Hamburg Reiche Seniorin
Mit dem Kissen soll er die alte Dame erstickt habenEr selbst hatte noch die Polizei gerufen, um den Tod der 91-Jährigen zu melden. Doch dann verstrickte sich der 74 Jahre alte Betreuer und Alleinerbe der Seniorin in Widersprüche. Vor Gericht schweigt er.
Im Mordprozess gegen einen 74 Jahre alten Mann, der eine wohlhabende 91-Jährige mit einem Kissen erstickt haben soll, bleiben vorerst viele Fragen unbeantwortet. Zum Prozessauftakt am Freitag schwieg der Angeklagte vor Gericht. Stattdessen kritisierten die Verteidiger des Mannes die Ermittlungen der Polizei. Die Tatortarbeit sei miserabel gewesen und die Anklage basiere nur auf vorverurteilenden Mutmaßungen und Schuldzuweisungen.
„Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben keineswegs den Nachweis erbracht, dass sich der Angeklagte aus dem Vermögen bereichert hat", sagte einer der beiden Verteidiger vor dem Landgericht Hamburg. Zudem sei ihr Mandant noch als Zeuge vernommen worden, obwohl er bereits als tatverdächtig galt.
Der Angeklagte war seit 2011 als Bevollmächtigter der Dame eingesetzt und stand seit 2013 als Alleinerbe im Testament. Bei der notariellen Beglaubigung hatte die kinderlose Seniorin den Akten zufolge den Angeklagten als ihren „langjährigen Freund" bezeichnet und ihr eigenes Vermögen auf etwa 220 000 Euro beziffert.
Angeklagte in „Geldnot"Auch der Staatsanwaltschaft zufolge soll der Mann ein „enges Pflege- und Vertrauensverhältnis" zu der Witwe gehabt haben, die seit 2012 unter Demenz und Alzheimer gelitten haben soll und seit 2017 auf einen Rollstuhl angewiesen war. Über mehrere Jahre soll er sich in Beträgen zwischen 11 und 2000 Euro insgesamt etwa 40 000 Euro von der Hamburgerin überweisen lassen haben. „Zur Finanzierung seiner eigenen Geldnot", wie die Staatsanwältin sagte.
Ihm müsse klar gewesen sein, „dass sie (die Seniorin) nicht wusste und sehen konnte, was sie unterschrieb", sagte die Anklägerin. Der Deutsche ist auch wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und weiterer Straftaten angeklagt. Insgesamt umfasst die Anklageschrift 50 Vorwürfe.
Der Anklage zufolge soll der Mann die demente und körperlich geschwächte Frau im September 2017 in ihrer Wohnung erstickt haben. Er selbst hatte noch die Polizei gerufen. Zunächst war von einem natürlichen Tod ausgegangen worden, bis Rechtsmediziner Anzeichen von äußerer Gewalteinwirkung entdeckten.
Bei den Vernehmungen soll sich der Angeklagte schließlich in Widersprüche verstrickt haben. Im Dezember wurde er festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Der Angeklagte habe den Haftbefehl sehr gefasst aufgenommen, sagte ein Beamter des Landeskriminalamts vor Gericht. In der Wohnung des 74-Jährigen, die verwahrlost und schmutzig gewesen sein soll, habe auf einem Flügel der Personalausweis der Frau gelegen. Auch vor Gericht wirkte der Angeklagte mit den schulterlangen grauen Haaren und dem goldenen Siegelring am Finger gefasst und ruhig.
Der Prozess wird voraussichtlich am 4. Juni fortgesetzt. Ein Urteil wird im Herbst erwartet.