Kay stürmt mit wehenden weißen Haaren aus seiner Wohnung im Münchner Stadtteil Schwabing und verliert erst mal seine Brille. Dabei bricht ein Bügel ab. Das stört ihn aber nicht weiter, "eh ein billiges Modell gewesen", sagt er. In der Hand hält er das Übergabeprotokoll von Tamyca, einem Dienst, der Menschen mit und ohne Auto zusammenbringt. Das Aachener Start-up stellt eine Plattform zur Verfügung, bei der Autobesitzer ihren Pkw an andere vermieten können. Kay ist einer von ihnen, 66 Jahre alt, freiberuflicher Unternehmensberater, dies ist seine erste Vermietung.
"Das Auto steht den ganzen Tag rum", sagt er. Ein Blick auf den Tacho bestätigt das. Sieben Jahre alt ist sein Audi A4 Cabrio, nicht einmal 35 000 Kilometer gelaufen. Wie ein professioneller Autovermieter im Urlaub läuft er um seinen Wagen herum, zeigt auf Kratzer und eine kleine Delle in der Motorhaube und vermerkt beides im Protokoll. Der Innenraum des Wagens ist penibel gepflegt, nur eine vergessene Wasserflasche liegt auf dem Boden. Unter der Windschutzscheibe sitzt ein kleiner Stoffschneemann mit Zylinder.
"Die weiten Strecken im Jahr fahre ich mit dem Wohnmobil", sagt Kay. "Eigentlich brauche ich den Audi für etwas ganz anderes." Er grinst, geht zu seiner Einfahrt, deutet auf sein Wohnmobil, das passgenau davor steht. "Wenn ich irgendwo hinfahre, parke ich den Audi schnell da. Den Parkplatz kriege ich sonst nie wieder." Die angespannte Parksituation in Schwabing erfordert offensichtlich außergewöhnliche Maßnahmen.
Pkw-Szenarien bis 2040 Autobestand erreicht 2022 seinen HöhepunktDas eigene Auto wird auch 2040 noch das wichtigste Fortbewegungsmittel der Deutschen sein. Davon geht eine neue Studie aus. Pkws würden sparsamer und sauberer - trotz eines geringen Elektroautoanteils.
Das Auto als ParkplatzfreihalterAnzeige
Kay geht es wie vielen Autobesitzern in der Stadt: Die Suche nach einem Abstellplatz in den Stoßzeiten dauert oft genauso lange, wie der Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad. Deswegen bleibt das Auto stehen, oft wochenlang. Das brachte die Gründer von Tamyca auf ihre Geschäftsidee. Seit 2010 betreiben sie ihr Portal, 6000 Autos sind in ihrem Pool, 65 000 Menschen nutzen das Angebot.
Die Fahrzeuge dürfen maximal 250 000 Kilometer gelaufen sein. Der Neuwert darf nicht mehr als 100 000 Euro und die Leistung nicht mehr als 200 kW, also 272 PS, betragen. Das Prinzip ist einfach: Bei der Anmeldung wird ein Profil mit Ausweis- und Führerscheinnummer angelegt, die Bezahlung erfolgt per Kreditkarte, Paypal oder ähnlichen Diensten. Den Mietpreis bestimmen die Autobesitzer selbst, Tamyca schlägt nur einen Richtwert anhand von Alter und Modell der Wagen vor. Kay erhält für acht Stunden etwa 60 Euro. Tamyca kassiert von jeder Transaktion 15 Prozent. In der Buchung enthalten ist auch eine Teilkaskoversicherung.
Mittels der Suchfunktion lassen sich Autos in der Umgebung oder einem Ort nach Wahl identifizieren. Das Angebot ist im Umkreis von mehreren Kilometern vom eigenen Standpunkt durchaus abwechslungsreich. Vom Kleinwagen und Kombi über Sportwagen und tiefergelegtem 3er BMW ist alles dabei. Einer der Nutzer vermietet sogar einen Segway. Wirklich ein Auto zu ergattern, ist aber nicht ganz so einfach. Wer neu einsteigt in die Welt des privaten Carsharings, stellt schnell fest, dass dies nach anderen Regeln funktioniert als bei einem klassischen Autovermieter oder Angeboten wie Flinkster, MyCar und Co. Eine Garantie auf ein Auto gibt es nicht.