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Mani Hussaini (r.), Präsident der sozialdemokratische Jugend (AUF), umarmt seinen Vorgänger Eskil Pedersen (l.), der den Terroranschlag auf der Insel überlebte
Oslo - Die ersten kamen schon am Donnerstag. Manche strahlten vor Freude, andere schauten wehmütig, einige wenige waren bedrückt. Es war so weit. Nach genau vier Jahren und 26 Tagen kehrte die sozialdemokratische Jugend (AUF) Norwegens zurück nach Utøya.
Zurück zu jener Insel der Fröhlichkeit und des Schreckens, auf der Massenmörder Anders Breivik (36) am 22. Juli 2011 das traditionsreiche Sommercamp mit zahllosen Schüssen gestoppt und ein Meer an Toten, Blut, Schmerzen, Verwüstung und unendlichem Leid zurückgelassen hatte.
Am Freitag wurde das erste Sommercamp seit der Katastrophe eröffnet.Um 13 Uhr fand eine Podiums-Diskussion mit Gro Harlem Brundtland und einer jungen AUF-Politikerin statt. Gro Harlem Brundtland wurde 1981 die erste weibliche Ministerpräsidentin, später Direktorin der WHO. Sie war am 22. Juli damals auf der Insel und wäre wahrscheinlich ein Opfer geworden, wenn sie nicht Minuten vor Breiviks Ankunft die Insel verlassen hätte.
Brundtland ist ein ganz großer Star in Norwegen und junge Politikerinnen beten sie an. Deswegen war ihr Kommen so wichtig.Auch Stig Harlem Harris (22) war am Tag des Massakers auf der Insel. Inzwischen ist er Parteisekretär bei der AUF. Damals war er noch Schüler. Er hatte nach dem schrecklichen Tag nur im engsten Kreis darüber gesprochen, was er auf Utøya eigentlich erlebt hatte.
Gegenüber „Aftenposten" berichtete Harris nun: „Ich lag im Zelt, als ich die Schüsse hörte. Erst verstand ich es nicht, aber dann hörte ich Schreie. Ich lief davon und versteckte mich im Wald. Ich wollte wegschwimmen, erreichte das Boot aber nicht. Ich schwamm zurück und versteckte mich zwischen den Felsen, bis alles vorbei war."Wie sein Wiedersehen mit der Insel nun wird, weiß er nicht genau. „Ich werde einen Spaziergang machen und mir die Orte anschauen, an denen ich mich versteckt hatte. Aber ich werde mir auch anschauen, wo ich damals mit meinen Freunden war. Mir ist es wichtig, dass man an die guten Erlebnisse auf der Insel denkt, ohne die zu vergessen, die wir verloren haben."
Håkan Knudsen (23) konnte am 22. Juli 2011 sein Leben retten, weil er von der Insel wegschwamm. Campinggäste zogen ihn mit ihrem Boot aus dem Wasser.
Knudsen: „Seit damals hab ich mich noch viel mehr politisch engagiert. Damals ging es mir hauptsächlich darum, hier Mädchen zu treffen und Fußball zu spielen. Wir werden immer an die denken, die wir verloren haben. Aber dadurch, dass wir wieder nach Utøya fahren, sorgen wir dafür, dass die Dunkelheit das Licht nicht überschattet."Munir Jabar (23) erlebte, wie Massenmörder Breivik auf ihn schoss, als er voller Todesangst davonlief. Breivik rief ihm nach: „Bleib stehen, Polizei! Ich will helfen." Er blieb nicht stehen, erlebte aber, wie die Leute rechts und links von ihm von Kugeln getroffen wurden. Einige von ihnen waren gute Freunde. Während seiner Flucht gab es einen kurzen Augenblick, in dem er Breivik ins Gesicht blickte. Er sah das Grinsen des Massenmörders.
Nun ist er zurück auf der Insel. Vor dem großen Sommercamp hat er sogar dabei geholfen, sie sauber zu machen. Zu „Aftenposten" sagte er: „Es ist wichtiger denn je, gegen all das zu kämpfen, für das der Terrorist stand."
1000 Jugendliche haben sich für das diesjährige Sommercamp angemeldet.Aber nicht alle, die 2011 auf Utøya waren und überlebt haben, sind auch dieses Mal dabei. Viele kämpfen heute noch gegen das Trauma an und könnten sich nicht vorstellen, noch einmal diesen Ort des Schreckens zu erleben. Stig Harlem Harris: „Ich verstehe jeden, der nicht kommen will."
Einer von jenen, die nicht kommen, ist Adrian Precon (25). Er wurde von Breivik sogar in zwei verschiedenen Situationen angeschossen und überlebte schwer verletzt. Gegenüber BILD sagte er: „Nein, ich mache wo anders in Norwegen im Moment Urlaub und entspanne mich dort. Ich bin noch nicht bereit dafür."
Am 22. Juli 2011 entzündete Anders Breivik in Oslo eine schwere Bombe, anschließend fuhr er nach Utøya und schoss auf die Teilnehmer des AUF-Sommercamps. Insgesamt starben 77 Menschen, 69 davon auf der Insel. In Oslo gab es 200 Verletzte, auf Utøya 60 Verletzte. 200 konnten von der Insel wegschwimmen.