Fabian Mechtel

Automobiljournalist, Frankfurt

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Roh und mit Handschaltung ist der Porsche GTS perfekt - PS

Von FABIAN MECHTEL

Vorsicht! Auch wenn ein Elfer Sache des Herzens ist, es braucht einen klaren Kopf. Denn Stuttgart stellt dir viele Fallen, an deren Ende dann ein 911 Carrera 4 GTS Cabriolet mit PDK auf dich wartet. Und das braucht es überhaupt gar nicht. Weil Komfort ablenkt und die unmittelbare Rückmeldung aus dem Fokus verliert. Wo es doch beim Porschefahren um nichts anderes geht.

Das Unmittelbare. Direkt und analog schafft es Vertrauen durch Gefühl. Deshalb muss es ein normaler Carrera GTS sein. Mit Hinterradantrieb, handgerissen. Nur so ergibt das fein geschnürte Options-Paket Sinn: die breitere Spur auf ebensolchen Felgen, die Leistungssteigerung, das bedrohliche Schwärzen diverser Anbauteile - denn der 911 GTS findet seinen Zweck in der Freude am schnellen Fahren.

Natürlich stellt sich hier die Frage nach dem GT3. Warum sollte ich mir einen GTS kaufen, wenn sich in der Preisliste bereits ein Werk absoluter Fehlerlosigkeit findet? Vielleicht weil genau diese Perfektion des Über-Elfers abschreckt. Weil Du als Fahrer in der Genauigkeit jeder Einzelheit nicht der Fehler sein willst.

Für den, der weiß was er kann und - viel wichtiger - was er will, ist der GTS deshalb der ideale 911. Lautstarke 430PS erleichtern die Entscheidung sowieso. Entfacht durch eine neue Resonanzsauganlage, polierte Einlasskanäle und eine neu abgestimmte Schaltung der Durchzugsklappen im Auspuff, sorgt der Dreiachter für große Gefühle. Die Handschaltung mit den sieben Gängen wurde für den GTS neu konstruiert und nun endlich bedienbar, wie man das von einem Porsche erwartet: perfekt. Knackig kurze Wege und trotzdem klarste Präzision, welche der vier Gassen man denn nun ansteuern muss. Dazu kommt eine Gasannahme, die saftigem Zwischengas-Herunterschalten nicht im Wege steht - zumal im Sport-Modus (Vorsicht vor Sport Plus: Hier gast der Computer zwischen. Das ist unbefriedigend und sollte deshalb abgeschaltet bleiben).

Auf die Straffung der Dämpfer sollte man ebenso verzichten, gerade auf schlechter Straße bringt es weniger Gewinn, sondern bloß Härte. Vor allem aber ist vom neuen Porsche Dynamic Chassis Control abzuraten. Sicher, ein Verhindern des Abtauchens der Front beim Bremsen und der Seitenneigung beim Kurvengeigen ist nett. Aber: genau dieser Gradmesser ist unersetzbar in der Deutung der maximal erzielbarer Performance. Und sind wir mal ehrlich, auch wenn wir hier von Wanken sprechen, es geht schließlich um einen Porsche 911 und keinen Dacia Duster. Man muss alles im Verhältnis sehen.

Gleiches gilt für die Lenkung. Man stelle sie sich in etwa wie die MP3-Version der alten 997-Hydraulik vor. In den Höhen etwas komprimiert, für die meisten ist aber kein Unterschied zu spüren. Zudem bildet man sich ein, dass die Lenkung im GTS ohnehin etwas schärfer ist, was wohl an einer gewissen Gewöhnung an den 991 liegen kann. Doch außer der Umstellung von 8.5J auf 9J an der Vorderachse im Vergleich zu den Standard-Carreras wurde nichts geändert.

Vielleicht zeugt gerade diese Verklärung davon, wie gut das Kürzel GTS am 991 funktioniert, wenn man ihm mit der richtigen Einstellung gegenübertritt und die richtigen Optionen gewählt (oder besser: weggelassen) hat. Natürlich machen Allradantrieb, vollvariable Sperrmomente, aktiver Wankausgleich, automatisches Zwischengas und zugkraftunterbrechungsfreie Schalterei schnell. Aber sie machen schnell. Von vornherein schnell sein; zu wissen, dass es an einem selbst liegt, der die Kurve am Rande der Haftung balancierend perfekt ausgemalt hat - erst das gibt tiefe Zufriedenheit.

Und all die, für die diese Zufriedenheit die wahre Freude am Fahren bedeutet, die müssen sich beeilen. Denn der 911 Carrera GTS könnte der letzte Elfer mit Saugmotor sein. Die Zukunft gehört dem Turbolader. Und auch wenn die Verantwortlichen beteuern, dass sich das so fahre, wie man das von einem Porsche erwarte, so bleibt die Gewissheit: das Unmittelbare wird mit der Aufladung verloren gehen.

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