Weltweit stürzt Corona ganze Länder in schwere Gesundheits- und Wirtschaftskrisen. Sie haben viele Tote zu beklagen oder ihre Wirtschaft kommt wegen Lockdown-Maßnahmen zum Erliegen – oder beides.
Ein Land scheint aber relativ ungeschoren durch die Krise zu kommen: Südkorea!
Dort schrumpft die Wirtschaft nur leicht: Laut OECD ist mit einem Minus von 1 Prozent des südkoreanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu rechnen, das wäre der beste Wert unter allen G20-Staaten hinter China. Zum Vergleich: Deutschland geht von einem Minus von 5,4 Prozent aus.
Fakten, die sich sehen lassen
„Die schnelle Reaktion der Regierung auf die Krise ist entscheidend gewesen, um den Wirtschaftseinbruch möglichst abzudämpfen“, sagt Korea-Experte Hannes Mosler, Professor für Politik- und Ostasienwissenschaft an der Universität Duisburg.
Allerdings: Einen landesweiten Lockdown mit harten Ausgangssperren oder Produktions-Unterbrechungen gab es in Südkorea nie!
Trotzdem gab es unter 51 Millionen Einwohnern „nur“ rund 400 Tote – eine im internationalen Vergleich sehr geringe Zahl. Von den seit Februar insgesamt 23 699 Infizierten sind 21 470 wieder genesen.
Zum Vergleich: In Deutschland gab es über 9500 Todesfälle – knapp 24-mal so viele wie in Südkorea! Und die Zahl der Infizierten liegt bei über 288 500 Infizierten, davon sind knapp 252 500 genesen.
Zur Erinnerung: Deutschland steht selbst im internationalen Vergleich besser da als viele andere Länder.
Läden hatten immer geöffnet
Dass man bei der Pandemie-Bekämpfung weniger auf rigorose Lockdowns gesetzt hat, habe ermöglicht, „dass der Konsum in Kaufhäusern, das Wirtschaften in Unternehmen und die Produktion in Fabriken weniger in Mitleidenschaft gezogen wurden, da sie zu großen Teilen weiter geöffnet blieben“, sagt Mosler.
▶︎ Tatsächlich gab es keinen generellen Lockdown wie in vielen Ländern: Lokale Behörden konnten flexibel reagieren und generelle Zwangsschließungen im Einzelhandel wurden vermieden. Allerdings wurden auch dort – wie in Deutschland – unter anderem die Schulen und Kindergärten geschlossen. Und auch in Südkorea fanden Großveranstaltungen ohne Publikum statt. Feiern in geschlossenen Räumen waren zeitweise auf 50 Personen begrenzt, im Freien auf 100.
Bevölkerung bekam Bargeld
Trotzdem ging Corona auch an Südkoreas Wirtschaft nicht spurlos vorbei – schließlich ist das Land stark exportabhängig. Dort wurden vier Nachtragshaushalte verabschiedet, der letzte am 22. September. Die Corona-Hilfen belaufen sich auf über 200 Milliarden Euro.
Damit wurden Steuerausfälle gedämpft, Betriebe unterstützt und Bargeld an die Bevölkerung ausgezahlt.
Und das ging sehr schnell. Nach Verabschiedung des dritten Nachtragshaushalts dauerte es beispielsweise nur vier Tage, bis Bedürftige am 4. Mai ihre Zahlung erhielten. Sie lagen umgerechnet etwa zwischen 300 und 750 Euro. Die restlichen Südkoreaner mussten die Zahlung beantragen und bis Mitte Mai warten. Dann bekamen über 20 Millionen Haushalte binnen weniger Tage ihr Geld – meist per Kreditkarte, weil das schneller geht.
Warum war Südkorea bisher so erfolgreich gegen das Virus?
1. Erfahrung: Südkorea ist geübt im Umgang mit Infektionskrankheiten. Das Land hatte bereits im Jahr 2003 mit dem SARS-Coronavirus zu kämpfen. Nach SARS kam 2012 MERS – auch ein Coronavirus. Die gesetzliche und technische Infrastruktur war bereits vorhanden, um sofort auf das neue Coronavirus zu reagieren.
2. Schnelle Reaktion: Sofort gab es eine umfangreiche Umsetzung von Tests auf eine Corona-Infektion, die systematische und detaillierte Nachverfolgung von Infizierten und die isolierte Behandlung von Erkrankten.
Als andere Länder noch abwarteten, gab es in Korea schon eine große Welle an Tests, Forschung, Quarantänemaßnahmen sowie Aufklärungs- und Informationskampagnen. So konnten harte Auflagen vermieden werden, die meisten Einschränkungen waren nur lokal.
3. Transparenz: „Hinzu kommt, dass die südkoreanischen Behörden dabei eine sehr hohe Transparenz bewahren, sodass die Menschen Vertrauen in die Maßnahmen haben und diese unterstützen“, sagt Experte Mosler.
Beispiele für die Transparenz: Alle erdenklichen Corona-Infos gab es von Anfang an einmal auf den Webseiten der Städte, des Landes etc. Außerdem gab es sehr früh tägliche Presse-Termine, ähnlich denen des RKI in Deutschland.
4. Akzeptanz der Regeln in der Gesellschaft:Die meisten Südkoreaner sind laut Mosler „sehr gewissenhaft, wenn es um das Einhalten von Schutzmaßnahmen geht“. Die Bevölkerung wolle zur Pandemie-Eindämmung beitragen, das Programm der Regierung werde proaktiv mitgetragen.
Die Südkoreaner nehmen laut Mosler freiwillig „Unannehmlichkeiten wie Abstandhalten, Zurückhaltung bei Gruppenveranstaltungen und gegebenenfalls Selbstquarantäne in Kauf“.
Bestes Beispiel: In Korea trugen viele Menschen schon weit vor der Pandemie Masken im öffentlichen Raum.
► Außerdem lassen sich die Südkoreaner auch auf die behördliche Verarbeitung persönlicher Daten ein. In Deutschland wurde der Datenschutz-Aspekt der Corona-Warn-App diskutiert, in Südkorea gehörte dieser Punkt nicht zu den vorwiegenden Bedenken. Dort fragt der Staat nach dem Standort, Alter, Wohnort und Geschlecht eines Erkrankten. Die südkoreanische Corona-App 100m (Co100), programmiert von einem Privatanbieter, wurde bereits am 11. Februar gestartet. Sie warnt Benutzer anhand der Regierungsdaten, wenn sie sich in der Nähe einer infizierten Person befinden.
Auch in Südkorea drohen zweite Welle und Langzeit-Folgen
Zuletzt sind die Infektionszahlen in den Metropolen Seoul, Busan und Daegu wieder gestiegen, manche Medien sprechen von einer „zweiten Welle“. Folge: Die Maßnahmen wurden verstärkt.
Das heißt auch: Südkorea ist noch nicht übern Berg – auch wirtschaftlich nicht. Vize-Finanzminister Kim Yong-beom warnt bereits: „Abschwünge sind in der Realwirtschaft aufgrund der verschärften Präventionsmaßnahmen unvermeidlich.“
Und auch Südkorea wird – ähnlich wie Deutschland – mit Langzeitfolgen für die Wirtschaft zu kämpfen haben. Rettungsmaßnahmen führen zu einer hohen Verschuldung, also zu drohenden Steuererhöhungen in der Zukunft. Und auch dort ist der Arbeitsmarkt angespannt, weil viele Jobs künstlich mit staatlichen Zuschüssen erhalten werden.
Südkorea ist zudem als Exportnation vom Weltmarkt abhängig – egal, wie gut das Land selbst auf die Pandemie reagiert. Tatsächlich sind die Exporte in diesem Jahr bereits stark gesunken.
Zum Original