Hannah Lesch

Freie (Wissenschafts-)Journalistin, Hamburg

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Artikel

Jagt per Fernbedienung - Elektrisierende Neuigkeiten aus der Welt der Tiere

Schon Alexander von Humboldt biss sich an ihnen die Zähne aus: Zitteraale sind schwer zu fangen, schwer zu halten und schwer zu verstehen. Doch die Erforschung der Tiere lohnt sich, denn die Zitteraale setzen ihre unsichtbare Waffe auf äußerst geschickte und effiziente Weise ein.

Zitteraale können ihre Beute gezielt und schnell aus der Ferne beeinflussen - denn sie nutzen ihre Stromschläge wie eine Fernbedienung. Diese Erkenntnis erbrachte eine Ende 2014 in dem Fachmagazin Science veröffentlichte Untersuchung des amerikanischen Forschers Kenneth Catania der Universität Nashville. In einer Reihe von Experimenten beobachtete er, dass Zitteraale situationsabhängig Strom aussenden - machen sie Jagd auf Beute können sie hochfrequente Stromschläge von bis zu 800 Watt erzeugen. Durch diese starken Schläge verkrampfen die Muskeln des Opfers, so dass es am ganzen Körper gelähmt ist. Catania fand heraus, dass die Frequenz der Stromschläge des Zitteraals dem Impulsmuster ähnelt, mit dem Nervenzellen normalerweise signalisieren, dass die Muskeln angespannt werden sollen. So ist der Zitteraal in der Lage, seine Beute fernzusteuern, indem er von außen eine Verkrampfung der Muskeln bewirkt.

Highspeed-Jäger im Schlamm

Ein Zitteraal kann bis zu 50 Dauerimpulse an Strom pro Sekunde senden und baut so eine Art elektrisches Feld auf, mit dem er seine Umgebung abtasten kann. Er nutzt es ähnlich wie Schiffe ein Sonar-Gerät. Er besitzt ein spezielles Sinnesorgan um wahrzunehmen, wie gut Dinge in seiner Umgebung den Strom leiten. Daran kann er sich in der Folge orientieren. Catania stellte fest: Ist die Beute versteckt, sendet der Jäger mehrere aufeinander folgende Schläge, die ein starkes, unfreiwilliges Zucken des Beutefischs verursachen, wodurch seine Position klar wird. Dann folgt der lähmende Stromschlag. Der Angriff dauert insgesamt nur 200 Millisekunden.

Zu finden ist der bis zu 2,5 Meter lange Zitteraal in warmen, schlammigen und sauerstoffarmen Süßgewässern in Südamerika. Anders als der Name vermuten lässt, ist der Zitteraal gar kein Aal, sondern gehört zu den „Neuwelt-Wasserfischen". Fast der ganze Körper des Zitteraals ist mit stromerzeugenden Organen besetzt. Dabei handelt es sich um umgebildete Muskelzellen, die sehr hohe Spannungen freisetzten können. Eine Art „Schrittmacher" im Gehirn steuert die rhythmischen Schläge. Bei Erregung werden die stromproduzierenden Zellen durch Nervenfasern in Reihe geschaltet und können so eine hohe Stromspannung erzeugen.

Stromquelle der Zukunft?

Die umgebildeten Muskelzellen des Zitteraals produzieren viel Strom und sind aus diesem Grund auch für die Forschung von Bedeutung. An der amerikanischen Yale University wird seit einigen Jahren an einer Nachbildung der Zellen gearbeitet. Ziel ist es, diese für den Menschen nutzbar zu machen und ihre Effizienz noch weiter zu steigern. So könnte es eines Tages möglich sein, stromerzeugende Zellen im menschlichen Körper zu implantieren, um Geräte wie Herzschrittmacher zu betreiben. Rein theoretisch erzeugt ein Zitteraal mit seinen starken Stromschlägen genug Energie, um die Batterie eines Elektroautos aufzuladen. Doch als Energieversorger sind die elektrischen Fische momentan noch nicht vorstellbar, weil ihre Haltung äußerst aufwendig ist.

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Literaturquellen:

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Bildquelle: https: //www.flickr.com/photos/joachim_s_mueller/4450149204/in/photolist-kv7FFv-7qhARS-7Mfbjq-89f1N9-wEAy7-wxGET-74HmfR-9xZphE-rgEqLU-pw3aF8-qarTXC-7EVHf5-3Ez4w6-dnx9Sg-pRAHfN-9WVLrH-9WVJFk-akFsDk

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