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Vor Verschwinden seiner Frau: Millionär traf verdächtigen IT-Experten

Die Ehefrau des norwegischen Investors Tom Hagen ist seit Oktober 2018 spurlos verschwundenFoto: TORBJORN OLSEN / AFP

Oslo - Der norwegische Multi-Millionär Tom Hagen (70, geschätztes Vermögen 190 Mio. Euro) wurde am Freitag aus der U-Haft entlassen. Am Samstag kam auch ein 32-jähriger IT-Spezialist frei.

„Mord oder Beihilfe zu Mord" - so lautete der Verdacht der Staatsanwaltschaft. Die Begründung bei den Festnahmen: Beide Männer hatten sich vor dem Verschwinden von Anne-Elisabeth Hagen (68) am 31. Oktober 2018 angeblich rund zehnmal getroffen.

Aber die Beweislage war nicht ausreichend. Trotzdem gehen die Nachforschungen weiter. Der IT-Spezialist bezeichnet die Anschuldigungen als „absurd". Tom Hagen selbst hält immer noch daran fest, was er von Anfang an gesagt hatte. Seine Frau sei aus der gemeinsamen Villa am Sloraweg in Lørenskog bei Oslo am Vormittag dieses Tages entführt worden.

Grundstücks des Multimillionärs Tom Hagen in Lørenskog, nahe Oslo. Hier verschwand Anne-Elisabeth HagenFoto: Tore Meek / dpa

➤ Tom Hagen hat sie um 9 Uhr morgens zum letzten Mal gesehen.

➤ Als er um 13.30 Uhr nach Hause kam, war sie weg.

➤ Auf einem Stuhl lang ein langes und kompliziertes Schreiben eines Entführers. Er verlangt 9 Millionen Euro in Form von Krypto-Währung - ausbezahlt über komplizierte IT-Wege, die nur Kryptowährung-Insider durchschauen können.

Anne-Elisabeth muss zwischen 9.14 und 9.48 Uhr aus ihrem Haus verschwunden seinFoto: NTB Scanpix/via REUTERS

Dringender Tatverdacht

Trotz der Freilassung aus der U-Haft stehen beide Männer immer noch unter dringendem Tatverdacht. Nur beim IT-Spezialisten wurde der Verdacht inzwischen von „Mord oder Beihilfe zu Mord" in „Beihilfe zur Freiheitsberaubung" geändert.

Tom Hagens Haus in Lørenskog ist für die Polizei ein Tatort. Bei ihren Ermittlungen gehen die Beamten weiterhin davon aus, dass Hagens Frau dort ums Leben kam, bestätigt die Staatsanwaltschaft.

Die Polizei geht immer noch davon aus, dass die Villa ein Tatort ist, an dem es zu einem Todesfall gekommen ist. Hars Hrenovica, Sprecher der Staatsanwaltschaft

„Das Haus und andere Immobilien werden noch untersucht und stehen im Mittelpunkt der Nachforschungen", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Polizisten der Spurensicherung auf dem Grundstück des MultimillionärsFoto: Terje Pedersen / dpa

Die Villa wurde seit Tom Hagens Festnahme am 28. April gründlich untersucht. Ein weißes Zelt vor dem Eingang verdeckt die Arbeiten, aber die Polizei soll u.a. eine Sickergrube vor dem Haus gründlich untersucht haben.

Tom Hagen konnte nach seiner Freilassung deshalb weder in sein Haus noch in sein Freizeithaus in den Bergen zurückkehren. Beide Immobilien sind abgesperrt. Wo er sich derzeit aufhält, ist nicht bekannt.

Sven Holden, Anwalt von Tom Hagen: „Tom Hagen war sehr glücklich, dass er zurück zu seiner Familie konnte. Wir brachten ihn zu einem seiner Verwandten. Er war glücklich und erleichtert."

Wer ist Tom Hagen? Tom Hagen hat zwölf Geschwister und stammt aus eher ärmlichen Verhältnissen. Er hat sich aus eigener Kraft hochgearbeitet und sein Vermögen mit Immobilien- und Stromgeschäften selbst aufgebaut.

Sein Studium finanzierte er u.a. mit dem Verkauf von Christbäumen und mit Hilfsarbeiten auf Bauernhöfen. Anne-Elisabeth und er kannten sich schon aus der Schulzeit. Sie heirateten sehr jung und bekamen zwei Söhne und eine Tochter.

Familie: „Wir glauben, dass sie lebt"

Tom Hagens zahlreiche Geschwister und seine drei Kinder haben seit dem Verschwinden von Anne-Elisabeth Hagen die Öffentlichkeit gemieden. Zwei seiner Geschwister, Vigdis (65) und Sverre Hagen (68), sprachen am Wochenende jedoch mit dem norwegischen Sender TV2. „Wir denken jeden Tag darüber nach. Anne-Elisabeth ist für uns wie eine Schwester. Sie ist einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich kenne", sagte Vidgis Hagen. Beide sind davon überzeugt, dass Tom Hagen unschuldig ist.

„Es ist völlig undenkbar, dass er etwas inszeniert, für das man so viele IT-Kenntnisse braucht. Er hat ein altes Nokia und schreibt alles mit der Hand. Er sendet nicht einmal SMS. Er hasst es, wenn er im Mittelpunkt steht. Er würde nie etwas machen, das ihn in eine solche Situation bringen würde." Beide sind davon überzeugt, dass Anne-Elisabeth noch lebt. „Wenn wir den Glauben daran verlieren würden, hätten wir das Gefühl, sie im Stich zu lassen." Auch die drei Kinder von Tom und Anne-Elisabeth Hagen sind von der Unschuld ihres Vaters überzeugt. Ihr Anwalt Stale Kihle gegenüber der Zeitung VG: „Die drei sind sich hier völlig einig. Ihre Situation ist extrem. Sie machen sich große Sorgen um ihre Mutter, haben aber auch selbst Familien, um die sie sich kümmern müssen."

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