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Tafel am Rande der Kapazitäten

Die Offenbacher Tafel hat Probleme, ihre Betriebskosten zu decken. Die Stadt könnte helfen. Vermehrt nutzen Rentner das Angebot.

Einmal, da tut Daniele kurz so, als wäre er ein Marktverkäufer. Da ruft der 33-Jährige mit den kreisrunden Brillengläsern in die Menge: „Ein Kilo Bananen, ein Euro - ein Kilo Bananen, nur ein Euro!" Mit Erfolg: Die Stimmung hellt sich einen Moment lang etwas auf in der Offenbacher Krafftstraße, wo auch an diesem Dienstagmittag wieder Dutzende auf dem Bürgersteig für eine Tüte mit Lebensmitteln anstehen. Ehrenamtliche wie Daniele haben ihnen am Vormittag Tüten mit gut essbarer Ausschussware aus Supermärkten befüllt: Unter anderem Paprika, Suppengrün und Osterhasen sind heute dabei - und Bananen. Kurz schmunzeln ein paar Leute nach Danieles Scherz. Dann versteinern die Gesichter vieler wieder.

„Wir brauchen mehr Lebensmittel, weil mehr Menschen zu uns kommen", sagt Christine Sparr. Vor zwölf Jahren hat sie die Offenbacher Tafel als Ableger der Frankfurter Tafel mit aufgebaut - seit dieser Woche ist die Einrichtung eigenständig. Sparr, 47 Jahre, Sozialarbeiterin, Lederjacke, das Handy als „mobiles Büro" dabei, ist deshalb etwas aufgeregt. Denn bei Engpässen kann sie mit ihrem 19-köpfigen ehrenamtlichen Team jetzt nicht mehr auf Frankfurter Bestände zurückgreifen. Es muss alleine klappen.

Die Frankfurter wollen sich auf ihre Stadt konzentrieren, erklärt die zweite Vorsitzende der dortigen Tafel, Edith Kleber, bei der Übergabe eines Transportwagen-Schlüssels an Sparr am Dienstag. „Wenn wirklich Not ist, dann sind wir da", ergänzt Kleber zwar - aber der Begriff „Not" ist in Bezug auf die Arbeit der Tafeln schwer zu fassen. Denn es könnte immer mehr Essen da sein - und die Zahl derer, die das Offenbacher Angebot in Anspruch nehmen, steigt. 70 Haushalte hat Sparrs Team vor zwölf Jahren regelmäßig mit Spenden von Supermärkten und lokalen Firmen versorgt - heute sind es über 200: „Und die Spenden sind rückläufig."

Einer derer, die dienstags in der Schlange vor dem in Räumen der Gemeinde St. Marien untergebrachten Ausgabepunkt stehen, ist B. 202 Euro stehen dem 41-Jährigen und seinem Lebensgefährten nach Abzug der fixen Ausgaben im Monat zur Verfügung, sagt er: Das Angebot der Tafel helfe sehr. Eine Frau neben ihm schaut auf einen Zettel mit einer Nummer, den sie vom Tafel-Team erhalten hat - damit nicht alle gleichzeitig an die Ausgabe drängen. „Noch 30 Minuten warten", schätzt sie gleichmütig.

„Es kommen immer mehr Rentner", erzählt Sparr. Leute, die mit dem Wegzug der Industrie arbeitslos geworden sind und nie wieder Fuß gefasst haben etwa. „Die Arbeitsplätze sind weg, aber die Menschen sind noch da", sagt sie - Menschen verschiedenster Herkunft. Die Scham davor, zur Tafel zu gehen, sei gerade bei den Älteren groß. Im Zweifel packt das Team der Tafel kleinere Päckchen, damit alle Bedürftigen etwas bekommen. Probleme gebe es selten. Aber die Stimmung sei oft „dunkel", erzählt Sparr. Dann sagt sie Sätze wie: „Die Mieten brechen den Leuten die Beine" oder „Sie glauben gar nicht, wie viele Leute hier ohne Strom leben". Damit es für sie zumindest etwas Gescheites zu essen gibt, ackert Sparr neben ihrem Job dienstags und mittwochs für die Tafel. An den anderen Tagen verteilt die Gemeinde St. Marien in der Krafftstraße Lebensmittel. Mittwochs gibt die Tafel ihre Tüten in der abgelegenen Neusalzer Straße aus - „weil sich die Leute das Fahrkärtchen in die Stadt nicht leisten können", sagt Sparr.

Beschweren will sie sich nicht. Zwar gebe es keine dauerhafte Förderung von der Stadt, doch komme ihr die Verwaltung „extrem entgegen". So dürfe das Auto der Tafel kostenlos parken, wenn es Waren holt oder Obst an Kitas und Schulen liefert. Auch andere Akteure in der Stadt seien hilfsbereit. Trotzdem weiß Sparr noch nicht, wie sie ab Herbst den Treibstoff für den Lieferwagen der Tafel bezahlen soll. „Positiv denken", sagt sie nur knapp.

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