Stefan Raab erläutert im Interview seine politischen Ambitionen.
Gemeinsam geführt mit Claudia Panster am 23.3.2013
Mit dem Polittalk „Absolute Mehrheit“ und dem Kanzlerduell strebt die Allzweckwaffe Stefan Raab auf die politische Bühne. Im Gespräch mit Handelsblatt Online verrät er, was ihn treibt. Und was die Nation zu erwarten hat.
Herr Raab, sie haben mal gesagt, Politik auf Pro7 sei so selten
wie gute Unterhaltung in der ARD. Eigentlich hat das keinen gestört,
jetzt machen Sie mit „Absolute Mehrheit“ eine politische Talkshow.
Warum?
Dass ich eine politische Sendung mache, ist doch
nichts Neues. Die erste erfolgreiche politische Talksendung haben wir
schon 2005 gemacht, mit „TV total Bundestagswahl“.
Das war ein Ausflug in das Genre, aber nun ein eigener Politik-Talk? Jetzt ist Wahljahr, wann sollten wir es versuchen, wenn nicht jetzt? Zum Glück habe ich bei Pro7 mutige Mitstreiter gefunden, weil das natürlich für einen Privatsender ein ungewöhnliches Unterfangen ist. Aber wir haben Spaß, der Sender hat Spaß.
Der Vorschlag von Edmund Stoiber, Sie für das TV-Duell der Kanzlerkandidaten zu nominieren, war für Sie da sicher willkommene PR ...
Mit diesem Vorschlag konnten wir wirklich nicht rechnen. Eigentlich bin ich ja immer selbst Spielmacher. Dieses Mal musste ich die Flanke nur noch reinhauen. Aber ich bin auch als Torjäger bereit, verantwortungsvoll zu handeln.
Die Zuschauer erwarten von ihnen aber mehr. Welche Akzente werden Sie beim Kanzler-Duell setzen?
Ich werde mich mannschaftsdienlich verhalten. Mehr kann ich noch nicht sagen, die Gespräche beginnen erst.
Aber Sie werden sich doch von den anderen Moderatoren absetzen wollen ...
Ganz ehrlich, ich bin gedanklich noch nicht ins Detail vorgedrungen. Ich muss erst mal mit den Kollegen sprechen. Ich habe mir das letzte Duell schon mal im Internet angeguckt. Da war nichts dabei, was mich intellektuell überfordert hätte.
Sie wollen also angreifen?
Ich versuche, zu machen, was ich für richtig halte. Aber klar ist schon mal, dass der Rahmen begrenzt ist. Wir sind vier Leute, alle wollen Fragen stellen. Ich trete nicht an, um den Rahmen dermaßen zu sprengen, dass die Kandidaten das Studio fluchtartig verlassen.
Das haben die Kritiker der ersten beiden Sendungen nicht unbedingt so gesehen.
Der einzige Einwand, den ich nachvollziehen kann, ist, dass für das ein oder andere Thema zu wenig Zeit da ist. Hier haben wir auch schon ein paar Details verändert. Ich finde es aber gerade wichtig, dass wir eine multithematische Sendung machen.
Warum?
Bei anderen Sendungen habe ich nach einer Viertelstunde das Gefühl, dass alles zu einem Thema gesagt ist. Alles, was dann kommt, geht so in die Tiefe, dass ich es weder überprüfen noch entsprechend analysieren kann. Das will ich vermeiden.
Und stattdessen?
Die Sendung ist da, um die Leute für Politik zu interessieren, sie anzustoßen, sich überhaupt mit einem Thema zu beschäftigen. Unsere Rolle sehe ich darin, ihnen möglichst viele Aufgaben mit auf den Weg zu geben, mehrere Themen anzubieten, die Denkanstöße auslösen können. Mehr kann Fernsehen gar nicht leisten.
Welche Quote wollen Sie erreichen?
Wenn wir im Schnitt zehn bis zwölf Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen erreichen, sind wir durchaus zufrieden. Dass wir das nicht mit den Quoten von „Schlag den Raab" vergleichen können, war uns vorher klar. Hier geht es um die Leute, unter denen die meisten Nichtwähler sind. Die gilt es zu gewinnen. Sonst haben wir irgendwann nur noch eine kleine Elite, die über die Geschicke des Landes bestimmt.
Also geht es mehr darum, wie man sich präsentiert, als darum, was man präsentiert?
Ich glaube, darum geht es grundsätzlich in der Politik. Sigmar Gabriel hat mal den unklugen Satz gesagt, dass die Leute keine Personen wählen, sondern Parteien. Ich bin davon überzeugt, dass das nicht stimmt. Eine herausragende Persönlichkeit kann einer schwächelnden Partei einen unglaublichen Schub verleihen.
Wer präsentiert sich denn von den Spitzenkandidaten besser: Merkel oder Steinbrück?
Beide haben eine sehr eigene Art der Außendarstellung. Merkel macht das sehr pastoral, Steinbrück eher forsch, er trägt das Herz auf der Zunge. Eigentlich fordern die Leute ja immer Politiker, die authentisch sind und sagen, was sie denken. Aber Steinbrück bekommt es um die Ohren gehauen. Die Taktik der Deeskalation von Merkel, das einfach zu ignorieren, ist erst mal klug. Aber man sieht auch, dass die Aufschreie mit jedem Steinbrück-"Fettnäpfchen" leiser werden. Irgendwann wird ihm keiner mehr vorwerfen, dass er so ist wie er ist.
Wie bei den Piraten?
Genau das ist deren Problem. Am Anfang fanden alle die unbedarfte Herangehensweise sympathisch. Aber wenn du eineinhalb Jahre lang erzählst, dass du nicht weißt, was du willst, ist der Gag verbraucht. Provokation ist bis zu einem bestimmten Level gut, aber dann muss man auch seine Leistung abliefern.
Sprechen Sie da aus Erfahrung?
Als ich bei Viva anfing, spielte die Provokation eine große Rolle. Damals, 1994, konnte man einfach so auf den Bundespresseball gehen, sich neben den Bundespräsidenten setzen und „Backe, backe, Kuchen" spielen. Das ist heute nicht mehr möglich. Muss es aber auch nicht.
Bereuen Sie manchen Klamauk von früher? Das Leben ist ja ein Prozess. Natürlich habe ich früher Dinge gemacht, die ich heute so nicht mehr machen würde. Aber nicht, weil ich sie bereuen würde, sondern weil ich glaube, mich weiterentwickelt zu haben.
Wie?
Das sollen andere beurteilen. Ich habe ja schon viele Formate gemacht, viele verschiedene Sendungen, Musiken. Am Anfang meiner Karriere habe ich nur Quatschmusik gemacht, weil ich Lust drauf hatte. Irgendwann wollte ich richtige Lieder schreiben. Früher habe ich bei Viva Leuten mit einem Schaumstoffhammer auf den Kopf gehauen, mittlerweile mache ich eine politische Talkshow.
Wohl aber in einem politischen Umfeld ...
Stimmt. Weil es bisher noch nicht gemacht wurde. Bei Frank Plasberg können sie Faxe schicken. Aber aus dem Zeitalter sind wir raus. Papier kennen wir nicht mehr.
Sind Sie selbst jemand, der anrufen würde, wenn er vor dem Fernseher sitzt? Nein, ich rufe nie für irgendetwas an. Ich will auch niemanden dazu zwingen, das ist ein Angebot. Viele finden die Preise interessant, da gewinnt ja auch jemand. Das ist wie auf der Kirmes: Sie gehen an der Losbude vorbei - und wenn Sie Glück haben, gewinnen Sie den Teddy. Wer nicht mitspielt, hat diese Chance nicht.
Würden Sie die Möglichkeit, anzurufen und direkt abzustimmen, auch gerne auf das Kanzler-Duell übertragen?
Das wäre mal interessant.
Würden Sie das gerne sehen?
Ja, klar. Dann wird sich aber weder der Kanzler noch der Kanzlerkandidat dieser Sendung stellen. Das ist ja eine Mutprobe, wie bei „Absolute Mehrheit". Viele Politiker machen bei dieser Talkshow nicht mit, weil sie Angst davor haben, direkt bewertet zu werden. Eigentlich ist es ja die Natur der politischen Arbeit, dass ich mich mit meiner Person der Wahl stelle. Aber viele wollen sich diesen Stress allenfalls alle vier Jahre antun.
Allerdings gibt es auch bei dem klassischen TV-Duell sofort Umfragen, wer sich wie geschlagen hat, ...
Aber es ist etwas anderes, wenn man direkt in der Sendung bewertet wird. Keiner hat ein Problem damit, Zweiter oder Dritter zu werden. Aber niemand möchte in der ersten Runde rausfliegen. Ich glaube aber, am Ende des Tages wird der Mut belohnt. Wer gewinnen will, muss Niederlagen einkalkulieren.
Es kommen also nur Leute in Ihre Sendung, die nichts zu verlieren haben?
Finde ich nicht. Wolfgang Kubicki, der die erste Show gewann, hat sehr viel zu verlieren - und noch mehr zu gewinnen. Der gibt doch gerade erst Gas. Am Ende gewinnt, wer sieht, dass die Chance mehr wert ist als das Risiko. Viele Leute sind aber nicht bereit, überhaupt ein Risiko einzugehen - auch in der Politik.
Vielleicht eine politische Rolle in einer Partei, gar eine eigene Partei?
Um Himmelswillen, nein! Warum sollte ich das machen? Dazu bin ich zu wenig kompromissbereit. Man kann sich in der Politik ja nicht die Rosinen heraus picken, man muss den ganzen Schwachsinn machen. Morgens die Cebit eröffnen, mittags eine Wurstfabrik besuchen und nachmittags auf dem Vertriebenentag reaktionäre Reden anhören. Da habe ich jetzt einen besseren Job, quatsche tagsüber ein bisschen rum und mache abends meine Show, mit tollen Gästen, guter Musik. Warum soll ich das denn tauschen?
Wie würden Sie dann Ihren Beruf bezeichnen - sind Sie Produzent, Musiker, Entertainer, Journalist, Unternehmer?
Alles so ein bisschen. Ich bin ein medialer Tante-Emma-Laden und habe großen Spaß daran, vieles in diesem Laden selbst zu basteln.
Sie und Ihre drei Partner halten jeweils 12,5 Prozent an Brainpool, die andere Hälfte gehört der französischen Entertainment-Holding Banijay. Wieso?
Das war eine strategische Überlegung , damit wir unsere Produktionen im Ausland besser vermarkten können. Aber die Entscheidungen halten wir selbst in der Hand.
Wie stark ist Brainpool von Raab abhängig, könnte das Unternehmen auch ohne Raab-Inhalte überleben?
Na klar. Wir machen viele andere Formate, mit denen ich direkt nichts zu tun habe. Und auch bei meinen Formaten sind einige Sendungen dabei, die auch über mein Ableben hinaus erfolgreich sein werden. Aber diesen Punkt sehe ich am Horizont Gott sei Dank noch nicht.
Was sind Ihre Lieblingsformate?
Vor allem die tägliche Sendung „TV total". Das garantiert meinen Tagesablauf und strukturiert mein Leben. Viele in dem Business haben ja nicht dieses Privileg, die machen alle drei Wochen eine Sendung und zwischendurch die Minibar leer. Ich habe einen normalen Job, gehe morgens zur Arbeit und abends irgendwann nach Hause. „Schlag den Raab" finde ich natürlich auch super. Andere müssen für eine Samstagabendshow tagelang proben, ich habe ab mittwochs frei, gehe Samstagabend hin und spiele einfach. Und drittens Stockcar. Die Sendung hat mir zwar schon viele Schleudertraumata eingebracht, bringt aber extrem viel Spaß.
Zum Schluss das Geld. Wie investieren Sie?
Das werde ich sicher nicht verraten. Nur diese Weisheit: Am Ende verdient man das meiste Geld durch Arbeit. Und noch etwas: Angst ist kein guter Ratgeber. Sie sehen: Die Floskeln habe ich alle drauf.
Beherzigen Sie also auch die Börsenweisheit „Lege nie alle Eier in einen Korb"? Oder lieben Sie auch hier das Risiko, alles oder nichts?
Dazu nur so viel: Mein Verhalten in dieser Angelegenheit ist konträr zu meinem Verhalten in den TV Total-Pokernächten.