Hannah Krug

Multimedia Journalistin, Basel

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Wie fair ist das Fairphone?

Bremen. Ein modernes Smartphone enthält etwa 30 verschiedene Metalle. Darunter sind allein sieben Stoffe, die im Jahr 2014 von der EU-Kommission als sogenannte kritische Rohstoffe eingestuft wurden und weltweit immer knapper werden. Für viele Menschen sind Mobiltelefone Nutzapparate mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von zwei bis drei Jahren. Danach landet ein Großteil der Handys im Müll. Diesen Konflikt – hoher Verschleiß bei endlichen Ressourcen – möchte das 2013 gegründete soziale Unternehmen Fairphone eindämmen. Mit einem nachhaltig produzierten Mobiltelefon will das Unternehmen gegen Umweltschäden und soziale Probleme wie Kinderarbeit und Ausbeutung vorgehen. Im September dieses Jahres ist bereits das Fairphone 4 herausgekommen. Aber ist es überhaupt möglich, ein nachhaltiges und sozial verträgliches Handy auf den Markt zu bringen? Ein Überblick.


Welche Idee steckt hinter dem Fairphone?

„Ganz viele Probleme der Welt sind in jedem einzelnen Handy enthalten.“ Der Satz stammt von Bas van Abel, der als Designchef von der niederländischen Stiftung Waag Society das Fairphone maßgeblich mitentwickelt hat. Das Projekt begann 2010 mit der Idee, das Bewusstsein für Rohstoffe aus Konfliktgebieten zu steigern. Drei Jahre später ist daraus ein Sozialunternehmen geworden, das heute selbst ein alternatives Handy zur schnelllebigen Branche anbietet.


Wodurch unterscheidet sich das Fairphone von anderen Mobiltelefonen?

Fairphone hat es sich zur Aufgabe gemacht, von der Produktion über den Transport bis hin zur Entsorgung die Nutzung von Mobiltelefonen nachhaltig und sozial verträglich zu entwickeln und sich damit von herkömmlichen Herstellern zu unterscheiden.

Eine Grundvoraussetzung für das Sozialunternehmen ist die faire Beschaffung von Rohstoffen. Deswegen rücken die sozialen Folgen der Elektronik-Lieferkette in den ­Vordergrund. Laut Annemarie Bernhardt, Sprecherin des Unternehmens, achtet Fairphone darauf, dass Bergleute unter ge­rechten Bedingungen arbeiten, ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld geboten bekommen sowie Zugang zu Schutzausrüstung erhalten. Eine andere Herausforderung sei der chinesische Mindestlohn. Aus diesem Grund erhielten chinesische Fabrikar­beiter des Produktionslieferanten im vergangenen Jahr einen Bonus von vier Monatsgehältern.

Eine weitere Besonderheit ist der modulare Aufbau. Die Mobiltelefone sind so gebaut, dass Einzelteile wie Kamera, Bildschirm oder Akku eigenständig ausgetauscht werden können. „Dafür gibt es offen zugängliche Reparaturinformationen und Ersatzteile“, sagt Bernhardt. Mit jedem neuen Fairphone gebe es weitere Möglichkeiten, Ersatzteile einzubauen, wodurch sich die Lebensdauer verlängere.

Das Fairphone 4 soll laut dem Unternehmen das erste Smartphone sein, das frei von Elektromüll ist. Das heißt: Für jedes verkaufte Gerät recycelt das Unternehmen ein Altgerät. Für diesen Vorgang werden Geräte aus europäischen Rücknahmeaktionen oder aus Ländern ohne offizielle Recycling-Infrastruktur genutzt.


Wie ist es möglich, faire Rohstoffe zu produzieren?

Die meisten Mineralien und Metalle stammen aus Ländern des globalen Südens. Dort steht der Bergbausektor in Bezug auf Umweltverschmutzung und Kinderarbeit vor großen Herausforderungen. Hinzu kommt, dass viele Rebellengruppen sich mit den Konfliktmineralien finanzieren und die Arbeiter und Arbeiterinnen unterdrücken. Fairphone verwende laut dem Unternehmen mittlerweile 14 Materialien, die aus nachhaltigen und fairen Quellen stammen. Darunter sind Zinn, Tantal, Gold und Wolfram.

Fairphone arbeitet zum Beispiel mit der Conflict-Free Tin Initiative zusammen, um das in der Lötpaste verwendete Zinn direkt bis zur Mine in Süd-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo zurückzuverfolgen und Bergbaupraktiken transparenter zu machen. Einen ähnlichen Vorgang verfolgt das Unternehmen mit der Initiative Solutions for Hope, die Tantal aus konfliktfreien Minen in der Provinz Katanga beschafft. Seit der Produktion des Fairphones 2 unterstützt das Sozialunternehmen den fairen Goldabbau in Peru. Zusammen mit dem österreichischen Spezialisten Wolfram Bergbau und Hütten AG gewinnt Fairphone  Wolfram aus einer Mine in Ruanda. Von dort kommt es nach Österreich, wo es gesintert wird, bevor in China der Vibrationsmechanismus gefertigt wird. Mit dieser industriellen Förderung und Lieferkette soll unter anderem die lokale Wirtschaft in Ruanda angekurbelt werden.


Vier Modelle in neun Jahren – was bedeutet Langlebigkeit für das Unternehmen?

In diesem Jahr hat Fairphone das vierte Modell innerhalb von neun Jahren auf den Weg gebracht. Es ist nur zwei Jahre nach dem dritten Modell erschienen. Für das Fairphone 1 sind seit 2017 keine Ersatzteile mehr verfügbar. Widerspricht diese Schnelllebigkeit nicht den Ansprüchen des Unternehmens? Begründet wird diese Entscheidungen damit, „dass die Abstände zwischen zwei Geräten auch zu lang sein können. Diese Industrie bewegt sich sehr schnell: die meisten Hersteller bringen mehrere Geräte pro Jahr auf den Markt, sodass es schwierig geworden ist, die Ersatzteilversprechen zu halten“, sagt Bernhardt. Man möchte garantieren, dass Käufer, die ein Fairphone kurz vor dem Start eines Nachfolgers kaufen, auch noch fünf Jahre danach mit Ersatzteilen beliefert werden können. Für das Unternehmen sei es eine der größten Herausforderungen, alle Komponenten im Voraus zu planen, ohne dass es zu Verschwendung und Engpässen kommt. Die Garantie für das Fairphone 2 wurde kürzlich auf sieben Jahre verlängert, für  Fairphone 4 gelten fünf Jahre.


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