Der durchschnittliche Deutsche steht um 6.18 auf und geht um 23.12 ins Bett. Aber entspricht diese Zeitspanne des Wachseins auch unserer inneren Uhr? Schlafdauer und -frequenz haben sich gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten angepasst. Der Rund-um-die-Uhr-Service wächst. Auch künstliches Licht und die Möglichkeit, immer und überall online zu sein, beeinflussen unseren Schlaf.
In der Geschichte der modernen Schlafmedizin gab und gibt es Empfehlungen, die zu definieren scheinen, was „normaler Schlaf" jeweils sei - aber gibt es den überhaupt? Bei einer Versuchsreihe, die ab den 1960er-Jahren im bayrischen Andechs durchgeführt wurde, lebten Probanden wochenlang in einem Bunker ohne Tageslicht, Uhren oder sonstige Taktgeber. Man fand heraus: Bei jedem Menschen tickt die innere Uhr anders. Und: Unser Biorhythmus stimmt nicht genau, sondern nur in etwa mit der Tageslänge überein. Der Schlaf-Wach-Rhythmus verteilte sich bei den Probanden auf 25 Stunden. Unser 24-Stunden-Rhythmus erfordert vom Körper also eine Anpassung.
Die Industrialisierung veränderte das SchlafverhaltenMit der Industrialisierung kamen elektrisches Licht, Fabrik und Schichtarbeit. Der Schlaf musste sich dem Arbeitsrhythmus anpassen. In den 1920er-Jahren sprach man plötzlich von einer ‚Massenschlaflosigkeit', die vor allem die einfachen Arbeiter betraf. Kein Wunder, denn 12-Stunden-Schichten und Nachtarbeit brachten den individuellen Rhythmus durcheinander. Mediziner versuchten damals sogar, Impfstoffe gegen die Müdigkeit zu entwickeln. Heute ist nachgewiesen: Schichtarbeit und wechselnde Schlafrhythmen belasten die Gesundheit - das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, Konzentration und Denkvermögen leiden.
Ein regelmäßiger Schlafrhythmus ist wichtigAuch heute arbeiten in Deutschland arbeiten etwa 17 Millionen Menschen regelmäßig in Schichten - davon 2,5 Millionen ständig in Nachtschicht. Forscher glauben, dass es noch mehr werden, denn der Arbeitsalltag verändert sich. Flexibilität und Mobilität sind gefragt, auch nachts. Schon jetzt scheint der Nachholbedarf groß zu sein: 40 Prozent der Berufstätigen in Deutschland würden gerne auch mittags etwas schlafen. Aber das ist selten möglich. Selbst in Spanien, wo die mittägliche Siesta eine lange Tradition hat, schläft mittags nur noch 13 Prozent der Bevölkerung.
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