Hannah Prasuhn

Journalistin, Berlin/München

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Artikel

Invictus Games - Oberfeldwebel Maik Mutschke: „Ich nehme alles mit, was geht"

Es ist jetzt 13 Jahre her, dass Maik Mutschke als einer der Schwerstverletzten aus dem Karfreitagsgefecht, einem Feuergefecht im Rahmen eines Bundeswehreinsatzes in Afghanistan zwischen einer Fallschirmjägereinheit und radikal-islamistischen Taliban, wieder zurück nach Deutschland kam. Lebend. Zwölf Jahre ist es her, dass er Teil des damals noch ganz neuen Projekts „Sporttherapie nach Einsatzschädigung" der Bundeswehr wurde. So lange läuft bisher Maik Mutschkes größter Kampf, mithilfe des Sports wieder zurück ins Leben.

Heute vertritt der 37-jährige Oberfeldwebel immer noch Deutschland. Aber nicht auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt, sondern im Leichtathletikstadion und auf dem Rennrad. Mutschke ist einer von 37 versehrten Soldatinnen und Soldaten, die sich vom 9. bis 16. September in Düsseldorf bei den sechsten „Invictus Games" mit körperlich oder seelisch Verletzten anderer Nationen sportlich messen werden. Zum ersten Mal findet das „Olympia der Kriegsversehrten" in Deutschland statt. Mit dabei sind etwa 500 Athletinnen und Athleten aus 20 Nationen, die sich in zehn verschiedenen Sportarten messen. Das deutsche Team setzt sich dabei erstmals nicht nur aus Soldatinnen und Soldaten zusammen, sondern auch aus Angehörigen der Bundespolizei und Feuerwehr, die in Einsätzen verletzt wurden.

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Die Sportkarriere nach dem Einsatz

Maik Mutschke ist ehrgeizig, erfolgreich und vielseitig. Früher lief er täglich zehn Kilometer, machte 60 Klimmzüge, bis zu 300 Liegestütze und boxte. Nach seinen Verletzungen und in der Sporttherapie entschied er sich für den Modernen Fünfkampf: Sprint, Kugelstoßen, Radfahren, Schwimmen, Sportschießen. „Der Auslöser für meine Sportkarriere", sagt Mutschke heute. Denn wegen seiner sehr guten Leistungen auf internationaler Bühne wurde der Bundestrainer des Parasportnationalkaders auf ihn aufmerksam. Mutschke durfte zum sogenannten Sichtungslehrgang, das war Ende 2013. Ein Jahr später folgte die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr.

Bis 2018 startete Mutschke bei Parawettkämpfen für den deutschen Nationalkader. „Bei Weltmeisterschaften und Weltcups konnte ich Einzelmedaillen holen", erzählt er. Sein damaliges Ziel, die Teilnahme im Sportschießen bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro, verpasste er knapp: „Mit zwei Punkten habe ich mich an der Qualifikation vorbeigeschossen."

Aber dann sei es zu Unstimmigkeiten und Zwist innerhalb des Kaders gekommen, sagt Mutschke heute. Er zog sich 2018 aus dem Leistungssport zurück und trat im Folgejahr „ganz normal wieder" seinen Dienst bei der Bundeswehr an. Den Sport hat er aber nie ganz fallen gelassen: „Nebenbei hab ich irgendwo immer mitgeschossen und im letzten Jahr kam dann die Nominierung für die ‚Invictus Games'."

Schießen wird Mutschke bei den Spielen diesmal nicht, der Sport sei auch einfach zu zeitintensiv neben der Arbeit. Stattdessen startet er über 100 und 200 Meter Sprint, im Kugelstoßen und Diskuswerfen und beim Radzeitfahren. „Ich bin Ossi, nehme einfach alles mit, was geht - und möchte in Düsseldorf schließlich nicht nur Freizeit haben", sagt Mutschke und lacht.

„Der Sport verbindet alle"

Er hat noch nie einen Wettkampf verloren, in der Leichtathletik „bei so ziemlich jedem Wettkampf eine Medaille geholt" - und daran will er ab dem Wochenende anknüpfen. „Ich möchte zeigen, dass es immer weitergeht und dass man immer etwas erreichen kann, auch mit solchen Schicksalsschlägen", sagt Mutschke.

Im Wettbewerb sind dann alle gleich, da spielt es keine Rolle, wer wann wo für wen gekämpft hat: „Ganz egal, was so außenpolitisch läuft, der Sport verbindet alle." Es kommt ein „mega großes Familiengefühl auf, das ist der Wahnsinn", sagt er. Auch das deutsche Team hält zueinander, man arbeite voll zusammen, habe eine besondere Gemeinschaft: „Ein richtig schöner, cooler Haufen", erzählt Mutschke. Sie versuchen, sich gegenseitig aufzubauen und sich zu freuen, wenn es vorangeht: Jeder Tag habe etwas Gutes.

Das Team betreuen auch Psychologen, aber die Sportlerinnen und Sportler „passen ebenfalls gut untereinander auf". Und Druck gibt es keinen, man sei einfach stolz darauf, dabei sein zu dürfen.

Prinz Harry gründete die „Invictus Games", die 2014 das erste Mal in London stattfanden. Harry setzt sich seit seiner Zeit als Offizier in Afghanistan mit den Folgen von militärischen Einsätzen für Soldatinnen und Soldaten auseinander und ließ sich auch von den US Warrior Games, einem Multisportevent für versehrte Amerikanerinnen und Amerikaner, inspirieren. „Invictus" bedeutet übersetzt „unbesiegbar" - die Spiele sollen den Kampfgeist der Teilnehmenden widerspiegeln und zeigen, dass sie alle trotz traumatischer Rückschläge die Motivation haben, ihr Leben fortzuführen.

Kriegsversehrte sollen in der Gesellschaft sichtbarer werden

Anerkennung bekommen, sichtbarer werden, das wünscht sich auch Maik Mutschke. „Man möchte einfach mal zeigen, was eigentlich passiert ist, wie viele unterschiedlich verletzte Soldaten es gibt und wie sie alle trotzdem mit Ehrgeiz weiterleben", erzählt er. „Wir Soldaten fahren nicht wegen des Geldes ins Ausland, wir können dabei viel Leid mitbringen, wenn wir in Kriegsgebiete fahren, um unser Land zu schützen."

Aber kaum jemand kennt die „Invictus Games", auch aus Mutschkes Freundeskreis hätten viele davon noch nie gehört. „Vielleicht ist es ein gesellschaftliches Desinteresse", sagt er. „Vielleicht ist es auch politisch nicht so richtig gewollt, dass man darüber spricht." Es werde ja nie so wirklich darüber berichtet, was bei Einsätzen und Anschlägen passiere, wie es den Betroffenen gehe. „Wir haben das Thema nie in die Gesellschaft gebracht - und ich denke, dass das ein Problem ist", sagt Mutschke.

Möglichkeiten, um die Situation zu verbessern, gibt es aber - auch neben den „Invictus Games". Zwischen den Sportlerinnen und Sportlern finden Gespräche mit Politikerinnen und Politikern statt, bei Mutschke und seinem „Paten" gehe es um die Veteranenpolitik und die Sichtbarkeit von ihnen in der Gesellschaft. Zeigen, „dass die Soldaten eben doch nicht alle nur saufen", sagt Mutschke.

Das wird er zumindest während der „Invictus Games" allen beweisen und sein Durchhaltevermögen, seinen Willen und seinen Ehrgeiz zeigen. Für Mutschke sei das Leben viel zu lebenswert, um den Kopf in den Sand zu stecken.

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