Sogar die juristische Bezeichnung „Seenotrettung" für die Arbeit der NGO Sea-Watch wird plötzlich zum Beispiel in manchen Facebook-Kommentarspalten und rechten „Alternativmedien" infrage gestellt. „See-Not-Rettung": Der Begriff beinhaltet die Verpflichtung, menschliche Leben auf See zu retten. So ist es schließlich unter anderem in Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ) festgelegt. Aber im politisch rechten Spektrum lehnt man das Wort ab. Man ist offenbar nicht einverstanden mit der Bedeutung, die vermittelt wird. Stattdessen spricht man von „Schleppertum".
Was die einen als „Verbrechen" betiteln, bezeichnen die anderen als „moralische Pflicht"
Thomas Niehr ist Sprachwissenschaftler und Universitätsprofessor an der RWHT Aachen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Politolinguistik und Diskursanalyse. Im Gespräch mit jetzt bestätigt Niehr, dass sich an der Sprache tatsächlich erkennen lässt, wie stark sich die Debatte in zwei Lager spaltet. Was die einen als „Verbrechen" betiteln, bezeichnen die anderen als „moralische Pflicht". „Dabei akzentuiert das eine mehr das ‚Rechtliche' und das andere akzentuiert mehr das Menschliche", erklärt er.
Das vermeintlich ‚Rechtliche' fällt besonders bei den Aussagen des italienischen Innenministers Matteo Salvini auf. Der tobte, nachdem die deutsche Kapitänin Carola Rackete am vergangenen Samstagabend das Schiff mit 40 Geflüchteten an Bord in Lampedusa angelegt hatte. Sie hatte keine Erlaubnis der italienischen Regierung, aber vorab den Notstand ausgerufen. Daraufhin wurde Rackete von der italienischen Polizei festgenommen. Mittlerweile ist sie wieder frei und will Klage gegen Salvini einreichen - wegen Verleumdung.
„Menschen, die den Flüchtenden reserviert gegenüberstehen, heben oft ihre Wortwahl auf ‚Rechtliches' ab"
„Mittelmeer-Taxi" klingt mehr nach Luxus-Transport als nach einem Rettungsboot
Politische Sprache wird genau dann gefährlich, wenn sie trotzdem vorgibt, rein objektiv zu sein