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USA: Corona-Vergleich von North und South Dakota irreführend

Am 13. März 2020 rief der damalige US-Präsident Donald Trump aufgrund der Corona-Pandemie den nationalen Notstand in den Vereinigten Staaten aus. In den beiden republikanisch geführten Bundesstaaten South Dakota und North Dakota hatte das teilweise ähnliche, teilweise aber auch unterschiedliche Auswirkungen.

Schulschließungen: Sowohl South Dakotas Gouverneurin Kristi Noem, als auch North Dakotas Gouverneur Doug Burgum wiesen Mitte März 2020 an, die Schulen zu schließen. In beiden Bundesstaaten blieben diese bis Schuljahresende geschlossen.

Schließung von Restaurants und Unternehmen: Auch Restaurants und Geschäfte mussten zu Pandemiebeginn in North Dakota schließen. Ab dem 1. Mai 2020 durften diese wieder öffnen, zunächst noch mit Auflagen für eine geringere Auslastung, ab dem 22. Mai waren diese Auflagen jedoch nicht mehr verpflichtend. Nach einem knappen halben Jahr ohne Einschränkungen wurde aufgrund hoher Infektionszahlen im November erneut die Kapazität in Restaurants und Bars begrenzt: auf 50 Prozent. Ab 22 Uhr durfte zudem niemand mehr im Innenbereich eines Restaurants bedient werden. Großveranstaltungen durften mit einer reduzierten Auslastung von 25 Prozent weiterhin stattfinden. Diese Regelungen galten in North Dakota bis Mitte Januar. Es gab also zumindest zeitweise Einschränkungen der Wirtschaft, wie auf der Twitter-Grafik behauptet.

In South Dakota gab es in diesem Bereich keine Einschränkungen: Restaurants, Läden, Kinos, Fitnessstudios oder Büros - alle durften weitermachen wie bisher. Dennoch schlossen einige Betriebe auf freiwilliger Basis.

Ausgangssperre: Zu keinem Zeitpunkt gab es in den Staaten South Dakota oder North Dakota die Anweisung, zu Hause zu bleiben. In 43 US-Bundesstaaten gab es zeitweise "stay-at-home orders", also die Anweisung zu Hause zu bleiben - die beiden Dakotas gehören zu den wenigen US-Bundesstaaten, die davon absahen.

Auch Großevents waren kein Problem: Im August fand in South Dakota ein zehntägiges Motorradtreffen statt, die Sturgis Motorcycle Rally. 460.000 Personen nahmen teil - zum Großteil ohne Masken. Danach traten in South Dakota und acht weiteren US-Staaten - darunter North Dakota - Corona-Fälle auf, die auf das Großevent zurückgeführt werden konnten.

Maskenpflicht: Entgegen der Information auf der verbreiteten Twitter-Grafik gab es lange Zeit weder in North Dakota noch in South Dakota eine Maskenpflicht. Die beiden Staaten zählen laut US-Medien zu den Orten in den USA, in denen am wenigsten Maske getragen wurde.

South Dakotas republikanische Gouverneurin Kristi Noem verteidigte die Entscheidung gegen eine staatliche Maskenpflicht. Sie sagte, keine Maske tragen zu wollen sei eine persönliche Entscheidung, die respektiert werden müsse. Dass es allerdings gar keine Maskenpflicht in South Dakota gab, wie die Twitter-Grafik suggeriert, ist falsch. Ein paar Städte führten auf lokaler Ebene eine Maskenpflicht ein. Die S tadt Brookings war im September Vorreiter, weitere Städte, darunter auch South Dakotas größte Stadt Sioux Falls, folgten im November 2020.

Auch in North Dakota gab es lange Zeit keine staatliche Maskenpflicht. Im November kamen die Krankenhäuser in North Dakota an ihr Limit. Der Gouverneur Doug Burgum kündigte deshalb an, dass positiv getestetes Personal im Gesundheitswesen weiter arbeiten dürfe, sofern dieses asymptomatisch sei. Wegen der hohen Infektionszahlen im Herbst 2020 und aufgrund des überlasteten Gesundheitssystems änderte der Staat aber den bis dahin liberalen Corona-Kurs.

Ab dem 14. November 2020 wurde eine staatliche Maskenpflicht eingeführt. Bis 18. Januar 2021 musste beispielsweise in öffentlichen Gebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln Maske getragen werden. Die Aussage zur Maskenpflicht in North Dakota auf der Twitter-Grafik ist zwar nicht falsch, aber unvollständig - in North Dakota gab es nämlich erst sehr spät und auch nur für zwei Monate eine staatliche Maskenpflicht.

Zwischenfazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Dakotas im Vergleich zu Deutschland sehr wenige Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus eingeführt haben. Zwar hat North Dakota zeitweise etwas strengere Maßnahmen ergriffen, dennoch sind die Unterschiede zwischen den Staaten insgesamt relativ gering.

Der Vergleich der Maßnahmen ist aus einem weiteren Grund kompliziert: In South Dakota gab es zwar keine staatliche Maskenpflicht, aber durchaus lokale Anordnungen zur Maskenpflicht in einigen Städten. Zudem trugen in beiden Staaten viele Einwohner auch freiwillig Maske.

Auch einer der Blogger, der den Dakota-Vergleich in einem Artikel beschrieb, hat den entsprechenden Absatz inzwischen gelöscht. Auf Anfrage erklärt er dem #Faktenfuchs, dass die "Gemengelage" aufgrund der lokalen Regelungen "schwierig" und "unübersichtlich" sei.

Mehr Corona-Tests in North Dakota

Auch die Epidemiologin Bonny L. Specker von der South Dakota State University findet den Vergleich der beiden Staaten schwierig, wie sie dem #Faktenfuchs schriftlich mitteilt. Neben den doch recht ähnlichen Maßnahmen sei die unterschiedliche Teststrategie der Staaten ein Grund dafür, dass ein direkter Vergleich der Inzidenzwerte kompliziert ist.

Dies bestätigt auch Carson, Professor und Experte für Infektionskrankheiten an der North Dakota State University, im #Faktenfuchs-Interview. Dass die Inzidenzwerte der beiden Staaten beinahe identisch waren, zeige sofort, dass die tatsächlichen Fälle nicht identisch waren. Denn North Dakota habe konsequent viel aggressiver getestet als South Dakota. Zum Höhepunkt der Fallzahlen Mitte November wurde in North Dakota drei Mal mehr getestet als im Nachbarstaat. Zeitweise waren es sogar sechs Mal so viele Tests pro 100.000 Einwohner in North Dakota. Doch die Anzahl der Tests alleine lässt noch keine Rückschlüsse zu den tatsächlichen Fällen, und somit der Dunkelziffer an Corona-Infektionen, zu.

Höhere Positivenquote in South Dakota

Um die Zahlen besser vergleichen zu können, kann man sich die sogenannte Positivenrate oder Positivenquote anschauen. Diese gibt an, wie hoch der Anteil der positiven Ergebnisse unter allen Test ist. Wenn die Positivenrate einer Gruppe hoch ist, deutet das darauf hin, dass vor allem Erkrankte getestet werden und womöglich mildere oder asymptomatische Fälle übersehen werden, erläutert die Johns Hopkins University auf ihrer Webseite. Eine niedrige Positivenquote bedeute hingegen, dass auch mildere und asymptomatische Fälle entdeckt werden.

Die Positivenquote war in South Dakota konstant wesentlich höher als in North Dakota. In South Dakota lag sie meist über zehn Prozent - mehr als zehn Prozent der durchgeführten Tests waren also positiv. Zwischenzeitlich lag die Positivenquote South Dakotas über 20 Prozent und teilweise sogar über 30 Prozent. Die Zahl ist ein Hinweis darauf, dass in South Dakota durch die geringe Anzahl der Tests möglicherweise mildere und asymptomatische Corona-Fälle nicht entdeckt wurden und es eine höhere Dunkelziffer gab als im Nachbarstaat. In North Dakota lag die Positivenquote bis Oktober meist unter 10 Prozent, stieg zwischenzeitlich aber ebenfalls an und erreichte ihren Höhepunkt bei 18,5 Prozent am 10. November.

Krankenhausaufenthalte

Carson von der North Dakota State University argumentiert im #Faktenfuchs-Interview, dass andere Maße, wie Krankenhausaufenthalte und Sterberaten objektiver seien, um die tatsächliche Virusaktivität der Dakotas zu beurteilen.

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