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Schnick, Schnack, Schnuck!

Wie englische Schiris mit einem Kinderspiel protestieren                                                              Ein eng­li­scher Schieds­richter ver­gisst seine Münze für die Sei­ten­wahl und findet für den Münz­wurf eine kuriose Alter­na­tive. Seine Bestra­fung durch die FA löste am Wochen­ende eine lan­des­weite Schieds­rich­ter­re­bil­lion aus.

Schieds­richter haben es nicht immer leicht. In Momenten, in denen die gesam­melte Auf­merk­sam­keit des Sta­dions auf sie gerichtet ist, müssen sie die rich­tigen Ent­schei­dungen treffen. Und diese Ent­schei­dungen gehen über die bloße Inter­pre­ta­tion eines harten Zwei­kampfes oder das Abschätzen einer Abseits­si­tua­tion hinaus. Schieds­richter müssen mit den ungüns­tigsten Situa­tion sou­verän umgehen. Gelingt das nicht, sind die Kon­se­quenzen hart.

Wer schon mal vor einer miss­mu­tigen Kas­sie­rerin vor einer langen, war­tenden Schlange im Super­markt ver­geb­lich nach seinem Geld gekramt hat, weiß zumin­dest annä­hernd, wie sich der Schieds­richter David McNa­mara neu­lich gefühlt haben muss. Beim Erst­li­ga­spiel der Frau­en­mann­schaften von Man­chester City und FC Rea­ding konnte McNa­mara wäh­rend der Platz­wahl aus­ge­rechnet eine Sache nicht in seinen Taschen finden: Seine Münze. Doch der Umstand stellte sich für ihn noch mal deut­lich miss­li­cher dar. Denn da das Spiel live im Fern­sehen über­tragen wurde, konnte er nicht noch mal schnell in die Kabine zurück laufen oder am Spiel­feld­rand nach einer Ersatz­münze fragen.

„Moment des Wahn­sinns"

Der haupt­be­ruf­liche U‑Boot-Offi­zier der Royal Navy blieb so gelassen wie mög­lich und ließ die Platz­wahl mit dem Kin­der­spiel ​„Schere, Stein, Papier" ent­scheiden. Die Spie­le­rinnen nahmen die Situa­tion mit Humor und schnickten um die Platz­wahl. Das Mal­heur schien mit der ersten Spiel­mi­nute des Spit­zen­spiels schon wieder ver­gessen zu sein, doch McNa­mara und die beiden Spiel­füh­re­rinnen machten ihre Rech­nung ohne die FA. Denn was sich für viele nach einer geschickten Alter­na­tive anhört, erach­tete Joanna Stimpson, die Frauen-Schieds­richter-Mana­gerin der FA, nach eigenen Worten als ​„Moment des Wahn­sinns" und sperrte den Unpar­tei­ischen für drei Wochen.

Das über­harte Durch­greifen des Ver­bandes führte zu lan­des­weitem Unver­ständnis. Die rest­li­chen Schiris reagierten mit einem humor­vollem Pro­test: Über 100 Schieds­richter in Eng­land bra­chen an diesem Wochen­ende in den Ama­teur­ligen absicht­lich die Regel und ließen die Kapi­täne die Platz­wahl per ​„Schere, Stein, Papier" ent­scheiden. Und das aus­ge­rechnet am Non-League-Day. Der Spieltag, an dem in Eng­land der Fokus auf den Ama­teur­fuß­ball gelegt wird. Die hun­derten Pro­test­ak­tionen auf den Äckern und Asche­plätzen der Ama­teur­mann­schaften hätte also keine grö­ßere Auf­merk­sam­keit bekommen können. Der spöt­ti­sche Wider­stand der Schieds­richter sollte die FA nicht nur ver­höhnen, son­dern den Ver­band zu einer Revi­sion der Strafe anregen. Noch äußerte sich die FA nicht zu den Vor­komm­nissen.

Unter­schied von Wett­kämpfen und Los­ver­fahren

Neben den vielen Pro­testen gibt es auch Befür­worter der Sperre. So kann auch der deut­sche Schieds­rich­ter­pod­cast ​„Col­linas Erben" die Strafe zumin­dest nach­voll­ziehen. Auf ihrem Twit­ter­ac­count halten sie das Spiel­chen bei der Sei­ten­wahl ​„für nicht ange­messen". Nicht weil das Spiel nicht seriös genug für den Anlass sei, son­dern weil ​„Schere-Stein-Papier" gegen eine offi­zi­elle Regel ver­stößt. Tat­säch­lich steckt hinter dieser Regel sogar eine ratio­nale Erklä­rung. Die Platz­wahl muss durch ein chan­cen­glei­ches Los­ver­fahren ent­schieden werden. ​„Schere-Stein-Papier" ist streng genommen ein Wett­kampf und kein echtes Los­ver­fahren, da die Spie­le­rinnen durch psy­cho­lo­gi­sche Tricks Ein­fluss auf den Aus­gang des Spiels haben könnten. Das hört sich ziem­lich theo­re­tisch an, aber Regel ist Regel und mit denen nimmt es so man­cher Ver­band ziem­lich genau.

Natür­lich kann man, wenn man wirk­lich keine anderen Dinge zu tun hat, dis­ku­tieren ob das Schere-Stein-Papier-Spiel­chen nicht zu ver­meiden gewesen wäre. Denn noch leichter wäre es gewesen, seine Pfeife in einer Faust zu ver­ste­cken und die Kapi­tä­ninnen dazu auf­zu­for­dern die rich­tige Hand zu erraten. Hier wäre ein chan­cen­glei­ches Los­ver­fahren wieder gegeben. So reagieren zumin­dest die meisten Kreis­li­ga­schieds­richter auf die miss­liche Situa­tion. So hätte, laut Befür­wor­tern der Sperre, auch McNa­mara die Situa­tion lösen sollen.

Bei der Lösung des Schieds­rich­ters han­delte es sich also tat­säch­lich um einen Fehler. Aber ein ​„Moment des Wahn­sinns"? Ein Grund um einen Schieds­richter für drei Wochen zu sperren? Viel­leicht schafft die FA es ja, in Zukunft ein Auge zuzu­drü­cken. David McNa­mara wird ab jetzt zumin­dest sowohl im Super­markt, als auch auf dem Fuß­ball­platz immer eine Münze dabei haben.

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