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die Type: la Pimpa - Praxis

La Pimpa © Altan / Franco Cosimo Panini Editore

Sailor Moon, R2-D2 oder die Tigerente - es gibt Figuren der (Pop)Kultur, die uns besonders geprägt haben - und auch heute noch Idole sind. Unserer Textkategorie "die Type" ist die Ahnengalerie von Praxis. Hier sammelt sich, wer Einfluss hat und hatte: Held*innen des Alltags und Lieblingsbösewichte. Egal, ob aus Film, Serie, Buch, Comic oder Hörspiel. Wir zeigen, welche Fiktionen uns gefärbt haben und warum. 

Sie hat runde, wache Augen, eine rote, meist heraushängende Zunge und lange Ohren, die sich ab und an aufrichten und zusammenrollen - meistens als Begleiterscheinung intensiver Emotionen. Unverwechselbar macht sie aber vor allem ihr weißes Fell mit den roten Punkten. Sie - das ist Pimpa, genauer gesagt la Pimpa - mit vorangestelltem, weiblichem Artikel.

La Pimpa ist niemand Geringeres als die italienische Comicfigur für Kinder schlechthin. Erschaffen wurde die rot gepunktete Hündin 1975 vom Zeichner und Karikaturisten Francesco Tullio Altan. Gezeichnet hatte er sie ursprünglich zwar nur für seine Tochter, doch kurz darauf landete la Pimpa auf den Seiten der Comiczeitschrift Corriere dei Piccoli. Ihr Weg zur Ikone hatte nun begonnen: Später kamen eine eigenständige Publikation, vier Zeichentrickserien, etliche Bücher sowie ein paar Bühnenstücke dazu. Heute läuft la Pimpa noch immer im Fernsehen und auch ihre Zeitschrift erscheint jeden Monat neu. Mit der Zeit ist der etwas skizzenhafte, rohe Strich ihrer ersten Zeichnungen glatter geworden, das Rot ihrer Punkte deutlich leuchtender, aber der Welpe hat sich im Kern nicht verändert. Nach wie vor ist la Pimpa eine unbeugsame Neugierige, deren unvoreingenommener Blick auf die Welt als Motor für magische Abenteuer dient.

So lässt sich la Pimpa auf ziemlich jeden Einfall ein. Nichts ist zu absurd für sie. Im Gegenteil, sie nimmt alles verdammt ernst und macht somit auch alles Denkbare möglich. Einmal fliegt sie mit einer Rakete los, um Sternschnuppen einzufangen, im Meer lässt sie sich von einem Haifisch ans Ufer bringen oder sie fährt mit Skiern zum Nordpol und geht dort Eis essen. Abenteuer in Reinform statt belehrende Parabel sind das, was la Pimpas Geschichten ausmachen.

Nicht, dass es von Altans Titelheldin nichts zu lernen gäbe. Ganz im Gegenteil: Neben der Unvoreingenommenheit und dem Hang zum puren Erleben sollte man insbesondere ihre emotionale Klugheit nicht unterschätzen. Problemlösung durch Empathie ist nämlich la Pimpas stärkster Softskill. So hat die Heldin für all ihre Bekanntschaften ein offenes Ohr. Sie kann sich in jede*n und alles hineinversetzen, dabei spielt es keine Rolle, ob es belebte Wesen, unbelebte Objekte oder Entitäten jeglichen Ursprungs sind: So unterhält sie sich etwa mit den bekanntlich emsigen Ameisen, die endlich einmal Urlaub bräuchten, sie spricht mit einem Zweisitzer-Bob, der auf der Suche nach zwei Passagieren ist, um den verschneiten Berg hinunterzusausen oder aber mit dem Donner, der den Frühlingsanbruch verschlafen hat, weshalb alle Bäume noch im winterlichen Gewand dastehen. La Pimpa hört zu und kümmert sich, stets mit pragmatischer Kreativität: Die Ameise schickt sie mit einem aus Kaugummi gebastelten Heißluftballon an den Strand. Für den zweiten Sitz des Bobs baut sie einen Schneemann und tobt mit ihm durch die schneebedeckte Landschaft. Die eingefrorene "Donnermaschine" (der "echte" Grund für den verpassten Frühlingsbeginn) taut sie mit einem Haartrockner auf.

Und dann gibt es da noch Armando, genauer gesagt l'Armando, den älteren, etwas lakonischen, zärtlichen Herrn mit Schnurrbart, der stets einen grünen Hut und eine pinke Krawatte trägt. La Pimpa und er haben sich im Wald kennengelernt und sind anschließend in ein Häuschen im Grünen gezogen. Seitdem sind sie Vater und Tochter und bilden zusammen eine Familie abseits des vermeintlich klassischen Kernmodells. Neben der Care-Arbeit übernimmt l'Armando die Funktion des Abenteuervermittlers, der la Pimpa anspornt, rauszugehen und etwas zu erleben. Und wenn la Pimpa dann zurück zu Hause ist, erzählt sie ihm bei einem Glas Milch oder einem Teller Arancini (Reisbällchen) von ihren Erlebnissen. Manchmal sind sie so bizarr, dass l'Armando sich anfangs schwertut, ihr zu glauben. Doch dann konfrontiert sie ihn mit unwiderlegbaren Beweisen: "Wenn ich nicht geflogen wäre, wäre ich zu spät nach Hause gekommen. Aber ich bin doch schon hier", argumentiert sie dann zum Beispiel. Dem kann l'Armando nichts mehr entgegensetzen. "Das stimmt", sieht er ein.

So scheint la Pimpa für l'Armando auch ein Fenster zu einer magischen (aber nicht weniger realen) Welt zu öffnen, zu der er als Erwachsener keinen direkten Zugang mehr hat. Anders als l'Armando, der die rot gepunktete Hündin ernst nimmt, beäugen erwachsene Menschen la Pimpa jedoch zu häufig mit Skepsis und tun sie als leichte Unterhaltung ab. Ihre Abenteuer hätten nichts mit der Realität zu tun, so der Vorwurf. Da würde la Pimpa persönlich widersprechen und den Erwachsenen den Spiegel vorhalten. So wie es l'Armando selbst schon passiert ist, und zwar wortwörtlich. Als er behauptet, sein von la Pimpa gezeichnetes Porträt sei nicht realitätstreu, fordert sie ihn dazu auf, es im Spiegel zu überprüfen. Was l'Armando da sieht, versetzt ihn in Staunen: "Du hast Recht, Pimpa. Ich dachte, ich wäre schöner", stellt er fest. "Die Realität" aus einer anderen Perspektive zu betrachten, ist also immer sinnvoll. Auch das kann man von la Pimpa lernen.

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