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Radio-Beitrag

Antisemitische Angriffe auf Berliner Restaurantbesitzer

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Sechs Minuten dauert die Hasstirade: Das Video, in dem ein Passant Yorai Feinberg antisemitisch beschimpft, wurde im Netz tausendfach geteilt. Gegen den Pöbler laufen inzwischen Ermittlungen. Doch wie geht es Yorai Feinberg - einen Monat danach?

Antisemitismus ist für Yorai Feinberg nichts Neues. Sachbeschädigung, Beschimpfungen, Hass-Anrufe, Hass-E-Mails, schlechte Online-Bewertungen. Und das nur, weil sein Restaurant israelisch kocht, weil an der Wand ein Davidsstern hängt und im Fenster die Menora steht. Einige seiner Mitarbeiter machen sich Sorgen. "Aber ich nehme das wohl ein bisschen kämpferischer", sagt Feinberg. "Ich will vor dieser Ungerechtigkeit nicht aufgeben." Seit einer Weile hängen drei Videokameras im Restaurant. Zum Selbstschutz.

Im Dezember filmt Feinbergs Freundin die Hasstirade eines polizeilich bekannten Mannes. Vor dem Restaurant in Berlin-Schöneberg brüllt er: "Ihr werdet alle in den Gaskammern landen. Euch will keiner hier" – sechs Minuten lang. Das Video wird tausendfach in sozialen Netzwerken geteilt. Es entfacht eine neue Debatte über Antisemitismus. Gegen den 60-jährigen Pöbler laufen jetzt Ermittlungen wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Widerstands gegen Vollzugsbeamte.

Die Geschichte soll eine Chance sein

Mehr als 50 Interviews hat der junge Gastronom seitdem gegeben. Sein Restaurant ist jetzt oft voll. Das Interesse und die Solidarität der Berliner berühre ihn tief. "Wir haben sehr, sehr viele solidarische Nachrichten bekommen. Blumen, Schokoladen. Auch von Muslimen. Diese wunderbaren Menschen kamen persönlich hierher, mit Tränen in den Augen und haben sich entschuldigt. Das zeigt doch, dass die guten Menschen in der Mehrheit sind." Feinberg hat diese Gäste umarmt, mit ihnen geweint und hat beschlossen: diese Geschichte soll eine Chance sein.

Israelkritik zunehmend antisemitisch

2012 kommt Feinberg nach Berlin, frisch aus Namibia. Er hat schon in acht Ländern gelebt, und im Gepäck hat er mehrere Geschäftsideen und eine große Liebe für Hummus und israelische Salate. Ihm gefällt, wie liberal die deutsche Hauptstadt ist, die große Kunstszene, die vielen Möglichkeiten. Er bleibt.

Seit einigen Jahren aber beobachtet Feinberg einen Trend. Die internationale BDS-Bewegung, die für Boykott israelischer Produkte, Desinvestition und Sanktionen steht, wird auch in Deutschland immer aktiver. Israelkritik werde zunehmend antisemitisch, Hass auf Juden salonfähiger. Das hänge auch mit den muslimischen Migranten zusammen, sagt Feinberg. Er selbst ist kein gläubiger Jude, aber manche seiner Freunde sind es. Sie spielen mit dem Gedanken, Berlin zu verlassen. Auch Feinberg hat daran schon einmal gedacht.

"Holocaust Flashbacks" im Berliner Alltag

Der 37-Jährige ist Sohn Holocaust-Überlebender, die Nationalsozialisten haben den Großteil seiner Familie ausgelöscht. Wenn Feinberg heute durch Berlin läuft, muss er oft daran denken. "Es ist ein sehr komisches Gefühl. Wenn ich die Stolpersteine sehe, denke ich an den Holocaust. Mehrmals am Tag habe ich Holocaust-Flashbacks. Wenn ein alter Mensch mich komisch anschaut, überlege ich, warum. Wenn ich einen kleinen Raum sehe, löst das etwas in mir aus. Auch wenn ich ein wunderschönes Haus sehe, überlege ich, was wohl damals darin los war."

Und trotzdem nennt Feinberg Berlin heute sein "Lebenszentrum". Er sagt, es könnte ihm und seinem Schöneberger Restaurant schlimmer ergehen. "Wir sind hier ziemlich geschützt. Das ist wie eine Toleranzmauer". Man müsse Deutschland sogar ein Lob aussprechen. Denn es gehe offen und bewusst mit Hass und Rassismus um, bekämpfe Homophobie und Frauenfeindlichkeit.

Welle der Solidarität, des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft

Die Welle der Solidarität, des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft, die Feinberg überrumpelt hat, stimmt ihn positiv. "Nach diesem Angriff bin ich optimistischer als zuvor." Wenn er sehe, in welchem Verhältnis solidarische Nachrichten und Hassnachrichten stehen, dann bekomme er ein sehr gutes Gefühl. "Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei all den Menschen, die solidarische Nachrichten geschickt haben oder hierher kamen. Ich schätzte das wirklich sehr. Es tut gut, das zu hören und zu erleben."