Die Automatisierung dringt in alle Branchen vor. Was manche großartig finden, macht anderen Angst. Fest steht: Künstliche Intelligenz verändert grundlegend, was wir heute Arbeit nennen. Darauf reagieren sollten wir schon heute.
Ein Androide, der als Präsident eines Staates kandidiert, hält eine flammende Rede vor allen Mitarbeitern eines Industrieunternehmens. Seine Zuhörer: ein einziger Mensch und eine Halle voller Roboter. Die Szene stammt aus dem Roman „Qualityland" des Berliner Autors Marc-Uwe Kling. Im gleichnamigen Land wird praktisch jede Arbeit von Maschinen erledigt. Es gibt Anwaltsbots, Kampfroboter, elektronische Schriftstellerinnen, Sexdroiden, Lieferdrohnen, selbstfahrende Taxis. Eine Truppe kaputter Maschinen, darunter eine E-Poetin mit Schreibblockade und ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, stehen im Zentrum der Geschichte. Aber die meisten Maschinen des Landes sind intakt - und nehmen den Menschen die Arbeit weg. Und so spricht auch der androide Präsidentschaftskandidat - ungeachtet der Zusammensetzung des Live-Publikums - in seiner Fabrikhallen-Rede vor allem über den Arbeitsmarkt: „Durch Digitalisierung, Automatisierung und Rationalisierung werden Arbeitsplätze in immer größerem Umfang massenweise abgeschafft", ruft er.
Von einem Roboter als Regierungschef sind wir in der Realität weit entfernt, doch die Debatte um Automatisierung und die Auswirkungen auf unsere Arbeit gibt es wirklich. Für viele Menschen ist längst klar: Fast jeder Job kann künftig von Computern gemacht werden. Als Beleg dient oft eine Studie der Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne aus dem Jahr 2013, laut der 47 Prozent der Beschäftigten in den USA in Berufen arbeiten, die wahrscheinlich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren automatisiert werden.
Überraschend an der Untersuchung war für viele, welche Berufsgruppen die Forscher als gefährdet einstufen. Mit dabei sind nämlich viele Bürotätigkeiten, Dienstleistungen und vermeintlich kreative Tätigkeiten. Für Buchhalter sieht die Untersuchung eine 94-prozentige Automatisierungschance, für Versicherungsvertreter 92 Prozent, für Programmierer immerhin noch 48 Prozent. Damit ist die Angst, von Maschinen ersetzt zu werden, bei den Geistesarbeitern angekommen, den White-Collar-Workern, die im weißen Hemd - oder mittlerweile oft eher im Kapuzenpulli - arbeiten statt im Blaumann. Bis dahin war diese Befürchtung vor allem Arbeitern in der industriellen Produktion vorbehalten.
Die Schlagworte für die neuen Automatisierungsängste sind in aller Munde: künstliche Intelligenz, Algorithmen, Machine Learning. Immer intelligentere Software sorgt dafür, dass Maschinen Dinge können, die wir bisher nur uns Menschen zugetraut haben. Googles Alphago Zero hat sich das chinesische Brettspiel viel schneller und besser beigebracht, als die meisten Experten erwarteten. Microsoft und Alibaba haben kürzlich unabhängig voneinander gemeldet, ihre Software habe in einem Test ein besseres Textverständnis als Menschen erreicht. IBM Watson steuert Busse und hilft Ärzten. Nachrichten wie diese erregen großes Aufsehen - und sie erwecken den Eindruck: Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Computer unsere Arbeit übernehmen.
Die einen träumen deshalb schon von einer paradiesischen Welt, in der niemand mehr arbeiten muss - die anderen haben Angst vor Arbeitslosigkeit. Aus dem Silicon Valley kommen Vorschläge wie eine Robotersteuer und ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Zukunft ohne Arbeit. In Deutschland fordert Sascha Lobo, die SPD müsse es als ihre Kernaufgabe begreifen, die Folgen der Digitalisierung gesellschaftlich zu bewältigen. „In einer Zeit, in der nicht viele Leute wissen, ob es ihren Job in zehn Jahren noch so gibt", wie der Spiegel-Online-Kolumnist schreibt.
Im Jahr 2018, so scheint es, sind wir von den Utopien und Dystopien allerdings noch gleichsam weit entfernt. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist so gering wie seit Jahren nicht - und Menschen, die faul in der Hängematte liegen, weil Maschinen all ihre Arbeit tun, sind auch nicht gerade die Regel. Also doch alles halb so wild, das mit der Robo-Zukunft?