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Angst vor Vertreibung

Und ständig steigt die Miete: Bewohner der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG befürchten vertrieben zu werden.

Von Hannah Weiner 

Immer mehr Menschen, besonders in angesagten Stadtteilen wie Bornheim, haben Angst aus ihren ABG-Wohnungen vertrieben zu werden. Sie schließen sich in Mieterinitiativen zusammen. Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) verspricht diesen Unterstützung.

Desiree Pätz weiß nicht, wie sie in Zukunft ihre Wohnung zahlen soll. „Seit 2010 ist meine Miete um 25 Prozent gestiegen", klagt sie. Alle eineinhalb Jahre komme eine neue Erhöhung ihres Vermieters, der städtischen Gesellschaft ABG Frankfurt Holding, ins Haus geflattert. „Das werde ich mir bald nicht mehr leisten können", sagt Pätz, „aber wohin ziehe ich dann?"

Die Lage ist ernst. Immer mehr Menschen, besonders die in angesagten Stadtteilen wie Bornheim oder Ostend leben, haben Angst davor, aus ihren Häusern vertrieben zu werden. In der „Nachbarschaftsinitiative Nordend Bornheim Ostend" (NBO) organisieren sich seit einem Jahr Mieter, die in einer der 50.000 Wohnungen der ABG in Frankfurt leben. Sie befürchten wegen kontinuierlicher Preiserhöhungen und drohender Luxussanierungen ausziehen zu müssen.

In Bornheim traf sich die NBO am Mittwochabend mit Mietern und Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) zum Gespräch. Anschließend zogen sie durch die Ernst-May-Siedlung entlang der Wittelsbacher Allee, die von der ABG vermietet wird. Sie warben für die Unterschriftenaktion „Für bezahlbaren Wohnraum und weiterhin ein Frankfurt für alle". Die Liste zählt 2600 Unterstützer.

Die Wohnsituation in Frankfurt ist seit Jahren angespannt. Nach Angaben des Amts für Wohnungsbau lag das Defizit im vergangenen Jahr bei 25.000 Apartments. Damit hat sich die Zahl seit 2011, als 13.000 Wohnungen fehlten, fast verdoppelt.

Feldmann solidarisierte sich mit den ABG-Mietern und betonte, dass er sich für eine Mietpreisbremse in den kommenden drei Jahre einsetzen wolle. „Frankfurt wächst, allein im letzten Jahr um 15.000 Menschen. Mir ist wichtig, dass niemand an den Rand gedrängt wird", sagte er. Neben der Bremse, die die ABG stemmen könne „ohne auf Investitionen verzichten zu müssen", forderte der Oberbürgermeister das Umsetzen der Milieuschutzsatzung, eine Unterbindung von Wohnraumzweckentfremdung und mehr sozialen Wohnungsbau.

2013 erreichte die Zahl der Menschen, die eine Bleibe suchen und Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, laut Wohnungsamt mit fast 20.000 die höchste Marke seit zehn Jahren. Bis Ende des Jahrzehnts werde sich die Lage zuspitzen, sagte Feldmann. Dagegen wolle er sich mit dem „geballten Widerstand eines Oberbürgermeisters" einsetzen. Frank Junker, Geschäftsführer der ABG zeigte sich „erschüttert" über die Vorwürfe gegen seine Holding. „Da macht jemand bewusst Panik." Die Mieterhöhung werde sich in Zukunft nicht so weiterentwickeln wie bisher, kündigte er an. Die ABG verfolge eine sozialverträgliche Mietpolitik. „Die Angst wegen Erhöhungen ausziehen zu müssen, ist völlig unbegründet", stellte er klar.

„Man legt es darauf an, Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben", findet dagegen Sieghard Pawlik, Vorsitzender des Mieterbundes Hoechster Wohnen und SPD-Stadtverordneter. Er unterstützt den Vorschlag des Oberbürgermeisters, das Erhöhen der ABG-Mieten durch eine temporäre Bremse zu unterbinden.

Laut Feldmann wirkt sich ein Preisstopp „dämpfend auf die Entwicklung des Mietspiegels aus und kommt allen Mietern in Frankfurt zu Gute." Das könnte auch Rentner Peter Mayer helfen, der seit 27 Jahren in der Ernst-May-Siedlung lebt. Noch können er und seine Frau „zähneknirschend" die Mieterhöhungen tragen. Doch Mayer hat Angst. „Wie soll meine Frau das zahlen, wenn ich nicht mehr da bin?"

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