Wir müssen den Menschen gar nicht zu viel abverlangen, außer der Bereitschaft, sich nicht aktiv gegen Wandel und Fortschritt zu sperren. Die Bereitschaft sich digitaler Technologien zu bedienen, ist keine Frage des Alters, sondern eine Mentalitätsfrage. Können wir gedankliche Blockaden überwinden? Ich bin der Meinung, wir müssen sie überwinden.
In welcher Weise glauben Sie, dass die Corona-Krise diese Trends beeinflussen wird?Vieles von dem, was wir vorher als fest und unverrückbar betrachtet haben, verändert sich durch die Krise - beispielsweise das Erfordernis einer persönlichen Präsenz bei Meetings oder das Verhältnis zwischen Vertraulichkeit und Effektivität bei der Nutzung digitaler Kommunikation. Ich persönlich werde nach der Krise sehr viel häufiger kritisch hinterfragen, ob ich 7000 Kilometer fliegen muss, nur um mich auf einer Veranstaltung eine halbe Stunde zu zeigen.
Welche digitalen Technologien nutzen Sie in Ihrer täglichen Arbeit?Ich habe Spaß, neue Dinge auszuprobieren. Das mache ich mit privaten Geräten, die ich in der gebotenen Weise nutze. Interessant ist aber nicht, welche Technik ich nutze, sondern mit welchen Prozessen und innerhalb welcher Kommunikationsstrukturen wir arbeiten. Wir haben im Auswärtigen Amt 2019 eine Digitalisierungsstrategie erarbeitet und uns relativ ehrgeizige Ziele gesetzt. Das reicht von geopolitischen und geo-ökonomischen Fragestellungen bis hin zu der Frage, in welchem Kontext wir arbeiten wollen - also in welcher Innovationsstruktur und mit welchen Menschen. Ein wichtiger Punkt ist, wie wir als Bundesrepublik Deutschland unsere politischen Ziele stärker auch in einer digitalen Außenpolitik umsetzen.
Können Sie das konkretisieren?Wir bauen mit den EU-Mitgliedsstaaten ein Digital Diplomacy Network auf. Dieses Netzwerk der Außenministerien der EU soll uns befähigen, gemeinsam zu lernen und zu verstehen, wie Außenpolitik im digitalen Zeitalter funktioniert. Wir wollen Instrumente entwickeln, um als EU - mit all ihren Mitgliedsstaaten gemeinsam - in einem Drittland digital aktiv werden zu können. Das könnten Aktionen zur Steigerung der Resilienz gegen Desinformation sein, wir könnten eine Unterstützung bieten, Wahlen zu sichern, oder durch digitale Technologie mithelfen, demokratische Strukturen zu stärken. Wir versuchen, das Ganze als Diplomatie-Startup zu sehen. Und dieses Netzwerk innerhalb der EU aufzubauen, das ist wirklich spannend.