Hannah Prasuhn

Journalistin, Berlin/München

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Artikel

Das deutsche Judo-Team: Eine Wohngemeinschaft und ein Liebespaar bei den Weltspielen

Die Athlet*innen und ihre Unified-Partner*innen stehen nebeneinander in einem Kreis auf den rot-gelben Matten in Halle fünf auf dem Messegelände in Berlin. Gemeinsam rufen sie „Rei" und verbeugen sich voreinander. Im Judo ist das ein Zeichen von Respekt und Höflichkeit. Die Verbeugung symbolisiert, dass die Judoka bereit sind, freundlich und fair zu sein. Und um Teamgeist und Miteinander geht es im Unified-Kata-Workshop, einen Tag vor den Medaillenentscheidungen im Judo bei den Weltspielen der Special Olympics.

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„Kata" bedeutet, dass Abfolgen von bestimmten Judo-Techniken so oft wiederholt werden, bis die Sportler*innen die Bewegungen sich merken und nachahmen können. Hände, Füße und der ganze Körper, das sei die Sprache des Sports, sagt ein Volunteer. Sie begleitet das deutsche Team im Judo bei den Weltspielen und beobachtet den Workshop.

Drescher und Kuhne sind Berufssportlerinnen

Einer der deutschen Athleten, Timo Karmasch, sitzt ebenfalls auf der Tribüne. Er macht nicht mit bei dem Workshop am Mittwochmorgen. „Der Kata-Workshop ist für die motorisch eher schwächeren Leute", sagt Karmasch: „Sie können so die Grundmuster verstehen - eine tolle Idee."

Digitale Serie

Dieser Text erscheint im Rahmen der „Special Olympics Zeitung" - ein Gemeinschaftsprojekt von Tagesspiegel, DGUV, BGW und Special Olympics Deutschland. Alle Texte zu den Weltspielen in Berlin finden Sie hier.

Die Anweisungen sind auf Englisch, und das sei manchmal schwer zu verstehen, sagt Stefanie Drescher, ebenfalls Judoka im deutschen Team: „Durch das Vormachen weiß man aber sofort, was man tun soll."

© SOD

Die 36-jährige Drescher ist Vollzeitsportlerin: „Judo ist mein Beruf." Von Montag bis Freitag trainiert sie dank der Gold-Krämer-Stiftung in Köln, auf dem Fußballfeld und im Kraftraum der Kölner Sporthochschule. Seit 2019 kann sie mittels eines Stipendiums sich voll auf den Sport konzentrieren - und damit ihr Geld verdienen. Sie wohnt in einer WG mit zwei anderen Judokas. Eine von ihnen ist Andrea Kuhne.

Die 30-Jährige ist genau wie Drescher Berufssportlerin - und mit Timo Karmasch verlobt. „Es ist richtig schön, das hier als Team zu erleben", erzählt Kuhne bei den Weltspielen. „Nicht viele haben hier ihren Partner dabei, das ist eine Riesenehre."

Im Leben des Paars sei Judo sehr präsent, aber auch nicht alles. Wenn Zeit ist, dann „sind wir sehr reiselustig", erzählt Karmasch. Nach den Spielen wollen sie vielleicht mal wieder nach Koblenz oder Aachen fahren.

Jetzt denken sie aber erstmal an die anstehenden Wettkämpfe. „Langsam steigt die Nervosität, man merkt die Anspannung", sagt Karmasch. Beide haben große Ziele: Karmasch möchte auf den ersten Platz. „Über Silber oder Bronze wäre ich aber auch nicht enttäuscht", ergänzt er. „Hauptsache eine Medaille." Das Paar sei dankbar, dass es hier sein darf - und falls sie mal verlieren sollten, dann hätten sie einander, um sich wieder aufzubauen.

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Mittlerweile läuft über die Musikanlage das Lummerlandlied. „Eine Insel mit zwei Bergen..." schallt es durch die Halle. „Die Musikauswahl ist schon ein bisschen weird", sagt Drescher. Eigentlich gebe es gar keine Musik zu den Kata. Sie atmet aus, als das Lied endet: „Na endlich!"

Wenn die Wettkämpfe auch für Drescher beginnen, wird es hoffentlich ganz ruhig sein in der Halle. „Ich versuche hier alles zu gewinnen", sagt sie.

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