Eine Fotoaktion erinnert an die wieder steigende Zahl der Drogentoten. Condrobs plädiert für öffentliche "Konsumräume"
Kondome und saubere Spritzen griffbereit in Schalen sind das erste, was dem Besucher ins Auge fällt. "Wie wär's mit Schnaps?", fragt eine Betreuerin lachend und deutet auf Säfte und Softdrinks. Natürlich gibt es keinen Schnaps - nicht hier im Kontaktladen der Suchthilfeeinrichtung von Condrobs. Die Fotografie-Wanderausstellung "Gemeinsam Überleben sichern und der Drogentoten gedenken" hat im Kontaktladen "off+" ihre Premiere. Dort finden die Suchtkranken Zuflucht, können essen, Spritzen austauschen und über ihre Nöte sprechen. Der helle Raum ist bestückt mit blauen, roten, gelben Holzmöbeln. Auf den Tischen stehen bunte Tulpensträuße. Eine Optik, die an Kinderzimmer erinnert - auch wenn sich hier tagtäglich ganz andere Dinge abspielen, ganz andere Gespräche geführt, Probleme besprochen werden.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich die Zahl der Drogentoten in München in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat - von acht auf 18. Eine Statistik, die auf den ersten Blick verwundert, denn in anderen Großstädten wie Berlin, Köln oder Hamburg ist die Präsenz von Suchtkranken in der Öffentlichkeit auffallender. An U-Bahn Stationen, auf Plätzen und Parks sind sie dort unübersehbar.
Um auf die in München oft aus der Öffentlichkeit verdrängte Problematik aufmerksam zu machen, entstand das Ausstellungsprojekt des Arbeitskreises Drogentotengedenktag. Hier kooperieren die Münchner Vereine "Condrobs", "extra", "Getaway München", "Münchner Aids-Hilfe" und "Prop". Im vergangenen Jahr fand zu diesem Anliegen bereits eine Informationsveranstaltung auf dem Sendlinger-Tor-Platz statt. Passanten, Angehörige, Betroffene und Mitarbeiter waren damals aufgerufen, ihre Botschaften zu Sucht, Drogentod und Suchtpolitik auf Plakate zu schreiben und sich damit fotografieren zu lassen. Da versteckte manch Betroffener sein Gesicht für das Bild unter einer Maske, eine Passantin lächelte breit, Mitarbeiter zeigten sich meist mit ernster Miene. "Ich werde dich nie vergessen, du wirst immer bei mir sein", steht auf dem Plakat, das ein Angehöriger in den Händen hält. Der Mann habe im letzten Moment die Wollmütze aus dem Gesicht gezogen, berichtet Elena Golfidis, die als Vorsitzende der Organisation "Getaway" die Fotoaktion initiiert hatte. Für seine Worte wollte er sich nicht verstecken, erinnert sie sich. Auf einer anderen Tafel steht schlicht: "Gegen das Vergessen". Eine Botschaft, die sich vor allem an die Politik richtet.
"Ich habe meine Rede für die geschrieben, die heute nicht gekommen sind" sagt Klaus Fuhrmann, Bereichs-Geschäftsführer von "Condrobs", als er die Ausstellung eröffnet. Sein Blick schweift durch den Raum. Nicht gekommen sind die eingeladenen Politiker. Fuhrmann vertritt nach langjähriger Arbeit mit Suchtkranken einen klaren Standpunkt zur Drogenpolitik: Er kritisiert, dass Suchtkranke von öffentlichen Plätzen vertrieben und so in den privaten Raum abgedrängt würden. Um besser Kontakt zu den Suchtkranken aufbauen zu können, fordert Fuhrmann seit Jahren die Einrichtung von "Konsumräumen" in Bayern. Vor allem Infektionen durch verunreinigte Spritzen könnten dort vermieden werden.
Bei der Ausstellung handelt es sich nicht um Kunst im klassischen Sinn. Der Wert, so Fuhrmann, liege vielmehr in der Aussage. Die laute: Wenn etwas nicht sichtbar ist, heißt das noch lange nicht, dass ein Problem gelöst ist. Klaus Fuhrmann findet dafür die passenden Worte: "Der Krieg gegen die Droge ist letztlich nicht gewinnbar" - den gegen die Sucht hingegen könne man durchaus hoffnungsvoll führen. Von Dienstag, 12. Mai, an ist die Ausstellung im Café Regenbogen, Lindwurmstraße 71, zu sehen. Anschließend geht sie weiter auf Wanderschaft.