Fabienne Kinzelmann

Redaktorin Internationale Wirtschaft, Zürich

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Wissenschaft unter Quotendruck

Der Frauenanteil in der Wissenschaft ist weiter niedrig. Die staatliche Gleichstellungspolitik treibt Hochschulen an, Frauen zu befördern. Wer das nicht tut, bekommt weniger Geld für die Forschung.

Frauen und Behinderte sind ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert" - so stand es noch vor ein paar Jahren in den Stellenanzeigen. Brigitte Schober schüttelt den Kopf. Das klinge wahrlich nicht ansprechend. Die Gleichstellungsbeauftragte der TU Dresden hat lange dafür gekämpft, dass der Ausschreibungstext geändert wird. Immerhin für Professuren lautet die Formulierung nun: „Die TU Dresden ist bestrebt, den Anteil an Professorinnen zu erhöhen und fordert deshalb Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben." Es ist nur eine kleine Umformulierung - und eine der vielen Hürden, an denen in Universitäten gerüttelt wird, um den Frauenanteil in der Wissenschaft deutlich zu erhöhen. Denn der ist weiter niedrig: Für 2010 ermittelte das Statistische Bundesamt einen Frauenanteil in der Professorenschaft von 19,2 Prozent; er war gering, aber immerhin schon einen Prozentpunkt höher als im Jahr davor. Unter den höchstdotierten C4/W3-Professuren lag er nur bei 14,6 Prozent.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hält es für problematisch, dass Frauen in der Wissenschaft derart unterrepräsentiert sind. „Für herausragende Forschung ist die Beteiligung von exzellenten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen notwendig", steht es in ihren Statuten, „außerdem zeichnen sich divers zusammengesetzte Arbeitsgruppen wegen der Vielfalt der Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten ihrer Mitglieder durch Kreativität und Innovation aus." Seit fünf Jahren gelten die „forschungsorientierten Gleichstellungsstandards" der DFG, die viele Unis zum Handeln zwingen. Alle Mitgliedseinrichtungen der DFG sind seither verpflichtet, diese Standards in ihren Institutionen umzusetzen und die selbst benannten Zielzahlen zur Steigerung des Frauenanteils noch in diesem Jahr zu erreichen.

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Auch das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) unterstützt die Maßnahme der DFG. Die Standards der DFG trügen maßgeblich zur Frauenförderung an den Universitäten bei, heißt es dort. „Es herrscht die Befürchtung, dass sonst Fördergelder wegfallen", sagt Nina Steinweg, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kompetenzzentrums. Derartige Befürchtungen der Universitäten sind begründet. Und auch viele andere Förderausschreibungen zielen auf die Frauenförderung: Das 2007 gestartete Professorinnen-Programm des Bundes fördert beispielsweise bis zu drei Berufungen von Frauen auf unbefristete W2- und W3-Professuren. Gerade startet die zweite Runde, in der ersten reichten fast zwei Drittel aller staatlichen Hochschulen ein Gleichstellungskonzept ein. Und mit „Horizont 2020" gibt sich die EU ab 2014 ein neues Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, in dem Wissenschaftlerinnen eine wichtige Rolle spielen.

Andrea Blumtritt, Frauenbeauftragte der TU Berlin, befürwortet die zur Frauenförderung gesetzten finanziellen Anreize. Zu einem Antrag für einen Sonderforschungsbereich gehöre ein Gleichstellungskonzept und ein Verbundantrag, beispielsweise zur Elektromobilität, habe keine Chance durchzukommen, wenn nicht mindestens eine Frau unter den Antragstellern sei. Die TU Berlin setze sich seit Jahren erfolgreich für die Frauenförderung ein und sei in einem „CEWS-Gleichstellungs-Ranking" erste geworden.

„Kaskadenmodell" als wichtiges Instrument

Die Unis aber haben viele Sorgenkinder - Fächer, in denen es wenige qualifizierte Wissenschaftlerinnen gibt. An der TU Dresden sind das etwa die Hydro-, Geo-, Forst- und Verkehrswissenschaften. Auch an den Instituten der Bauingenieure, Maschinenbauer und Elektrotechniker sieht es mau aus. Maximal eine W3-Professur ist jeweils weiblich besetzt. Lange dümpelte der Professorinnen-Anteil an der gesamten Universität bei sieben Prozent vor sich hin, jetzt ist man bei gut zehn Prozent angekommen. Bis 2015 will man ihn um weitere fünf Prozent anheben. Solche Zielzahlen, wie sie auch die Selbstverpflichtung der DFG fordert, sind für die Frauenförderung wichtig.

Dazu gehört auch eine „Potentialanalyse". Das sogenannte Kaskadenmodell ist dabei das wichtigste Instrument für die Universitäten. Für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wurde es sogar schon verbindlich (siehe Kasten). „Wenn in einem Fachbereich nur 30 Prozent Studentinnen sind, ergibt es keinen Sinn, eine Zielquote von 50 Prozent bei den Professorinnen festzulegen", erklärt es Brigitte Schober. Der Anteil von Frauen auf einer Karrierestufe müsse für jedes Institut daran gemessen werden, inwieweit er relativ zum Anteil von Frauen auf der jeweils vorhergehenden Karrierestufe ausfällt. Hier sind die Unterschiede etwa in den Erziehungswissenschaften groß. An der Dresdner Uni etwa sind diese mit mehr als 70 Prozent Studentinnen ein augenscheinlich weiblich geprägtes Fach. Aber schon bei den Doktoranden sind nur noch 38 Prozent Frauen.

Weil eine universitäre Laufbahn mit befristeten Stellen für viele Frauen nicht genügend Sicherheit biete, ist Schober bemüht, hier etwas zu ändern: „Zumindest die Hälfte der Stellen sollte unbefristet sein." Die TU Dresden setzt außerdem auf Kinderbetreuungseinrichtungen. In der neuen Stabsstelle „Gleichstellung und Diversity" agieren unter dem Prorektor für Universitätsplanung nun Beauftragte für Gleichstellungsmanagement, Karriereberater oder Koordinatoren für Geschlechterforschung . Um den Frauenanteil zu erhöhen, werden Nachwuchswissenschaftlerinnen mittlerweile auch gezielt im Ausland rekrutiert. Und für die Berufungsverfahren haben Brigitte Schober und ihr Team eine Checkliste erarbeitet: Die Gleichstellungsbeauftragten achten darauf, dass Frauen schon früh etwa als Gutachterinnen einbezogen werden. Ausgewogenheit, sagt Schober, sei auf allen Ebenen wichtig.


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