Die Stimmung in der Umkleidekabine ist angespannt. Nervös tigern zwölf Männer hin und her. Zwischen ihnen stehe ich - auch ein bisschen aufgeregt. Wir werden gleich abgeholt, heißt es. Und dann beginnt der Sporttest bei der Polizei Bremen.
Im Sommer hat die Polizei ihr dreiteiliges Bewerbungsverfahren geändert. Neben dem Sporttest gibt es eine schriftliche Wissensprüfung und ein Interview. Besonders der sportliche Teil sollte sich künftig mehr an den realen Alltagsanforderungen des Berufs orientieren. Erwartet wird nun eine Grundfitness der Bewerber, keine sportlichen Höchstleistungen. „Unser Ziel ist, dass wir diese Kompetenzen im Studium weiter trainieren", erklärte Andrea Wittrock, Leiterin der Zentralen Polizeidirektion Bremen, im Sommer. Ich habe den fünfteiligen Sporttest für den WESER-KURIER ausprobiert.
Prüfungen künftig deutlich enger am ArbeitsalltagBesonders habe ich mich auf den Test nicht vorbereitet, muss ich gestehen. „Entweder es reicht oder halt nicht", habe ich gedacht. Ein Luxus, den sich die anderen Bewerber nicht erlaubt haben. Bis vor kurzem habe ich mehrmals in der Woche Hockey gespielt und bin auch jetzt noch aktiv. Bei 1,86 Metern wiege ich rund 80 Kilogramm. Ich selbst würde mich als sportlich bezeichnen. Das trifft auch auf die weiteren Bewerber zu, die ich am Freitag in der Sporthalle Horn treffe. An dem Test nehmen zwölf Männer und zwei Frauen teil, sie alle haben bereits den Wissenstest am Tag zuvor bestanden.
WaffenbehandlungWir werden kurz begrüßt, dann geht es direkt los. Ein Sportlehrer erklärt uns die erste Aufgabe: Wir müssen eine Trainingswaffe in die Hand nehmen, den Lauf zurückziehen, einen Hebel umlegen und dann abdrücken. Klingt leicht. Ist es auch. Eine Teilnehmerin ist so nervös, dass sie vergisst, den Hebel umzulegen. Aber das ist bei dieser Prüfung noch kein Problem. Einzig das Gewicht der Waffe hat mich überrascht.
HandkraftmessungFestes Zudrücken ist im zweiten Teil des Tests gefordert. Mithilfe eines speziellen Gerätes, eines sogenannten Dynamometers, wird unsere Handkraft gemessen. Mit jeder Hand müssen wir fünfmal zudrücken. Gefordert sind mindestens 29 Kilogramm im Durchschnitt, wobei kein Versuch 25 Kilogramm unterschreiten darf. Ich habe keine Ahnung, wie hoch meine Handkraft ist. Sind 29 Kilogramm viel? Scheinbar nicht. Ich höre die Werte der anderen Kandidaten, die laut angesagt werden, um sie protokollieren zu können. „49, 52, 45, 37, 34". Dann bin ich an der Reihe. Ich drücke zuerst mit der rechten Hand zu, höre: „51". Ich bin erleichtert. In der Größenordnung geht es weiter. Die 29 Kilogramm sind für niemanden ein Problem, auch für mich nicht.
Mit einem Dynamometer wird die Handkraft gemessen.
Hoch hinausDie dritte Übung lässt sich schon erahnen: In der Sporthalle stehen eine Leiter und ein Messgerät, mit dem die vertikale Sprunghöhe gemessen wird. Männer müssen 43 und Frauen 35 Zentimeter hochspringen, dafür haben wir drei Versuche. Auch hier habe ich keinen Vergleichswert. Klingt erstmal, als sei es machbar. Wir müssen den Arm ausstrecken, so wird die Reichhöhe ermittelt. Die ersten Bewerber schaffen die Aufgabe im ersten Anlauf. Einer braucht zwei Versuche, ein weiterer scheitert um wenige Zentimeter. Für ihn ist der Testtag beendet, immerhin hat er in sechs Wochen eine weitere Chance. Das ist neu bei dem Einstellungsverfahren. Bisher waren Bewerber raus, wenn sie eine Aufgabe nicht bewältigen konnten. Dann stehe ich unter dem Messgerät und springe hoch. Der Prüfer schaut genau, doch es reicht. Im ersten Versuch.
Retter in der NotEinen Autounfall sollen wir uns bei der nächsten Übung vorstellen, erklärt der Sportlehrer. Dabei sei ein Mensch, dargestellt von einer 80-Kilogramm-Puppe, aus dem Fahrzeug geschleudert worden und solle nun aus der Gefahrenzone transportiert werden. Zuvor müssen wir einen Sprungkasten überwinden, egal wie. Und auch der Transport der Puppe ist uns überlassen. Ich überlege, dass es wohl am sinnvollsten ist, der Puppe unter die Arme zu greifen und sie rückwärts laufend zu ziehen. Eine Technik, die auch die meisten anderen wählen. Die 45 Sekunden für Männer scheinen genug, auch die 70 Sekunden für Frauen sind realistisch. Nur eine der Frauen hat große Probleme, die Puppe auf die Weichbodenmatte zu bugsieren. Die Zeit stoppt erst, wenn die 80 Kilogramm komplett auf dem blauen Schaumstoff liegen. Ich brauche 27 Sekunden, das ist im oberen Mittelfeld. Ein Bewerber benötigt nur 19 Sekunden. Anstrengend ist die Übung, aber zu bewältigen.
Fit genug für die Polizei? Cooper-TestDer Höhepunkt wartet zum Abschluss des Tests: der allseits beliebte und aus der Schule bekannte Cooper-Test. Wir müssen zwölf Minuten am Stück laufen und dabei eine bestimmte Strecke zurücklegen. Für Frauen sind das 1890 Meter, für Männer 2250. Der Test findet in einer Halle statt, die Strecke ist mit Stangen abgesteckt. Es ist die einzige Aufgabe, bei der Teilnehmer Bonuspunkte erlaufen können. Männer und Frauen, die mehr als 2880 beziehungsweise 2520 Meter laufen, erhalten einen Bonus auf die Gesamtpunktzahl des Einstellungsverfahrens. Dann beginnt der Lauf, schnell bilden sich Grüppchen. Ein Bewerber setzt sich ab, um die Bonuspunkte zu gewinnen. Ich bin es nicht. 25 Runden müssen wir schaffen, also etwas weniger als 30 Sekunden pro Runde habe ich mir ausgerechnet. Die Marke versuche ich zu erreichen. Nach den ersten Minuten merke ich, dass es für mich ganz gut machbar ist. Ein weiterer Bewerber läuft nahezu das gleiche Tempo. Wir spornen uns gegenseitig an und laufen am Ende gemeinsam 27 Runden.
FazitDanach ist die Erleichterung bei allen groß. Die Bewerber freuen sich, dass sie den Test geschafft haben. Nur wenige müssen in sechs Wochen nochmal antreten. Ich bin auch froh, dass ich den Test hinter mir habe. Noch besser ist, dass ich mich nicht blamiert habe. Wirklich anstrengend sind eigentlich nur der Cooper-Test und das Ziehen der Puppe. Beides lässt sich jedoch relativ gut trainieren. Tipps dazu gibt es auf einer von der Polizei eingerichteten Internetseite. Ohne Training wird der gesamte Test schwer, aber viel mehr als Grundfitness ist nicht nötig.
WESER-KURIER-Redakteur Jan-Felix Jasch schleppt die 80-Kilogramm-Puppe durch die Sporthalle.
Zur SacheDas Einstellungsverfahren der Polizei Bremen
Geblieben ist eine Dreiteilung des Bewerbungsverfahrens. Neben dem Sporttest kommt auf Bewerber eine schriftliche Prüfung und ein Gespräch zu. Beim Wissenstest gibt es nun kein Lückendiktat mehr; das wird durch Tests zur Überprüfung von Rechtschreibung, Grammatik und Sprachgebrauch ersetzt. Unverändert bleibt dagegen die Überprüfung von Intelligenz, Merkfähigkeit, schlussfolgerndem Denken und Wissen.
Danach folgt ein Interview, bei dem es nach wie vor um persönliche Kompetenzen der Bewerber geht. Darunter etwa Teamfähigkeit, Selbstreflexion oder auch die Fähigkeit, zu argumentieren und Entscheidungen zu fällen. Zur Reformierung des Bewerbungsverfahrens gehört auch, dass die Bremer Polizei in diesem Bereich ab sofort auf Transparenz setzt. Im Internet können zahlreiche Details zu den einzelnen Prüfungsbereichen nachgelesen werden, inklusive der erwarteten Mindestleistungen. In kurzen Videos wird den Bewerbern erläutert, was sie erwartet. Auch praktische Tipps zur Vorbereitung auf die Prüfung gibt es dort. Nach dem Bestehen der Prüfungen werden die Punkte der Bewerber zusammengezählt und in einer Rangliste aufgeführt.