- Eine Reportage vom 1.1.2008 -
Wer Mike Huckabee gehört hat, für den klingt John McCain wie eine Erlösung. Endlich ein Republikaner, der weiß wovon er spricht, wenn er Washingtons Politik vom Kopf auf die Füße stellen will. Doch in der Partei stehen längst nicht alle hinter dem Vietnam-Veteranen. Eine Schmutzkampagne ließ so nicht lange auf sich warten.
COLUMBIA. Vor der Wahl in South Carolina am Samstag präsentiert sich der liberale Senator John McCain als integrer und charakterstarker Politiker, mit dem alle drei Flügel der Partei leben können. Die Botschaft wirkt, zumindestens bei den Leuten, die an diesem regnerischen Tag zu McCains Hauptquartier in Columbia gekommen sind und liebevoll gemalte Plakate hochhalten: „South Carolina loves Johnny Mac".
Der Kandidat ist noch gar nicht erschienen, aber die Stimmung ist gut. Ein Vertreter der Lokalprominenz nach dem anderen tritt ans Mikrofon und lobt den Kandidaten. Einige gegen freimütig zu, beim letzten Mal noch für George W. Bush gekämpft zu haben, andere haben sich erst vor zwei Wochen entscheiden können. Doch jetzt haben die Senatoren, Abgeordneten, der Sheriff und der Staatsanwalt keinen Zweifel mehr: John McCain ist der Mann, der die Republikaner und Amerika retten kann.
Haywood Hudson, Vietnam-Veteran wie McCain bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen in Washington wieder jemanden, zu dem wir aufschauen können. Ich habe nicht immer in allen Fragen mit ihm übereingestimmt, aber ich habe immer gewusst, wofür er steht. Er hat Rückgrat, er ist ein echter amerikanischer Held und wird ein guter Commander in Chief sein."
Dann ertönt Musik, „Johnny B. Goode" von Chuck Berry und plötzlich ist McCain da, flankiert von seiner sehr blonden Frau Cindy und seiner Tochter Maughan. Er ist blasser als alle anderen auf der Bühne, man sieht ihm seine 71 Jahre deutlich an. Sein Lächeln scheint bei den Pointen nur sehr kurz auf, aber seine Augen blitzen. Nun sind die Politiker aus seiner Entourage dran, die ihn im "Straight Talk Express" quer durch das Land begleiten
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Auch sie Senatoren und Abgeordnete aus Washington, die für eine unabhängige Politik bekannt sind und McCains Charakterstärke loben. Er kenne die Welt - und die Welt kennt John. Er habe seine eigenen Söhne im Einsatz in Afghanistan bzw. Irak und wisse, wie wichtig das Militär für das Land ist; er schaut nicht auf die Umfragen sondern auf die Menschen und spricht die Wahrheit aus. Das richtet sich an die Militärangehörigen, die in South Carolina besonders stark vertreten sind.
Dann tritt Cindy McCain nach vorne, um nach all dem Macho-Politik etwas über „the man" erzählen, der seine Familie immer über alles gehalten habe. Sie hatten bereits drei Kinder, als sie von einem Besuch bei Mutter Theresa in Bangladesch mit einem kranken Mädchen zurückkehrte, das medizinisch behandelt werden sollte. Doch auf dem Flug, ohne Absprache mit ihrem Mann, habe sie sich entschieden, dieses Kind zu adoptieren. Und beim Empfang am Flughafen habe er nur gelächelt, ihr Mann, John McCain, „the next president of the United States".
Nur eine kurze Geschichte, aber sorgfältig kalkuliert auf die sozialkonservativen Republikaner. Die besonders radikalen unter ihnen fahren in South Carolina schon wieder eine Schmutzkampagne gegen ihn. Er habe als Kriegsgefangener in Vietnam egoistisch gehandelt und Cindy sei eben nur seine zweite Frau, die erste habe er mitsamt den ersten drei Kindern (auch davon zwei adoptiert) verlassen. Ersteres wird hier im provisorischen Zelt vor McCains Hauptquartier empört zurückgewiesen, letzteres zumindestens akzeptiert, denn die Menschen kennen McCains persönliche Geschichte.
„We know the truth", steht auf einem der handgeschriebenen Plakate, und auf der Rückseite: „An army wife for McCain". Schon im Wahlkampf 2000 hatten persönliche Anwürfe McCain den Sieg in South Carolina gekostet. Das soll nicht noch einmal geschehen, daher hat er jetzt eine „Truth Squad" aufgestellt, die alle Vorwürfe sofort beantworten soll.
Erst jetzt ergreift der Kandidat das Mikrofon, und die Gedanken über sein hohes Alter rücken sofort nach hinten. "Wir werden hier in South Carolina gewinnen - und dann im November auch die Präsidentschaft", ruft er seinen Anhängern zu. In diesen schweren Zeiten brauche Amerika einen entschlossenen und erfahrenen Führer, der das Land im Kampf gegen den islamischen Extremismus anführt. "We will never surrender. They will." Markige Worte, aber der Zungenschlag ist dennoch ein anderer als bei Mike Huckabee, der tags zuvor vom "Islamo-Faschismus" gesprochen hatte, der vernichtet werden müsse: "We win. They lose."
Doch McCain weiß, dass er sich hier nicht weiter als Militärexperte und Außenpolitiker weiter profilieren muss. Sondern als harter Steuer- und Finanzpolitiker, um auch die "fiscal hawks" in seiner Partei zu gewinnen. Wie in Michigan, wo ihm die offenen Worte Wählerstimmen gekosten haben, sagt er den Wählern auch in South Carolina harte wirtschaftliche Zeiten voraus. Aber noch immer sein Amerika der größte Innovator, der größte Exporteur der Welt und könne sich aus der Misere befreien.
Doch dafür müsse in Washington das Steuer herumgerissen, die Staatsfinanzen saniert werden. Als erstes, so McCain, werde er die nur temporären Steuersenkungsgesetze der Bush-Administration permanent machen - damit Unternehmen und Familien ihre Zukunft planen können. Und dann müssten die Staatsausgaben drastisch gekürzt werden, vor allem die Projekte für einzelne Interessensgruppen, die so genannten porc barrel projects. Dabei könnten 100 Mrd. Dollar eingespart und in die Umschulung und Qualifizierung der Menschen gesteckt werden. Außerdem wolle er die Unternehmenssteuer von 35 auf 25 Prozent senken und die Steuergesetze drastisch vereinfachen.
An dieser Stelle verfällt McCain dann doch in den Huckabee-Stil. Natürlich sei das auch gegen den Widerstand der Washingtoner Lobby machbar, das sei doch ganz einfach. Er werde eine Kommission unter Leitung von Alan Greenspan (dem greisen Ex-Notenbankchef) einrichten und einen Plan ausarbeiten lassen. Und dann habe der Kongress 60 Tage Zeit, ja oder nein zu sagen.
Ein Blick in Putins AugenGanz zum Schluss kommt er dann doch noch zum Irak. Er braucht nicht mehr zu erklären, dass er von Anfang an die falsche Strategie von Donald Rumsfeld kritisiert und mehr Truppen gefordert hatte. Statt dessen spricht McCain die Entscheidung von Time-Magazin an, Wladimir Putin zum Mann des Jahres zu machen. Er habe Putin tief in die Augen gesehen und darin klar und deutlich drei Buchstaben gelesen: K G B. Nein, nicht Putin sei der Mann des Jahres, sondern General David Petraeus. Der Mann, der McCains Forderungen im Irak umgesetzt und die Lage (vorerst) zum guten gewendet hat. Die Botschaft ist deutlich: Wählt McCain, und solche Fehlentscheidungen wie die von Bush, die Tausenden von US-Soldaten das Leben gekostet haben, wird es nicht mehr geben.
Die Veranstaltung gibt eine Stimmung wieder, die sich langsam breit macht. Immer mehr prominente Republikaner stellen sich hinter den ehemaligen Maverick, den unberechenbaren Außenseiter. Und auch in den Umfragen erlebt McCain seit einigen Wochen einen starken Aufschwung. Wenn er in South Carolina gegen den Sozialkonservativen Huckabee und den Wirtschaftsexperten Mitt Romney gewinnen sollte hat er auch eine gute Chance, in Florida gegen den anderen liberalen Republikaner, gegen Rudy Giuliani zu gewinnen und als Favorit in den „Super Tuesday" zu gehen.
Beim Gang aus dem Zelt wird McCain bejubelt und umdrängt wie ein Popstar. Doch kaum hat er das Scheinwerferlicht verlassen werden seine Bewegungen wieder eckiger. Da ist er wieder, der Gedanke an das hohe Alter des Mannes, der die USA bis zum Jahr 2012 führen will.