Unter Theateraficionados ist es Konsens: Pro Saison gibt es ein bis
zwei wirklich gelungene Abende. Alain Badious fulminante „Rhapsodie für
das Theater“ liefert die Theorie zum Ereignis. Er unterscheidet eine
abgegriffene und eine wahre, weichenstellende Form des Theaters. Das
wahre Theater ist keine Bespiegelung des Alltäglichen, keine Verwaltung
des Status quo, sondern gibt „einem zu verstehen, dass man nicht
unschuldig auf seinem Platz sitzen bleiben kann“.
Badiou situiert das Theater zwischen Psychoanalyse und Philosophie,
analysiert dessen Verhältnis zu Politik und Kino. Gegen Ende verstrickt
er sich etwas unglücklich in Lacan’scher Terminologie. Da das
französische Original 1990 erschienen ist, sei darüber hinweggesehen.
Außerdem wird der Patzer durch die gnadenlose Forderung eines
allgemeinen Theaterzwangs relativiert. Also: Auf ins Theater mit Badiou
als Pausenlektüre!
FALTER 9/2016 vom 04.03.2016 (S. 32)
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