Giorgia Grimaldi

Journalistin. Migrantische und internationale Perspektiven. Ehemalige..., Berlin

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Artikel

„Migrantinnen werden in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt"

Der Kampf gegen Gewalt an Frauen und für mehr Gleichberechtigung führen Aktivistinnen auf der ganzen Welt. Die Perspektive migrantischer Frauen rückt ein Problem in Deutschland den Fokus.


„Femizid ist keine Privatangelegenheit, sondern das Produkt einer sozialen und kulturellen Gewalt, legitimiert durch öffentliche und mediale Diskurse", sagt die Schauspielerin Érica Rivas am 3. Juni 2015 auf der Plaza del Congreso in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Rivas und ihre Kollegen sprechen von einer großen Bühne zu 250.000 Menschen. Ihre Körper sind gespannt, der Blick klar. Um den Hals haben sie ein grünes Tuch geknotet - das Symbol der „grünen Welle". Eine Bewegung, die das Recht auf sichere und kostenfreie Abtreibung, auf Sexualerziehung in der Schule und auf Zugang zu Verhütungsmitteln fordert. Erst vier Jahre später verabschiedet das Parlament ein Gesetz, das Abtreibung legalisiert. Doch an diesem Tag im Juni 2015 geht es um etwas anderes: Femizid. Eine Reihe brutaler Frauenmorde hatte das Land zuvor erschüttert.


„Nicht eine weniger" - Argentinische Bewegung kommt nach Deutschland


„Ni una menos" lautet die Forderung der Sprecherinnen und Sprecher, auf Deutsch: „Nicht eine weniger". Keine Frau soll mehr sterben müssen, nur weil sie eine Frau ist. Die Menge pfeift und applaudiert. Doch mit dem Potenzial dieser drei Worte hat wohl niemand gerechnet: Der Slogan wird nicht nur in viele Sprachen übersetzt, sondern zum Vorbild einer globalen Bewegung gegen Gewalt an Frauen. Auch in Deutschland ist das Thema aktuell wie nie. Laut einer Studie des Bundeskriminalsamtes stirbt jeden dritten Tag eine Frau durch die Hand eines Mannes. Täter sind meist Partner oder Ex-Partner. Nachdem am 7. November 2023 die 21-jährige Leonie F. in Hannover von ihrem Ex-Freund getötet wurde, fand eine Gedenk- und Trauerfeier auf dem „Ni-una-menos"-Platz statt. So bezeichnen feministische Aktivistinnen und Aktivisten den Stadtplatz Goseriede, den sie erstmals am 8. März 2020 symbolisch umbenannten.


Berliner Gruppe „Bloque Latinoamericano" fördert migrantische Perspektiven

Während sich die Demonstrationen 2015 auf Femizide konzentrierten, beschäftigt sich die Bewegung heute mit der Frage, wie verschiedene Formen von Gewalt ineinandergreifen - nicht nur physische Gewalt, sondern auch ökonomische Ungleichheit, die Frauen und weiblich gelesene Personen in Abhängigkeitsverhältnisse bringen.

Der deutsche Ableger der Bewegung demonstriert am 8. März in Berlin in einer Allianz aus mehreren lateinamerikanischen Organisationen. Etwa mit dem „Bloque Latinoamericano", einer Gruppe mit etwa 30 festen Mitgliedern, Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechteridentitäten. Die Community, die seit 2018 aktiv ist, versteht sich als migrantische Organisation für antiimperialistischen und intersektionalen Feminismus. Verwehrte Chancen aufgrund kolonialer Vergangenheit sind neben fairen Arbeitsbedingungen für Menschen mit Migrationsgeschichte und Klimagerechtigkeit wichtige Themen.


Internationaler Frauentag: Aktivistinnen fordern neues Einbürgerungsgesetz für Frauen

Der 8. März ist für den Bloque ein Kampftag. „Dieser Tag ist unsere Möglichkeit, auf all das zu antworten, was aktuell passiert", sagt ein Mitglied. Eine ihrer Forderungen: ein neues Einbürgerungsgesetz, in dem auch alleinstehende und alleinerziehende Frauen sowie pflegende Angehörige berücksichtigt werden. Die neuen Regelungen zur Einbürgerung, die kommenden Sommer in Kraft treten, setzen voraus, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. „Hier werden Männer, die viel Geld verdienen, bevorzugt", sagt eine Sprecherin. Haushalte von Ehepaaren und Lebenspartnern werden zwar berücksichtigt, doch für alleinstehende Frauen, die aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit nicht genügend verdienen, gibt es keine Regelung. Ihre Einbürgerung liegt im Ermessensspielraum der Behörden. So geraten migrantische Frauen in eine Abhängigkeit vom Partner. Eine Trennung ohne Bleiberecht und Chancen auf Einbürgerung zu riskieren, ist schwierig.


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