Popstar-Philosoph, Psychoanalytiker mit dreckigem Humor, Professor gewordener Waschbär auf Kokain: Das Internet ist voll von solchen Bezeichnungen für Slavoj Žižek. Keine Frage, er polarisiert. Und das über die Grenzen der Philosophie hinaus. Seit den späten Achtzigern analysiert Žižek Popkultur mit Psychoanalyse, Politik mit Hegel, Marx und Lenin. Jetzt hat er ein neues Buch veröffentlicht. Es scheint: Der "intellektuelle Prolet" versucht sich nun als "Prophet".
Zumindest lässt das bereits der Titel vermuten: "Wie ein Dieb bei Tageslicht" - Ein Bibelzitat, etwas umformuliert. In der Bibel nämlich prophezeit Paulus, der Tag des Herrn werde kommen "wie ein Dieb in der Nacht". Žižek hat hier jedoch die Nacht zum Tag gemacht. Er prophezeit: Der radikale soziale Wandel unserer Gesellschaft wird sich am helllichten Tag vollziehen. Das bedeutet: er ist in vollem Gange.
"Macht im Zeitalter des posthumanen Kapitalismus", so lautet der Untertitel des Buchs. Auf dem Cover zu sehen: Der nun Siebzigjährige slowenische Philosoph - wie gewohnt in Jeans und T-Shirt - im Schneidersitz auf Pflastersteinen.
Politische Richtungen "rechts" und "links" verkehren sichEr analysiert die gesellschaftliche und politische Gegenwart: "Wir können am Horizont eine merkwürdig pervertierte Situation erkennen, in der die offizielle 'Linke' Sparpolitik durchsetzt (und gleichzeitig für multikulturelle Rechte kämpft) während die rechten Populisten Anti-Sparmaßnahmen implementieren, um den Armen zu helfen, und zugleich eine ausländerfeindliche nationalistische Agenda verfolgen."
Die politischen Richtungen "rechts" und "links" würden sich verkehren und sogenannte "progressive Kapitalisten" wie Mark Zuckerberg mittlerweile vom "Postkapitalismus" sprechen. Das alles sei die "Weltunordnung" des globalen Kapitalismus. Žižek fragt: Was kommt als Nächstes? Und was ist zu tun?
Provokativer Humor an der richtigen StelleKonkrete Antworten sind zwischen seiner ausführlichen und scharf formulierten Gesellschaftskritik allerdings nicht unbedingt leicht zu finden. Die Prophezeiungen bleiben manchmal abstrakt. Aber genau darin liegt ja auch der Knackpunkt: Žižek prophezeit, was nicht prophezeibar scheint, eine linke Revolution zum Beispiel. Die Begründung dafür ist typisch für seine Philosophie: Die herrschende Ideologie verberge, was passiert und was möglich ist.
Bis auf diese Propheten-Rhetorik und die Bezugnahme auf aktuelle Geschehnisse macht Žižek im Vergleich zu seinen bisherigen Werken hier nicht viel Neues: Ideologiekritik, politische und psychoanalytische Theorie mit ein wenig Filmanalyse. Wer seine öffentlichen Auftritte verfolgt, wird vermutlich nicht überrascht sein.