Der ewige Ryan Giggs spielte am Mittwoch gegen Bayer Leverkusen 90 Minuten in der Champions League. Und wie: An drei Toren des 5:0-Triumphs war die Manchester-United-Legende beteiligt. Nicht wenige hielten den eleganten Mittelfeld-Taktangeber mit den grauen Schläfen, der an diesem Freitag 40 Jahre alt wird, für den besten Mann auf dem Feld. Die "11 Freunde" tickerten, dass Giggs seinen langen Ball auf Nani zum 5:0 "stehgeigte" - das war ziemlich treffend. "Mir fehlen die Worte, was ich noch über Ryan sagen soll", meinte Mitspieler Wayne Rooney, "mich hat tatsächlich während des Spiels der Leverkusen-Innenverteidiger gefragt, wie Ryan in dem Alter immer noch spielen kann". Der 28-jährige Rooney ergänzte vorsorglich: "ICH werde in diesem Alter mit Sicherheit nicht mehr spielen."
Dieser Ryan Joseph Giggs in seiner 24. (!) Saison für die Red Devils ist wohl wirklich ein "körperliches Wunder", wie es sein Mentor Sir Alex Ferguson mal behauptet hat. Uniteds neuer Coach David Moyes schwärmte nach dem 138. Champions-League-Einsatz des walisischen Mustersportlers: "Er ist ein unglaublicher Fußballer, und er wird sogar immer besser." Außerdem sagte der Schotte über den auch schon zum Trainerstab gehörenden Giggs: "Ich habe Glück, dass ich mit ihm arbeiten darf." Er entscheide selbst über sein Karriereende. "Er wird uns sagen, wenn er genug hat, aber er trainiert immer weiter, spielt immer weiter und seine Leistungen sind exzellent."
Am 1. Dezember kommt der Dokumentarfilm "The Class of '92" in die englischen Kinos. Er handelt von Uniteds goldener Generation um die aus der eigenen Jugend stammenden David Beckham, Gary und Phil Neville, Nicky Butt, Paul Scholes und eben "Giggsy." So lautet seit jeher sein Spitzname in der Umkleidekabine. In einem "Times"-Interview anlässlich des Films sagte Giggs, der einzige noch Aktive: "Ich beneide sie, wenn wir zum Essen ausgehen. Sie trinken ein Glas Wein und ich ein stilles Wasser. Langweilig. Sie ziehen noch um die Häuser, und ich muss nach Hause gehen." Auf der Insel wird ein Riesen-Bohei um seinen 40. Geburtstag gemacht - das Boulevard-Blatt "Daily Mail" druckt dazu in dieser Woche täglich Sonderseiten. Ob für ihn selbst dieser Tag auch etwas so Besonderes sei? "Nicht wirklich. Ich denke, es bedeutet für Leute von außen mehr. Es ist eine Zahl. Was ist der Unterschied zwischen 38 und 40? Nicht viel."
Yoga statt ScheinwerferlichtDen Höhepunkt mit dieser "Klasse von 1992" erlebte der "Welsh Wizard" beim hochdramatischen Champions-League-Finalsieg gegen Bayern München 1999. Giggs erinnerte sich in der "Times", wie er nach dem Schlusspfiff in Barcelona "in die Knie ging und zu schluchzen anfing". Er habe "nie verstanden, warum ein Fußballer so weinen kann. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist", sagte er. "Es war das erste Mal, dass ich so auf dem Fußballplatz gewesen bin."
Einer Fan-Legende nach ist Giggs eine Reinkarnation von George Best, der ebenfalls als technisch versierter Außenstürmer zur United-Ikone aufstieg. Als der Nordire einst den blutjungen Giggs sah, gab er zu Protokoll: "Eines Tages werden sie vielleicht sogar sagen, ich war so eine Art Ryan Giggs." Best wurde der Suff zum Verhängnis. Giggs dagegen ist für seine eiserne Disziplin bekannt, trinkt seit seinem 30. Geburtstag kaum mehr Alkohol. Er war zwar der erste Posterboy der Premier League, als eine Art "Anti-Beckham" sucht er inzwischen statt Scheinwerferlicht aber lieber die Ruhe beim Yoga. Sir Alex erzählte eine Zeit lang jedem, dass Giggs einen Ritterschlag verdiene. Am besten noch während der aktiven Laufbahn. "Wie liebend gern würde ich meine Aufstellung mit den Worten 'Sir Ryan Giggs' schmücken", sagte Uniteds Ex-Trainer mal und kicherte.
Affären kosten den RitterschlagDen Ritterschlag vermasselte sich das leuchtende Vorbild Giggs wohl selbst. Sein Saubermann-Image bekam Kratzer, als 2011 aufflog, dass er neben seiner Ehe Affären mit seiner Schwägerin und einem "Big Brother"-TV-Sternchen unterhielt. Die Fans haben ihm das längst verziehen.
Begonnen hatte die einzigartige Verbindung zwischen United und Giggs am 14. Geburtstag des kleinen Ryan: Da fuhr Ferguson mit seinem riesigen Mercedes vor dem Haus der Familie Giggs vor und warb das Talent aus der Manchester-City-Fußballschule ab. "Er war 13 und schwebte über das Feld wie ein Cocker Spaniel auf der Jagd nach einem Silberpapier im Wind", sagte "Fergie" mal.
Held mit wallendem BrusthaarEin Leben lang United: Inzwischen gehört Giggs zum Inventar am Sir Matt Busby Way und ist der britische Titelrekordsammler. Hier nur die wichtigsten Trophäen: 13 Meisterschaften, zwei Champions-League-Siege und vier FA-Cup-Erfolge. Der Linksfuß brach 2008 Sir Bobby Charltons Rekord von 758 United-Partien (just beim Königsklassen-Triumph in Moskau!) - inzwischen sind es 953 Spiele und 168 Tore. Er war obendrein 2009 Englands Fußballer des Jahres und Sportler des Jahres in Großbritannien. 2011 wählten ihn die Fans zum besten Spieler der Manchester-United-Historie. Seinen einzigen Makel - dass er als Waliser nie ein großes Turnier spielte - legte Giggs ab, als er bei Olympia in London 2012 das Team GB als Kapitän aufs Feld führte.
Als er am 2. März 1991 sein Debüt für United gab, da war sein jetziger Mannschaftskollege Phil Jones noch gar nicht geboren. Giggs selbst, heute mit lichtem, ergrautem Haupt, hatte noch diese Korkenzieher-Locken und immer zu große Trikots. Damals war er der Flügelflitzer, der mit seinen Sturmläufen den Gegnern "das Blut in den Adern verdrehte" (Ex-Kollege Gary Pallister). Heute ist er effizient im Mittelfeldzentrum. Gegenspieler klagten einst, der elegante Mittelfeldspieler sei so leichtfüßig, dass man ihn nicht kommen höre. Italiens Weltmeister Alessandro Del Piero sagte einmal: "Nur zwei Fußballer haben mich beim Zugucken zum Weinen gebracht, einer war Diego Maradona und der andere war Ryan Giggs." Uniteds Anhänger drücken ihre Verehrung auf bizarre Weise aus, mit Brusthaar-Toupets im Old Trafford - in Anlehnung an Giggs' Brustpelz.
Inga Radel