Mit KI können Unternehmen CO₂ sparen, weil sie Prozesse effizienter macht. Gleichzeitig verbrauchen KI-Systeme Unmengen Strom. Ein Dilemma, das unter einer Bedingung aufzulösen ist.
Kaiserslautern - Wenn Oliver Thomas anspricht, wie viel Energie Künstliche Intelligenz frisst, wählt er seine Worte besonders bedächtig. Denn für ihn ist sie eigentlich Teil der Lösung für mehr Klimaschutz. Dass Unternehmen durch sie effizienter mit Ressourcen umgehen, genau darum kümmert sich die KI-Initiative „ Green-AI Hub Mittelstand " des Bundesumweltministeriums (BMUV), deren Aufbau und Betrieb Thomas' Arbeitgeber, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), vornimmt.
Doch egal, wie viele solcher Projekte es gibt - über allen schwebt eben der Einwand: „Aber der Energieverbrauch..." Denn es lässt sich nicht wegdiskutieren: KI-Systeme lernen aus Daten, und sie brauchen davon Unmengen. Und die wollen gesammelt, gespeichert und übertragen werden. Allein das Training eines einzelnen KI-Modells soll so viel CO₂ ausstoßen wie fünf Autos in ihrem gesamten Lebenszyklus. Das ergab zumindest eine Studie der Universität von Massachusetts aus dem Jahr 2019. Was wiegt also schwerer? Kommt darauf an, glaubt man Thomas. „Künstliche Intelligenz ist kein Klimakiller", sagt er. „Unter einer wichtigen Bedingung."
Das Problem der KI: Systeme fressen viel EnergieUm ein Gefühl dafür zu bekommen, wodurch Technologien wie Künstliche Intelligenz so viel Energie verbrauchen, reicht es, sich Bilder vom „Citadel Campus Data Center" oder „China Telecom Inner Mongolia" anzusehen. Das sind gigantische Rechenzentren, die Daten verarbeiten.
Nicht nur für das Training von KI-Systemen selbst wird hier viel Strom fällig. Ihr Betrieb kommt noch obendrauf: Ständig gibt es Anfragen an die KI. Etwa durch Menschen, die zum Beispiel einen Assistenten wie ChatGPT nutzen. Aber auch durch automatisierte Programme: Sie greifen im Hintergrund auf den KI-Dienst zu, etwa durch sogenannte API-Schnittstellen.
Es entsteht nebenbei ganz viel CO₂, wo es nicht auf den ersten Blick erwartet wird. So produzieren die Server Abwärme. Das müssen dann wieder Kühlsysteme ausgleichen. Ebenfalls entscheidend: Wo sich das Datenzentrum befindet. In manchen Regionen wird die Energie vor allem aus Kohle oder Erdgas gewonnen, in anderen kommen auch grüne Techniken zum Einsatz. Außerdem braucht es für die KI extrem leistungsfähige Hardware. Die muss erstmal produziert werden, später recycelt.
Künstliche Intelligenz: Mehr Rechenleistung, mehr EnergieverbrauchAll das ergibt schon jetzt eine unschätzbare Summe an Emissionen. Und es werden wohl noch mehr - viel mehr. „ Die ständig wachsenden Rechenleistungen, die für fortgeschrittene KI-Modelle benötigt werden, könnten den Energieverbrauch weiter in die Höhe treiben", sagt der Experte.
Dabei sieht die Klimabilanz im gesamten Bereich der Kommunikationstechnologie ohnehin schlecht aus: Insgesamt könnte dieser 2030 im schlimmsten Fall bis zu 23 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmachen, wie ein Forscher für die Technikfirma Huawei berechnet hat.
Doch nicht nur die Rechenleistung wächst, sondern auch die Intelligenz der KI-Modelle, sagt Thomas. Damit könnten sie immer nützlicher werden, um Energie zu sparen. „Wenn wir die Klimakatastrophe abwenden wollen, kommen wir um den Einsatz von KI kaum umhin", sagt der Experte. „KI-Technologien haben großes Potenzial, zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem beizutragen."
Das wäre möglich, wenn Firmen KI explizit dafür einsetzen, nachhaltiger zu werden. Aber es passiere auch unweigerlich, weil sie schlicht Kosten sparen wollen. „Denn die KI kann Industrieprozesse viel effizienter machen - was Energie, Ressourcen und damit CO2 und Geld spart."
Hier könnte die KI CO2 sparenDas sieht man schon daran: Die KI hat begonnen, einige der Probleme zu lösen, die sie selbst verursacht. Auch in den genannten Serverfarmen. Google etwa setzt schon seit vielen Jahren KI-Technik ein, die Rechenzentren weniger umweltschädlich machen sollen. Und da die KIs insgesamt immer effizienter arbeiten, könnten die einzelnen Rechenoperationen ohnehin immer weniger Energie verbrauchen.
Besonders viel Energie könnten Firmen Thomas zufolge auch bei der Produktion von Waren sparen. „Die KI kann hier genaue Vorhersagen darüber treffen, wie viel von einem bestimmten Produkt benötigt wird", sagt er. „Damit können Hersteller Überproduktion und Verschwendung vermeiden." Ein Beispiel: In der Blechwarenfabrik Limburg kontrolliert eine KI den internen Warentransport und das Lagersystem. Sie will so weniger Material verschwenden, schneller ausliefern. Und nebenbei senkt sie offenbar auch noch das Risiko von Arbeitsunfällen.
Fotostrecke ansehenUnd auch die Produkte selbst können durch KI umweltfreundlicher werden. Die Firmen Veka und Ianus Simulation nutzen etwa einen digitalen Zwilling, um die Entwicklung von Fensterrahmen zu optimieren. Dadurch konnten sie offenbar den PVC-Einsatz halbieren, viel Strom sparen. Genau sollen es pro Fensterrahmen 1000 Kilowattstunden und mehrere hundert Kilogramm CO2 weniger sein.
Auch mit Blick auf die ganz großen Systeme könnte KI dem Experten zufolge CO2 reduzieren - nicht nur in den Rechenzentren. Etwa, „indem wir KI nutzen, um die Lieferketten zu optimieren", so der Experte. So müsse etwa nicht mehr so viel hin- und hertransportiert werden. Weitere Einsatzgebiete sind der Verkehr oder die Landwirtschaft. Auch diese Bereiche könnten effizienter und damit umweltfreundlicher werden.
Mit der richtigen Balance kann der Nutzen überwiegenWorauf es am Ende ankommen könnte, damit KI mehr nützt als schadet, verdeutlicht ein Beispiel: In großen Mehrfamilienhäusern und Geschäftsgebäuden könne sie dazu beitragen, den Energieverbrauch zu reduzieren, sagt Thomas. „Das Heiz- und Kühlsystem kann so an das Nutzerverhalten der vielen verschiedenen Bewohner angepasst werden." Wenn solche KI-Systeme aber in einzelnen Wohnungen eingesetzt werden, die nicht mit denen in anderen Wohnungen kommunizieren, habe es kaum einen Nutzen, würde vor allem Strom fressen. Nur in der Masse, etwa in einem großen vernetzten Haus, würden die Daten nützlich.
Soll heißen: Die Bedingung, auf die es ankommt, ist der richtige Einsatz von KI. Und darauf, dass sie nicht zum Selbstzweck wird: „Oft wird die KI nur eingesetzt, weil Unternehmen oder Privatleute sie als modern, trendy und fortschrittlich wahrnehmen - obwohl es effizientere Alternativen gibt." Das kann dann zu unnötigem Ressourcenverbrauch führen. Etwa, wenn Privatnutzer ChatGPT statt Google nutzen - oder ganze Firmen KI einsetzen, wo sie nicht nötig ist. Da müsse auch der Gesetzgeber ran. „Mit Regularien, die an den richtigen Stellen ansetzen - ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden."
Bei alledem den richtigen Punkt zu treffen, ist aber gar nicht so einfach. Technologische Neuerungen können unerwartete Boomerang-Effekte haben. So könnten selbstfahrende Autos, wie sie etwa von Googles Firma Waymo angeboten werden, zwar umweltfreundlicher pro Fahrt sein. Wenn sie aber mehr Menschen zum individuellen Reisen verleiten und den öffentlichen Verkehr weitgehend ersetzen, könnten sie das Klima insgesamt stärker bedrohen. Ein weiteres Beispiel: KI-Technik im Online-Handel könnte die einzelne Sendung umweltfreundlicher machen - aber auch zu mehr Käufen, Produktion und Versand führen.
Eine Studie des Journals Nature Communications steht symbolisch für diese doppelte Rolle der KI. Sie hat untersucht, welche Auswirkungen sie auf die 169 Ziele haben wird, die international in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung vereinbart wurden. Das Ergebnis: Dass 134 Ziele erreicht werden, könne sie ermöglichen. Gleichzeitig könne sie aber auch 59 Ziele hemmen. Am Ende ist KI also auch für die Studie ein bisschen beides: Sünder und Retter. Und doch lässt eine Passage hoffen. Besonders positiv könne sich die KI in einer Kategorie auswirken: die der Umwelt.
* Dieses Bild wurde mithilfe maschineller Unterstützung erstellt. Dafür wurde ein Text-to-Image-Modell genutzt. Auswahl des Modells, Entwicklung der Modell-Anweisungen sowie finale Bearbeitung des Bildes: Art Director Nicolas Bruckmann.