zahlenden Steuern sinkt, können die Verluste aus der Vergangenheit nicht mehr in der geplanten Menge gutgeschrieben werden.

So rechtfertigt die Deutsche Bank also die Boni trotz Verlusten: Investmentbanker brauchen viel Geld für ihre Leistung, sonst wechseln sie zur Konkurrenz und der Bank geht es noch schlechter. Außerdem können sie ja nichts für das Minus im Gesamtgeschäft.

Mag sein. Aber laut Ökonom Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, gibt es ein grundsätzliches Problem in diesem System: „Die Aussicht auf hohe Bonuszahlungen erhöht die Risikobereitschaft bei Investmentbankern.“

Boni für Investmentbanker: Warum nicht auch mal ein Malus? 

Kurzfristig kann das einer Bank große Gewinne bringen, denn je höher das Risiko, desto höher auch die Gewinnchance. Wie im Lotto. Doch was, wenn es schiefgeht? „Weil Investmentbanker häufig den Arbeitgeber wechseln, trägt am Ende die Bank selbst das meiste Risiko. Und nicht die Banker.“

Banker gingen Risiken ein, die sich oft erst offenbarten, wenn sie schon längst zu einer anderen Bank gewechselt seien. Ein riskantes Spiel – das die Deutsche Bank mitspielen muss, um im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte mitzuhalten.

Gibt es einen Ausweg? Ich glaube: ja. Wer Bonus sagt, muss auch Malus sagen. Malus ist das Gegenteil von Bonus und erlaubt Gehaltsabzüge bei Mitarbeitern, die schlechte Leistungen bringen. Oder dem Unternehmen mit zu viel Risiko sogar schaden. Wenn wir es schaffen, Risikofreude und Verantwortung zu vereinen – auch nach einem Wechsel eines Investmentbankers – klingt ein Millionenbonus gar nicht mehr so unverdient. Denn schon im nächsten Jahr könnte es ja ein Millionenmalus sein.

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