Ein progressives Gesetz soll trans* Personen in Großbritannien das Leben in Schottland erleichtern. Die Regierung in London will das nun verhindern.
London - Die britische Regierung will dem Parlament in Edinburgh verbieten, die Rechte von trans Menschen zu stärken. Das ist auch ein weiteres Kapitel im Streit um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung Schottlands in Großbritannien. Als das schottische Parlament kurz vor Weihnachten ein Gesetz verabschiedet hat, das die Rechte von trans Menschen stärken soll, war die Erleichterung unter Betroffenen groß.
Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten in Edinburgh für die Geschlechterreform, die die Änderung des Geschlechtseintrags erleichtern sollte. Doch die Freude über das progressive Gesetz währte nur kurz. Denn Schottland bekommt Gegenwind von der konservativen britischen Regierung in London.
Großbritannien versus Schottland: Erstes Veto gegen RegionalparlamentDie hat am Montagabend angekündigt, das Gesetz zu blockieren: „Nach gründlicher und sorgfältiger Prüfung aller einschlägigen Gutachten und der politischen Auswirkungen befürchte ich, dass dieses Gesetz negative Auswirkungen auf die Anwendung der Gleichstellungsvorschriften in Großbritannien haben wird", schreibt Schottlandminister Alister Jack in einem Statement. Den Belangen von trans Menschen müsse man mit „Respekt, Unterstützung und Verständnis" begegnen. Seine Entscheidung betreffe die Konsequenzen für die landesweite Gesetzgebung in dieser Sache.
Mit der schottischen Reform soll es für trans Menschen schon ab einem Alter von 16 Jahren möglich sein, ihr offizielles Geschlecht zu ändern. Sie müssten dafür nur drei Monate offen mit ihrem tatsächlichen Geschlecht gelebt haben, um den Eintrag ändern zu lassen.
Großbritannien: Schottland ist dem Königreich vorausFür Minderjährige würde die Frist sechs Monate betragen. Besonders entscheidend für Betroffene: Um das offizielle Geschlecht anzupassen, brauchen sie nach der Reform keine medizinische Diagnose mehr, dass sie gesundheitlich darunter leiden, dass ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das sie bei der Geburt zugewiesen bekommen haben. Die offizielle Änderung des Geschlechts ist in Schottland schon seit 2005 möglich. Der dafür nötige bürokratische Prozess wurde aber wiederholt als entwürdigend und abschreckend kritisiert.
Die anderen Landesteile des Vereinigten Königreichs sind bei den Rechten von trans Menschen deutlich weniger liberal. Diesen Umstand zieht die britische Regierung nun heran, um zu verhindern, dass das schottische Gesetz in Kraft treten kann. Eine Regelung von 1998 erlaubt es der britischen Regierung, unter bestimmten Umständen zu verhindern, dass ein schottisches Gesetz vom König abgesegnet wird - eine formale Voraussetzung für das Inkrafttreten.
Großbritannien - Ein Streit spitzt sich bei trans Rechten zuDie schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon reagierte am Montag empört auf die Einmischung aus London: „Das ist ein Frontalangriff auf unser demokratisch gewähltes, schottisches Parlament und dessen Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen", schrieb Surgeon auf Twitter. Sollte das Veto aus London Erfolg haben, werde es das erste von vielen sein, so Sturgeon. Bislang hat noch keine britische Regierung die Möglichkeit genutzt, auf diese Weise auf die schottische Gesetzgebung Einfluss zu nehmen.
Beobachter:innen gilt der Streit um die Geschlechterreform als Zuspitzung des angespannten Verhältnisses zwischen London und Edinburgh. Die schottische Nationalpartei von Regierungschefin Sturgeon bastelt derzeit an einem weiteren Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands.
Großbritannien: Schottland und London uneinsAuch in Schottland selbst waren die Reaktionen auf das Gesetz gemischt. Abgeordnete der konservativen Opposition und sogar neun Mitglieder der Regierungsparteien verweigerten dem Entwurf ihre Zustimmung. Aktivist:innen für die Rechte von trans Menschen begrüßten das Gesetz, während Gegner:innen von „Schande" sprachen.
In den vergangenen Jahren haben sich transfeindliche Strömungen auch in Schottland verstärkt. Gegen die Geschlechterreform war massiv Stimmung gemacht worden. Transfeindliche Aktivist:innen sahen die Rechte von cis Frauen in Gefahr, also Frauen, bei denen das biologische Geschlecht mit dem sozialen Geschlecht übereinstimmt.
Auch Mitglieder der konservativen Partei im schottischen Parlament schlossen sich derartigen Anschuldigungen gegen trans Frauen an, obwohl es keine nachgewiesenen Fälle gibt, in denen Männer die Möglichkeit zur Änderung des offiziellen Geschlechts missbraucht haben, um in Schutzräume für Frauen einzudringen. Zudem adressiert die Reform die Befürchtungen, indem es für derartige Fälle eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren vorsieht. (Jana Ballweber)