Die katholische Kirche ist im deutschsprachigen Raum einer der größten Arbeitgeber. Aber sie hat ein Problem: Sie findet kaum Personal. Es mangelt vor allem an Priestern. Wer übrig bleibt, muss sich oft um viele Gemeinden kümmern. Das überfordert viele.
Florian Rein ist ein kluger, gutaussehender junger Mann. Vermutlich hätte er kein Problem damit, eine Freundin zu finden, mit der er eine Familie gründen kann. Obwohl er das schön fände - führen wird er so ein Leben nie. Weil ihm das eines Religionslehrers nicht reichte. Vor drei Jahren bewarb er sich deshalb am Priesterseminar in Regensburg, mittlerweile studiert er im sechsten Semester und ist davon überzeugt, dass es die richtige Wahl war. Der 22-Jährige hat sich von den Einschränkungen, die der Beruf mit sich bringt, nicht abschrecken lassen und sich sogar auf dem Krisen-Höhepunkt der katholischen Kirche für eine Laufbahn als Priester entschieden.
Der Zölibat ist eine der umstrittensten Regeln der Kirche, weil er die Priester zur Ehelosigkeit zwingt. Zudem treibe er Priester systematisch in die Einsamkeit und befördere fragwürdige Motive bei der Entscheidung für einen Priesterberuf - etwa, wenn jemand pädophil oder homosexuell ist und sich darum in den Zölibat „flüchtet". Und nicht zuletzt bricht ihn nach Schätzungen jeder zweite Priester. Dass die Kirche dennoch daran und am Ausschluss von Frauen im Priesterberuf festhält, schädigt ihr Image und ihre Attraktivität als Arbeitgeber beträchtlich.
Kein ganzes Dutzend Studenten in einem Seminar für hundertDort, wo Florian gerade ein Auslandsjahr verbringt, werden die Nachwuchssorgen der katholischen Kirche besonders deutlich. Das Priesterseminar St. Beat des Bistums Basel in Luzern wurde 1971 als Ort der geistlichen Ausbildung zur Einführung in den kirchlichen Dienst für zukünftige Priester, Pastoralassistenten und Religionspädagogen erbaut. Stolz thront der klotzige Sichtbetonbau oberhalb der Hofkirche. Das Seminar bietet genug Platz für 100 Seminaristen, verfügt sogar über eine eigene Bibliothek. Für den Panoramablick von der Dachterrasse über die Stadt und den Vierwaldstättersee kann man die Bewohner beneiden. Einzig: Es gibt kaum noch jemanden, den man hier beneiden kann. Kein ganzes Dutzend Studierende, eine sehr kleine und betagte Schwesterngemeinschaft, ein paar Geistliche - und gerade noch drei Priesteranwärter. Im täglichen Gottesdienst in der hauseigenen Kapelle ist mit viel Glück die erste Reihe besetzt, bei den gemeinsamen Mahlzeiten im großzügigen Speisesaal dampfen auf zwei, vielleicht drei der Tische die Teller.
Pfarreien werden zusammengelegtAls Spiritual Leo Rüedi, geistlicher Begleiter für Priesteranwärter, seine eigene Ausbildung absolvierte, waren sie noch rund 60 Seminaristen. So viele Anwärter haben heute gerade noch die größten Priesterseminare im deutschsprachigen Raum. In Deutschland ließen sich 1962 noch 557 Priester in Deutschland weihen - 2010 waren es gerade einmal 81.
Viel hat sich an der Ausbildung und dem Berufsleben der Priester geändert, seit Rüedi Anwärter war. Die jetzige Generation frage wieder stärker nach Sicherheit, wesentliche Elemente von Gemeinschaft und Spiritualität findet sie in der Ausbildung und in der Kirche nicht mehr ohne weiteres. Und auch Priesteramtskandidaten spüren den Druck der Credit Points. Die Kirche, findet Rüedi, brauche wieder mehr Visionen. Von der Aufbruchsstimmung nach dem Zweiten Vaticanum sei heute nicht mehr viel zu sehen. Dass Priester wie früher selbstverständlich Religionsunterricht geben, die feste Verwurzelung in einem Ort mit einer überschaubaren Gemeinde - für die meisten Priester ist das zum Wunschtraum geworden. Wegen des Priestermangels werden Pfarreien zusammengelegt, Pfarrverbände gewinnen an Bedeutung.
Schon seit einigen Jahrzehnten fördert die Kirche darum die Ausbildung von Laientheologen. Für das Amt des Pastoralreferenten braucht man einen universitären Abschluss in Theologie, für das des Gemeindereferenten reicht ein Fachhochschulstudium in Religionspädagogik. Beide Ämter dürfen auch von Frauen ausgeübt werden, eine Weihe ist nicht notwendig. Weil aber Pastoralreferenten und Gemeindereferenten - zumindest in Deutschland - keine Gemeinden leiten dürfen, wird der Priester mit den vielen Pfarrgemeinden zum Manager. Nicht wenige Seelsorger sind damit schlicht überfordert, Mitarbeiter aus Kirchenkreisen berichten von ausgebrannten Geistlichen. In Österreich kämpft eine Pfarrer-Initiative offen gegen die prekären Zustände, in Deutschland baut sich die Bewegung erst zaghaft auf. Unterstützung für die überforderten Seelsorger fehlt weitgehend.
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