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Russland-Sanktionen: Wie bankrott ist Putins Reich wirklich?

Redet die Wirtschaftslage seines Landes schön: Kreml-Despot Wladimir Putin (69)

Seit dem Krieg ist Russland mit Sanktionen belegt, außerdem konnte es vergangene Woche zum ersten Mal seit 100 Jahren Zinsschulden am Kapitalmarkt nicht bedienen.

Doch Putin behauptet: Es geht uns nicht schlecht! Und manche Zahlen lassen tatsächlich aufhorchen: Der Rubelkurs, der unmittelbar nach dem Ukraine-Überfall zunächst ins Bodenlose gestürzt war, hat sich inzwischen nicht nur erholt, sondern erreichte sogar ein neues 7-Jahres-Hoch.

Geht's Russland etwa besser als angenommen? Nein! Rubel-Kurs von der Lage entkoppelt Der Rubel-Kurs wäre ein Indikator für eine starke Wirtschaft - würde er nicht durch künstliche Maßnahmen hochgehalten.

Doch Putin erpresst Empfängerländer, die russischen Gas-Exporte in Rubel zu zahlen, außerdem hat er seine Bürger stark eingeschränkt darin, ausländische Devisen zu halten. Einheimische Unternehmen müssen 80 Prozent ihrer im Ausland erzielten Gewinne in Rubel umtauschen und Russen konnten ihr Geld nicht mehr ins Ausland bringen. Ausländische Investoren wurde es untersagt, ihre russischen Wertpapiere zu verkaufen.

Folge: Niemand kennt den „wahren" Rubel-Kurs - wie er aussähe, wäre der Devisenmarkt frei und nicht durch Knallhart-Maßnahmen reguliert

„Es ist Russland gelungen, den Rubel zu stabilisieren", sagt Jürgen Matthes, Leiter des Kompetenzfelds internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zu BILD. ABER: „Das ist kein Grund für Jubelstürme, da der Rubel von der wahren Wirtschaftslage losgelöst ist." Gefahr: nicht Inflation, sondern Deflation

Im Gegenteil könnte der teure Rubel der russischen Wirtschaft sogar zusetzen.

Eine Wirtschaftsgeografin und Professorin an der Moskauer Staatsuniversität, Natalja Subarewitsch sagt, dass Russland derzeit mehr Geld einnimmt, als es ausgeben kann: somit herrsche nach einer anfänglichen Inflation nun eine Deflation - ein gefährlicher Verfall der Preise und des allgemeinen Lebensstandards.

Hoher Export und niedriger Import sind auch laut Matthes die entscheidenden Gründe für den Höhenflug des Rubels. Die Folgen für die russische Wirtschaft sind verheerend. Unternehmen müssen ihre Produktion dramatisch zurückfahren und Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit geschickt worden. Es mangelt an Importgütern.

Sanktionen zeigen Wirkung Schlüsselsektoren der Industrie sind in hohem Maße von Importen aus der EU und den USA abhängig. Gerade im Maschinenbau, im Verkehr oder der Energiewirtschaft fehlen Komponenten und Ersatzteile. Putin zieht dennoch eine positive Bilanz: Die Sanktionen hätten der russischen Wirtschaft bisher nicht geschadet. Wenn das so ist, dann rollt ja der Rubel im Land des Despoten. „Schlimmste Rezession seit 1990er-Jahren"

Doch: „Das ist falsch. Selbst nach den offiziellen Prognosen wird Russland die schlimmste Rezession seit Anfang der 1990er-Jahre erleben", sagt Sergey Guriyev, ein russischer Ökonom und Professor für Wirtschaftswissenschaften am Institut d'études politiques in Paris, zu BILD.

Einige Branchen hätten bereits stark gelitten, urteilt Guriyev: „Zum Beispiel ging der Verkauf von Neuwagen um das 5-6-fache zurück". Auch Jürgen Matthes (IW) sagt: „Es wird dieses Jahr eine tiefe Rezession und eine starke Inflation geben."

BIP-Rückgang von 8 bis 10 Prozent erwartet Wie so oft also nur Propaganda Putins. Die Sanktionen zwingen die Russen-Wirtschaft in die Knie. Russland sei viel härter von den Sanktionen betroffen als Deutschland, urteilt Guriyev: Niemand rechne mit einem Rückgang des deutschen BIP um 8-10 %, wie es die Prognosen für Russland vermuten lassen. Sanktionen könnten sogar Putins Fähigkeit, den Krieg fortzusetzen, verringern, fügt Guriyev hinzu.

Die Sanktionen sind so kraftvoll, dass selbst die Chinesen in die Defensive geraten. Guriyev: „Große chinesische Unternehmen und Banken fürchten sich vor amerikanischen Sekundärsanktionen und halten sich von Geschäften in Russland fern."

Zahlungsausfall löst keine globale Krise aus Am Dienstag erlebte Russland seinen ersten Zahlungsausfall seit der russischen Revolution vor mehr als einem Jahrhundert.

Ursache waren aber die Sanktionen bzw. der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift, nicht ein tatsächliches Erschöpfen der Gold- oder Devisenreserven des Landes.

Normalerweise löst der Zahlungsausfall eines Landes eine Lawine an den Geldmärkten aus, treibt andere Länder in große Schwierigkeiten. Nicht diesmal, erklärt Jürgen Matthes (IW): „Weil Russland durch die Sanktionen sowieso weitgehend vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten ist, kann es nicht viel schlimmer kommen."
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