Fabienne Kinzelmann

Redaktorin Internationale Wirtschaft, Zürich

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Pappkamerad Kim

So haben Sie Kim Jong Un noch nicht gesehen: im Bett mit Studenten, beim Bier, in der Uni-Bibliothek. Sebastian Kirchner findet, über den Diktator sollte man lachen. Der 21-Jährige fotografierte einen Kim-Jong-Un-Aufsteller an allen möglichen Orten - bis auf einen: Kim hat Partyverbot.


SPIEGEL ONLINE: Sie fotografieren gemeinsam mit einem Freund einen Aufsteller von Kim Jong Un im Bett, im Park und im Hörsaal, Sie gehen mit ihm Bier trinken und füttern ihn mit Pizza. Wieso kann man über Kim so lachen?

Kirchner: Ich beobachte ihn schon, seit sein Vater gestorben ist: Kim ist wie ein kleines, bockiges Kind, das nichts zum Spielen bekommt, aber sich trotzdem immer wieder in den Vordergrund drängelt.

SPIEGEL ONLINE: Also eine reine Satire-Aktion?

Kirchner: Ursprünglich sollte es vor allem ein nettes Gimmick für meine Mappe werden, mit der ich mich für eine Fotografie-Ausbildung beworben habe. Aber man kann mit Humor natürlich auch deeskalieren.

SPIEGEL ONLINE: Darf man Kim Jong Un so verharmlosen? Schließlich ist er in erster Linie Diktator eines gefährlichen Regimes.

Kirchner: Satire soll unterhaltsam sein, aber vor allem eine klare und kritische Meinung äußern und deutlich Stellung zu aktuellen Ereignissen und Themen beziehen, die kritikwürdig sind.

SPIEGEL ONLINE: Nach gut einer Woche haben Sie schon fast 3500 Fans auf Ihrer Facebook-Seite. Wird Ihnen bei der Reichweite nicht mulmig, fürchten Sie nicht, das Gegenteil von Deeskalation zu bewirken?

Kirchner: Mein Kumpel Marcus Dawidjan und ich waren schon überrascht, wie schnell das ging. Deshalb ist für uns auch Distanz zu den aktuellen Entwicklungen wichtig. Manche Fans wollen zum Beispiel, dass wir Kim mit einer Schlaufe an einen Baum hängen. Das machen wir aber nicht. Wir haben uns auch dagegen entschieden, Kim vor politischen Institutionen wie dem Landtag oder dem Bundestag zu fotografieren. Und die erste Interview-Anfrage kam von einer südkoreanischen Nachrichtenagentur - die haben wir abgelehnt.

SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren die Menschen, wenn Sie mit Kim an ihnen vorbeilaufen?

Kirchner: Alle schauen, wenige fragen, viele gratulieren uns zu der Aktion. Wir sind auch schon gebeten worden, Kim auf Partys mitzubringen, damit sich die Leute mit ihm fotografieren können. Wir wollen jedoch nicht, dass es beliebig wird. Aber wir basteln schon an etwas, das auch diese Fans zufriedenstellt.

SPIEGEL ONLINE: Das wäre?

Kirchner: Unser Aufsteller ist ja in Lebensgröße und aus Holz mit einer aufgeklebten Folie, das war ziemlich aufwendig. Weil es kaum gescheite Fotos von Kim gibt, musste ich zum Beispiel den kompletten Unterleib photoshoppen, und das Bild ist ziemlich pixelig. Da ist es natürlich ziemlich schwierig, ihn auf Masse zu reproduzieren - aber wir haben schon eine Idee für eine kleinere Version.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind bislang vor allem in Dresden unterwegs. Wo geht's mit Kim noch hin?

Kirchner: Wir waren gerade mit ihm in Berlin, weil ich dort meine Fotomappe abgegeben habe - ich wurde übrigens genommen. Wir haben schon Nachrichten bekommen, dass wir unser Potential noch nicht ausschöpfen würden. Aber hey, wir sind gerade mal eine gute Woche dabei. Lasst uns erst mal machen!


Das Interview führte Fabienne Kinzelmann



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