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Radio-Beitrag

Rezension "Braunes Gold" von Studio Braun.mp3

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Hörbuch: Studio Braun, Braunes Gold, Telefonarbeiten von Heinz Strunk, Rocko Schamoni, Jacques Palminger, 79 Minuten, tacheles 2012, 17,99 Euro
Rezensent: Georg Gruber

Sendedatum: 16.11.2012

Mod:
„Fraktus“ heißt die Band der Stunde. Ihre Konzerte sind komplett ausverkauft. Ein Kinofilm dokumentiert die Wiedervereinigung der Band – die allerdings nie existiert hat. Alles Fake, ein Mockumentary. „Studio Braun“ nennen sich die drei, die dahinter stecken, Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jaques Palminger. Im Täuschen kennen sie sich aus, angefangen haben sie mit Telefonstreichen, ihre erste CD erschien 1998. Nun erscheint eine neue Zusammenstellung von Telefonarbeiten, so etwas wie eine Summe ihres Schaffens, „Braunes Gold“ heißt sie. „Im begehbaren Kleiderschrank von Studio Braun“ – schreibt Heinz Strunk auf dem CD-Cover – „hängen immer ein paar geile Fummel, die Lust auf mehr oder einfach nur gute Laune machen“. Stimmt, meint Georg Gruber, der für uns in den Kleiderschrank reingehört hat:

Beitrag

1. O-Ton T 25 Drückerkolonne
- (Studio Braun) Ja, Mertehans, bin ich hier richtig bei „Senioren helfen jungen Unternehmern?
- Das sind Sie! Jawoll!

Autor
Die Gespräche beginnen immer ganz harmlos. Und driften dann ab:

2. O-Ton T 25 Drückerkolonne
- (SB) Ja, wir sind hier eine junge aufstrebende Drückerkolonne aus Hamburg, Altona
- Drückerkolonne?
- (SB) Jo
- Die Illustrierte verkaufen?
- (SB) Ja, alles mögliche und wir haben ...
- Au, au, au
- (SB) ... wir haben uns jetzt speziell auf Seniorenhaushalte spezialisiert.
- Also mit solchen Leuten haben wir ungern was zu tun, mit Drückerkolonnen haben wir ungern was zu tun, nein.
- (SB) Ich meine, wir haben auf wirklich Schwierigkeiten, weil wir experimentieren viel mit Gewalt,
- Mit solchen Leuten haben wir ungern was zu tun,

Autor
So hört es sich an, wenn die Welt auf einmal aus den Fugen gerät - nur weil man den Hörer abgenommen hat. Nicht ahnend, dass einer von „Studio Braun“ am anderen Ende der Leitung ist.

3. O-Ton T 6 Szene Weihnachtsmann
- Und wer ist da jetzt am Telefon?
- (SB) Der Weihnachtsmann. Ich hab einfach zu viel Crack geraucht in letzter Zeit.
- Was hast Du?
- (SB) Ich hab einfach zu viel Crack geraucht in letzter Zeit.

Autor
Ende der 90er Jahre begannen Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jaques Palminger mit ihren Telefonarbeiten. „Braunes Gold“ versammelt Unveröffentlichtes und Höhepunkte ihres Schaffens, kleine Kostbarkeiten, zwei bis fünf Minuten lang, die auch nach Jahren noch keine Patina angesetzt haben.

4. O-Ton T 6 Weihnachtsmann
- Und wer bist Du eigentlich?
- (SB) Ich bin der Osterhase, mir geht’s schlecht. Oma wann kann ich nach Hause kommen?

Autor
„Für einen Hit muss man mindestens hundert Mal telefonieren, für solide Fleißarbeit etwa zehn mal,“ haben Studio Braun einmal in einem Interview ihre Arbeitsweise erklärt. Ihre Opfer fanden sie durch Zufall, oft in Anzeigenblättern. Und sie haben auch selbst Anzeigen geschaltet, beispielsweise „Motorsäge zu verschenken“.

5. O-Ton Motorsäge
- (SB) Ich hab die getragen noch bis vor drei Tagen, wenn man auf den Tennisplatz geht, kann man die gut um den Hals tragen, das gute Stück.
- Ne Motorsäge?
- (SB) Ja, so ne ganz kleine.
- Ach so, ein Schmuckstück.
- (SB) Ne, die funktioniert, ich hab damit ne Eiche runter geholt, das Ding ist so 30, 40 cm lang und hat hinten so ein Holzgestänge, da stellt man sich selber drauf mit einem Hammer.
- Ach so
Autor
Die Deutschen teilen sich, so die Erfahrung von Studio Braun, in drei große Gruppen: „die Dummen, die Arglosen und die Habgierigen“. Und ein paar Schlaue, die sie durchschauen. Doch die sind selten, komischerweise.

6. O-Ton T 10 Dunstabzugshaube
- (SB) Guten Tag, hier ist Frau Hott, Sie suchen eine Dunstabzugshaube?
- Ja
- (SB) Ja, ich hab da eine Chromhaube
- Und ist das eine bestimmte Marke wie Bosch oder Siemens?
- (SB) Ja, Siemenshaube mit Whirlpool ... was ist denn mit der Stimme los? Machen Sie da irgendwas?
- Ne ich mach nichts.

Autor
Die drei von Studio Braun sind Pioniere des Telefonscherzes, ihren Spuren folgten Leute wie Stefan Raab und Harald Schmidt, die eine Zeitlang auch gerne Wildfremde telefonisch aufs Glatteis führten. Doch Studio Braun war immer eine Klasse für sich

7. O-Ton T 10 Dunstabzugshaube
- (SB) lassen Sie doch mal den Apparat in Ruhe!
- Ich weiß gar nicht, was mit dem Telefon ist.
- (SB) Ja ich weiß es auch nicht, Sie machen doch da irgendwas, ich sitz hier ganz normal.
- Also ich mach gar nichts!
- (SB) Sie machen gar nichts?
- Nein
- (SB) Ich hör mich ja an wie so ein Bescheuerter! Das gibt’s doch gar nicht.
- Hören Sie bitte, es tut mir leid!
- (SB) Ah, das kann jeder sagen!

Autor
In ihren frühen Jahren tourten Strunk, Schamoni und Palminger mit diesen Telefonarbeiten durch die Republik – und wollten auf der Bühne anonym bleiben, traten mit Eimern auf den Köpfen auf. Heute ist das anders, die drei sind inzwischen Popstars, die Narrenfreiheit haben für ihre Projekte zwischen Trash und Hochkultur: Bücher schreiben, Theaterbühnen bespielen, Konzerte geben, als wiedervereinigte Band, die vorher gar nicht existiert hat. Studio Braun sind die Lieblinge des Feuilletons.

8. O-Ton T 30 Stuhlverhalten
- (SB) Ja guten Tag, ich möchte bitte eine Anzeige aufgeben. Und zwar ich weiß nicht unter welcher Rubrik das ist, es handelt sich um eine Art Selbsterfahrungsseminar.
- Das würde dann unter Verschiedenes laufen
- (SB) Ja, gut

Autor
Man könnte jetzt behaupten, die Telefon-Aufnahmen dokumentierten, wie die Deutschen so ticken. Oder versuchen den Humor noch weiter zu analysieren, zu verweisen auf andere Freunde des Absurden, wie vielleicht auf den fast vergessenen Kabarettisten Heino Jaeger, einen frühen Meister des Telefonsketches, der gerade im Kino wieder entdeckt wird.

9. O-Ton T 30 Stuhlverhalten
- Dann können wir jetzt zum dem Text kommen
- (SB) Der Text heißt: „Stuhlverhalten im Taunus“.
- Im Taunus?
- (SB) Ja. – „Ganzheitliche Körperarbeit nach Schamane Heinz Strunk“
- Schamane, so wie man es spricht?
- (SB) Ja, genau

Autor
Aber Analysen beiseite, eigentlich reicht es auch aus, sich einfach zu freuen über ein ganzheitlich glücklich machendes Hörerlebnis: Braunes Gold.