Dass es sich bei dieser Regenjacke um ein edles Produkt handelt, zeigt zunächst das Preisschild: 399,90 Euro steht drauf. Daneben hängt eine ähnlich aussehende Jacke für weniger als 200 Euro, das Modell heißt sinnigerweise "Purist". "Die teurere ist atmungsaktiver, windabweisender, raschelt nicht mehr, diese hier reicht auch, um bei schlechtem Wetter den Hund auszuführen", sagt der freundliche Verkäufer im Markenshop von Europas größtem Outdoor-Hersteller Jack Wolfskin.
Längst nicht alle seiner Kunden sind Bergsportler. "Ein Großteil des Angebots ist mittlerweile sehr modisch", sagt er. Der Outdoor-Trend ist bei der breiten Masse angekommen, nicht zuletzt deshalb erwartet Jack Wolfskin für 2009 ein Wachstum von 15 Prozent.
Das karierte Funktionshemd in Erd- oder Schlammfarben und mit vier Knopftaschen auf der Brust findet sich zwar auch noch in der Auslage. Angesagt sind aber vor allem hippe Shirts in Trendfarben wie Orange oder Olivgrün, mit denen man nicht nur in Berghütten, sondern auch im Großstadtbüro Eindruck schinden kann. Snowboard-Motive und Logos von Outdoor-Marken wie Jack Wolfskin, The North Face, Vaude oder Fjäll Räven gelten als schicke Symbole eines individuellen Lebensgefühls. So sind die Markenshops schon in fast jeder Innenstadt zu finden und damit für viele schon nicht mehr individuell genug.
Aber auch tatsächliche Technik-Innovationen bleiben nicht auf der Strecke. Auf der OutDoor-Messe präsentierten Hersteller unter anderem Rucksäcke aus recycelten Fischernetzen und Funktionswäsche aus wiederverwerteten Plastikflaschen. Das immer gültige Zauberwort der Branche ist ohnehin das Packmaß. Isomatten schrumpfen bei gleich bleibender Qualität, Jacken verlieren an Gewicht. Insgesamt findet bei den Draußen-Produkten eher eine Evolution als eine Revolution statt, meint Rando Steinbach, Geschäftsführer des Leipziger Outdoorgeschäfts Tapir.
Er kaufte auf der Messe in Friedrichshafen ein und bietet in seinem Laden etwa auch GPS-gesteuerte Navigationsgeräte an, das teuerste für 379,95 Euro. Steinbach ist die Begeisterung an solchen Produkten anzumerken, er redet gern über ihre technischen Zusammenhänge. Die Händler bieten die so genannte Hartware aber nicht nur aus Liebhaberei an. Mit den nicht gerade günstigen, dafür aber hochwertigen Zelten und Rücksäcken lässt sich gerade zur Ferienzeit auch Geld verdienen.
Dann ist gute Beratung wichtig. Bei Tapir erklärt die Verkäuferin glaubwürdig, warum eine Schlafsack-Einlage aus Seide für 79,95 Euro besser geeignet sein kann als ein Exemplar aus Baumwolle für 12,95 Euro. Sätze beginnen dann meist mit: "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen..." Fast alle Verkäufer in Outdoor-Geschäften haben selbst eine üppige Ausrüstung zu Hause. Sportstudent Jan Magera arbeitet als Aushilfe in einem Markenshop, in seiner Freizeit ist er schon mal wochenlang nur mit Zelt und Fahrrad unterwegs. "Ich war damit zum Beispiel schon in Schweden, der Schweiz und Slowenien", erzählt der 25-Jährige.
Auch das entsprechende Interieur transportiert die Begeisterung. Bei Tapir gibt es ein üppiges Aquarium, am Rucksack im Schaufenster hängen bereits die Karabinerhaken, sodass der Urlauber in seiner Fantasie gleich Töpfe, Gasbrenner und Tropenhelm daran befestigen kann. Eine Sammlung von Reiseführern soll inspirieren, Wanderschuhe können auf einer künstlichen Felslandschaft und einer Holzbrücke getestet werden.
Selbst Sportkaufhäuser wie Sportscheck haben das ganze Untergeschoss für Outdoor-Produkte leergeräumt, eine Kletterwand für die Kunden führt von dort nach oben. "Zuwächse gibt es auch durch Trendsportarten", sagt Steinbach von Tapir, "Klettern als Breitensport ist zum Beispiel etwas, das bleiben wird."
Rando Steinbach hat sein Geschäft schon 1990 eröffnet, seitdem ist er viermal in einen jeweils größeren Laden umgezogen. Jetzt gibt es auch einen Online-Shop: "Zunächst haben wir das Internet nur als Forum für unsere Stammkunden genutzt. Mittlerweile wird der Versand zum zweiten Standbein."
Der Outdoor-Boom ist nun auch bei den großen Sportartikel-Konzernen angekommen. Steinbach ist offen und skeptisch zugleich: „Wir verfolgen keine Ideologie oder sagen: Bäh, Adidas. Aber bis jetzt konnten sie es noch nicht." Adidas und Puma waren als zwei von 810 Herstellern mit eigenen Kollektionen in Friedrichshafen vertreten.
Die 5,75 Milliarden Euro Umsatz der europäischen Outdoor-Unternehmen im Jahr 2008 werden ihnen genauso wenig entgangen sein wie das für 2009 angekündigte Wachstum von etwa drei Prozent. Und noch etwas ist den Firmen laut Steinbach aufgefallen, nachdem bis vor wenigen Jahren fast nur Männerschnitte auf dem Markt waren: "Auch die Outdoor-Hersteller haben jetzt entdeckt, dass 50 Prozent der Menschen Frauen sind."
ruk/news.de/dpa