Immer mehr Menschen leben vegan, also ohne Tierprodukte. Die Ernährungsberaterin Margret Meier-Assadi spricht im Interview über Kosten, Klischees und Küche des Veganismus.
Frau Meier-Assadi, sollten wir uns nach Weihnachten für die Linie erst mal vegan ernähren?
Nein, vegane Ernährung ist keine Diät. Wer über die Feiertage zu viel gegessen hat, sollte in der Zeit danach wieder zur üblichen ausgewogenen Ernährung zurückkehren und auf ausreichende Bewegung achten. Dann wird sich das Gewicht von allein wieder regulieren.
Was ist dran an der Vorstellung, dass Veganer schlanker sind?
Veganer haben im Vergleich zu Anhängern anderer Kostform einen niedrigeren Body Mass Index. Er liegt im Schnitt bei 22,5, der von Fleischessern bei 28. Sie sind wesentlich seltener übergewichtig als Normalköstler.
Wie kommt das?
Fleisch- und Wurstwaren sowie Milchprodukte sind gegenüber Obst, Gemüse, Getreideprodukten und Hülsenfrüchten viel kalorienhaltiger. Außerdem sind Veganer in der Regel gesundheitsbewusster, essen weniger Junk Food und Süßes.
Klingt eigentlich gut. Aber was für Fehler kann man machen?
Ganz wichtig ist für Veganer die Kenntnis der Nährstoffe in den Lebensmitteln. Mischköstler nehmen durch Milchprodukte, Fleisch, Eier und Fisch viele Nährstoffe zu sich, die sie brauchen.
Was fehlt bei veganer Ernährung?
Zuallererst Vitamin B12. Das kann nur durch tierische Produkte ausreichend aufgenommen werden.
Dann greift man am besten zu Nahrungsergänzungsmitteln?
Ja, B12 muss ergänzt werden. Es gibt aber noch mehr kritische Nährstoff, die man im Auge behalten sollte. Auch bei Eisen, Calcium, Zink, B2, Vitamin D und Jod kann es zu Unterversorgung kommen. Natürlich muss nicht alles durch Nahrungsmittelergänzung aufgenommen werden. Calcium, das wir normalerweise aus Milchprodukten aufnehmen, ist auch in calciumreichen Mineralwässern, in Sesam oder verschiedenen Gemüsen enthalten.
Wie lässt sich ein Nährstoffmangel feststellen? Durch Müdigkeit oder Blässe?
Ein Arzt oder eine Ärztin muss ein Blutbild machen. Alles andere ist zu unspezifisch.
Was raten Sie Menschen, die Veganer werden wollen?
Für den Anfang empfehle ich, sich gut zu informieren oder eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen, weil die Kenntnis von den Nährstoffen der Lebensmittel für eine vegane Lebensweise absolut notwendig ist. Zudem sollte einmal im Jahr ein Blutbild gemacht werden.
Werden Veganer durch das erhöhte Risiko an Nährstoffmangel zu leiden schneller krank?
Nein, das kann jedem passieren, der sich nicht ausgewogen und vollwertig ernährt. Wichtig ist für Veganer, dass sie wissen, was sie essen sollten, um alle Nährstoffe ausreichend aufzunehmen.
Muss man gut kochen können, um gut vegan zu leben?
Leider nicht, da es inzwischen auch viele vegane Fertigprodukte gibt. Ich finde Grundkenntnisse im Kochen sehr wichtig. Man hat besser unter Kontrolle, was man isst, wenn man es selbst zubereitet. Hochwertige, naturbelassene Lebensmittel sind wichtig.
Sind vegane Fertigprodukte qualitativ hochwertiger als die üblichen?
Auch diese Fertigprodukte können mit Zusatzstoffen wie zum Beispiel Aromen und Konservierungsstoffen hergestellt sein und sind nicht besser oder schlechter als andere.
Muss man als Veganer mehr Zeit investieren für das Kochen, Einkaufen und die Zusammenstellung ausgewogener Ernährung?
Ja, auf jeden Fall. Eine Umstellung von Ess- und Lebensgewohnheiten braucht am Anfang immer mehr Zeit. Aber auch in der veganen Küche gibt es viele schnell hergestellte und leckere Gerichte. Das Einkaufen ist zunächst aufwendiger, weil man oft auf die Zutatenlisten schauen muss.
Ist die vegane Ernährung teurer?
Im Schnitt nein, denke ich. Ich kann mich auch vegan günstig ernähren. Es kommt auch hier auf die Qualität der Lebensmittel an.
Was gehört zu einer ausgewogenen, veganen Ernährung unverzichtbar dazu?
Es gibt inzwischen eine für Veganer abgewandelte Ernährungspyramide, die „Veggie-Ernährungspyramide“. Sie ist eine gute Grundlage und für jeden zugänglich im Internet beim Vegetarierbund Deutschland auf www.vebu.de.
Woher kommt der Trend zur veganen Ernährung?
Da gibt es ethische, ökologische und gesundheitliche Gründe. Ein starkes Argument ist die aus dem Ruder gelaufene Massentierhaltung. Auch das Misstrauen gegen die Fleischindustrie hat wegen der Skandale zugenommen.
Für die, die mit dem Gedanken spielen vegan zu leben: Sollte man den Körper langsam daran gewöhnen oder kann die Ernährung schlagartig umgestellt werden?
Damit lässt sich von heute auf morgen beginnen. Allerdings kann der Darm Probleme machen, wenn auf einmal mehr Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Gemüse gegessen werden. Es kann vermehrt zu Blähungen kommen. Der Darm braucht seine Umstellungszeit.
Wenn man alle Ihre Ratschläge befolgt ist aus Sicht einer Ernährungsberaterin nichts gegen Veganismus einzuwenden?
Für gesunde Erwachsene mit dem besagten Aufwand ist es kein Problem, aber Schwangere, Stillende und Kinder haben einen veränderten Energie- und Nährstoffbedarf. Hier muss die Ernährung sehr sorgfältig geplant werden, um Defizite in der eigenen Versorgung und der des Kindes zu vermeiden.
Interview: Hannah Weiner
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