„Was kann ich gegen Rassismus unternehmen?" Diese Frage haben sich viele Menschen in den vergangenen Tagen vermehrt gestellt. Menschen, die der Tod George Floyds durch einen Polizeibeamten erschüttert hat. Menschen, die rassistische Gewalt verurteilen, aber vielleicht nicht ganz genau wissen, was Rassismus eigentlich bedeutet: Dass Rassismus nicht nur eine Form von Diskriminierung ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Struktur. Dass er sich nicht allein in hasserfüllten Beleidigungen und Gewalt-Taten zeigt. Rassismus ist für viele Schwarze Menschen und People of Color Alltag - zum Beispiel bei der Job- und Wohnungssuche.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich gegen Rassismus zu engagieren: Indem man auf Demonstrationen geht, anti-rassistische Organisationen unterstützt, Petitionen unterzeichnet. Aber auch, indem man das eigene Verhalten reflektiert und aktiv ändert. Dazu gehört, sich zu informieren. Das nachzuholen, was wir eigentlich schon als Kinder hätten lernen sollen. Perspektiven und Lebenswelten von nicht-weißen und Schwarzen Menschen kennenzulernen.
Dass das nicht automatisch trockene Lektüre bedeutet, zeigt folgende Liste:
Wer klare, aber eindringlich geschriebene Aufklärungs-Lektüre sucht, wird derzeit vor allem bei diesen beiden Büchern fündig: Alice Hasters „ Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen" und Tupoka Ogettes „ Exit Racism " (letzteres gibt es auch als Podcast bei Spotify). Beide beschäftigen sich spezifisch mit der Situation von Schwarzen Menschen und People of Color in Deutschland - und damit, wie Rassismus hier funktioniert und wie ihm entgegengewirkt werden kann.
„Wir müssen über Rassismus sprechen" - Robin DiAngelo „Deutschland Schwarz Weiß" - Noa Noah Sows „Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe rede" - Reni Eddo Lodge „Farbe bekennen" - Katharina Oguntoye, May Ayim, Dagmar Schultz „Eure Heimat ist unser Albtraum" - Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah
„Zwischen mir und der Welt" - Ta-Nehisi Coates „Gebrandmarkt" - Ibram X. Kendi „The Fire This Time: A New Generation Speaks About Race" - Jesmyn Ward (nur auf Englisch) „When They Call You a Terrorist" - Patrisse Khan-Cullors und Asha Bandele (nur auf Englisch)
Toni Morrison erhielt als erste Afroamerikanerin den Literaturnobelpreis. In ihren Romanen erzählt sie virtuos von Erfahrungen Schwarzer Menschen und ihrem Kampf für Gleichberechtigung.„ Sehr blaue Augen" handelt vom Aufwachsen eines Schwarzen Mädchens im Ohio der 40er, „ Menschenkind" von einer geflohenen Sklavin und „ Solomons Lied " ist ein Familienepos.
Zu den Literaturklassikern gehören auch die Werke von James Baldwin. Er war nicht nur eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung in den USA, sondern ist es immer noch. „ Nach der Flut das Feuer" liest sich als zeitloser Appell, dem rassistischer Diskriminierung ein Ende zu bereiten. Ähnlich wuchtig ist auch sein Debutroman „ Von dieser Welt ": Über einen Schwarzen Jungen aus dem New Yorker Viertel Harlem, der sich danach sehnt, selbst über sein Schicksal entscheiden zu können.
„Woman, Race & Class" - Angela Davis „Sag mir, wie lange ist der Zug schon fort" - James Baldwin „Heimkehren in ein fremdes Land" und „Alles zerfällt" - Chinua Achebe „Sister Outsider" und „Your Silence Will Not Protect You" - Audre Lorde „Die Ausleger" - Wole Soyinka
Wer ungern liest, dafür umso lieber streamt, dem sei die Miniserie „ Roots" aus dem Jahr 1977 empfohlen (verfügbar bei Amazon Prime Video). Sie erzählt über sieben Generationen hinweg die Geschichte einer afroamerikanische Familie - und damit auch die der Sklaverei. Seit 2016 gibt es außerdem ein kompakteres Remake. Von Rassismus in der Gegenwart handelt die Comedy-Serie „ Dear White People " (2017, auf Netflix). Darin klärt die Ivy-League Studentin Sam White im Rahmen einer Radiosendung ihre weißen Kommiliton*innen auf.
„When They See Us" - Ava DuVernay (Netflix) „Atlanta" - Donald Glover (Amazon Prime Video) „Seven Seconds" - Veena Sud (Netflix) „Pose" - Ryan Murphy (Netflix)
„ I Am Not Your Negro" ist eine sehr sehenswerte Dokumentation über anti-rassistische Kämpfe in der Bürgerrechtsbewegung der 60er, der eine Brücke zu den Black-Lives-Matter-Protesten schlägt. Zugrunde liegt dem Film James Baldwins unvollendetes Manuskript „Remember This House". Einer der wichtigsten zeitgenössichen Filmemacher über sogenannte Blackness ist außerdem Arthur Jafa. Mit Schwarzer Identität beschäftigt er sich beispielsweise in dem starken, siebenminütigen Found-Footage-Film „ Love Is The Message, The Message Is Death" und dem Essay-Film „ Dreams Are Colder Than Death " (beides online).
„The Hate U Give" - George Tillman (Amazon Prime Video) „Get Out" - Jordan Peele (Amazon Prime Video) „Moonlight" - Barry Jenkins „La Haine (Hass)" - Mathieu Kassovitz „BlacKkKlansman" - Spike Lee (Amazon Prime Video) „Hidden Figures" - Theodore Melfi (Amazon Prime Video/ Netflix) „The Hate" - Tate Taylor (Amazon Prime Video) „12 Years a Slave" - Steve McQueen „Selma" - Ava DuVernay „If Beale Street Could Talk" - James Laxton
„Speak Up" - Amandine Gay „Paris is Burning" - Jennie Livingston (Netflix) „What You Gonna Do When The World's On Fire?" - Roberto Minervini „Der 13." - Ava DuVernay (Netflix)
Auch beim täglichen Scrollen durch die Social-Media-Feeds kann man etwas über Rassismus lernen. Schließlich gibt es zahlreiche Schwarze Menschen und People of Color, die rassismuskritische Arbeit leisten und darüber auf ihren Kanälen berichten.
Die Liste mag ganz schön lang aussehen. Trotzdem gibt es natürlich so viel mehr, was man lesen, hören und sehen könnte, um mehr über das Leben von Schwarzen Menschen und People of Color zu lernen. Sich in Anti-Rassismus zu üben, heißt schließlich auch, sich immer wieder mit neuen Perspektiven auseinanderzusetzen. Es ist ein fortwährender Prozess. Und dabei sollte man nicht vergessen: Es ist ein Privileg, sich über Rassismus informieren zu können, statt ihn am eigenen Leib zu erfahren.