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300 Millionen Stunden kostenloser Arbeit | re:publica

Im Facebook-Algorithmus lauern neue Formen der Menschenrechtsverletzungen: Ausbeutungs- und Manipulationsmechanismen, die Milliarden Menschen beeinflussen. Das sagen auf der re:publica Vladan Joler, Djordje Krivokapic, Ben Wagner und Julia Powles. Und: Nutzer sollen ihre Daten selbst kontrollieren können.

Gerade erst hat Mark Zuckerberg in seinem Manifest die offizielle Facebook-Mission dargelegt: durch Vernetzung der Menschheit eine offenere Gesellschaft zu schaffen. Tatsächlich hat Facebook vor allem eines erreicht: Seine NutzerInnen sind transparent und vorhersehbar. Ein komplexer Algorithmus analysiert kontinuierlich Input und Aktivitäten.

Mit den gesammelten Daten erschafft Facebook nicht nur eine perfekt zugeschnittene virtuelle Realität. Das Unternehmen macht auch Profit: Rund 18 Milliarden Dollar waren es im Jahr 2015. Darin enthalten ist die immaterielle Arbeit der 1,6 Milliarden Facebook-Nutzer weltweit. "Wir geben Facebook täglich 300 Millionen Stunden kostenlose Arbeit", sagt Vladan Joler, Geschäftsführer von ShareLab. Während die Komplexität der Daten bei Facebook immer weiter wächst, schrumpft das Verständnis der NutzerInnen.

Zusammen mit seinem Kollegen Djordje Krivokapic hat Joler versucht nachzuvollziehen, wie Facebook Nutzerdaten verwendet. Dazu haben sie etwa 8.000 Patente der Firma analysiert. Entdeckt haben sie neue Formen der Arbeit: "Wir sind das Rohmaterial", sagt Krivokapic. "Menschen produzieren das Material, der Algorithmus macht die Arbeit. Nur ein paar wenige verdienen damit Geld." Ob NutzerInnen auf Facebook einen Artikel lesen, ein Foto liken, Kommentare schreiben oder einfach nur durch den Newsfeed scrollen: Sie verkaufen sich selbst – kostenlos.

So entsteht eine gewaltige Lücke zwischen den wenigen, denen diese Fabrik der immateriellen Arbeit gehört und denen, die für sie produzieren – immerhin 300 Petabytes an Daten täglich. "Das sind mehr als 300.000.000 Stunden kostenloser digitaler Arbeit pro Tag", sagt Joler.

Facebook verkauft die Daten, die sein Algorithmus sammelt, als Ressource weiter. So bietet das Unternehmen Werbeagenturen die Möglichkeit, Facebook-Nutzer nach unterschiedlichen Kategorien zu filtern – etwa nach Ethnie, Reiseverhalten und Einkommen – und so potenzielle Kunden zu finden. Im Zentrum des sozialen Netzwerks treffen auf diese Weise immaterielle Arbeit auf Überwachungswirtschaft, so die Vertreter von ShareLab. 

Julia Powles, Forscherin zum Thema Datensicherheit, fordert deswegen einen transparenten Algorithmus. Facebook müsse NutzerInnen ein Mitspracherecht bei der Datenverarbeitung geben, sagt Powles. “Die Kontrolle über die Daten ist zu großen Teilen verloren gegangen, eine Entwirrung ist notwendig.”

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