Di 25.01.22 | 11:26 Uhr | Von Fabian Grieger
Frech, witzig und musikalisch führt das Puppentheater Bubales durch die jüdische Kultur. Dafür wird das Team von "Puppenmama" Shlomit Tripp nun im Berliner Abgeordnetenhaus mit dem Obermayer Award ausgezeichnet. Von Fabian Grieger
Die Holztüren und Möbel ihrer Wohnung hat Shlomit Tripp mit ihrem Lebensgefährten in einem rindenartigen Rot gestrichen, was ihr etwas Märchenhaftes verleiht. Auf dem Sessel im Wohnzimmer hat eine blaue Ziege Platz genommen. Zur Begrüßung lässt Tripp sie mit den Augen zwinkern.
"Glückel" ist der Star der neuen interkulturellen Kochshow, die im Jüdischen Museum aufgeführt wird. Die Ziege mit den riesigen Wimpern ist nicht nur eine Spezialanfertigung der berühmten israelischen Puppenbauerin Maria Gurevich, sondern sie trägt auch den Namen von Glückel von Hameln; die vor mehr als 300 Jahren als erste Frau in Deutschland eine Autobiographie geschrieben hat. So ist es oft mit Tripps Puppen. Sie sind flauschig, frech und albern - aber sie erzählen eben auch etwas über die jüdische Geschichte.
Puppentheater als jüdisches EmpowermentTripp ist selbst in einer jüdisch-türkischen Familie aufgewachsen. Geboren in Berlin fand sie über Moskau, Prag, Israel und die USA wieder den Weg zurück nach Berlin, wo sie hauptberuflich die Community Programme des Jüdischen Museums leitet. Dort kam der 51-Jährigen auch vor mehr als zehn Jahren die Idee eines eigenen jüdischen Puppentheaters: "Es gab immer Weihnachtspuppentheater aber nie etwas zu Chanukka. Da kamen viele Eltern zu mir und sagten: Unsere Kinder wollen nur noch Weihnachten feiern aber nie Chanukka, Shlomit, kannst du da nicht was machen?" So entstand die erste Puppentheater-Show mit dem Titel "Chanukka - Knatsch bei den Cohens". Tripp sagt zurückblickend: "Das war Empowerment für die jüdischen Kinder, die in der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft groß werden."
Fanclub von russischen RentnernDas Interesse war aber auch von nicht-jüdischer Seite groß und so gründete Shlomit Tripp die Bubales - das erste deutsche jüdische Puppentheater. Der Name ist dabei ein Wortspiel aus dem hebräischen Wort für Puppe "Buba" und dem jiddischen Ausdruck "Bubale", etwa "Kleiner Liebling." Tripps "Kleine Lieblinge" sind nun als mobiles Puppentheater in ganz Deutschland unterwegs. Es gäbe sogar einen Fanclub von russischen Rentnern, die immer mit ihren Rollatoren zu den Vorstellungen kommen.
Das Publikum wie auch die Bubales selbst wurden dabei immer interkultureller. Zuletzt entwickelte Tripp mit syrischen Künstlern ein zweisprachiges Stück auf Deutsch und Arabisch. Aber auch das Aussehen der Puppen hebt sich zum Beispiel mit ihren großen Augen von der mehrheitsdeutschen Kinderkunstästhetik ab, sagt Tripp: "Die Bubales haben eine ganz andere Ästhetik, die zum Beispiel Migrant:innen aus dem Nahostbereich viel mehr ansprechen."
Puppen des Puppentheaters Bubales in einem Regal des Ateliers. Eine interkulturelle ÄsthetikDie Hauptfigur der Bubales ist der kleine Shlomo, rote Strubbelhaare und blaue Kippa. Mit dabei ist meistens auch sein Haustier, das humorlose Schaf Mendel und seine beste Freundin Ayshe, eine "richtige Kreuzberger Göre", wie Tripp sagt. Dabei sei es wichtig, nicht zu vergessen, dass auch Puppen letztlich immer Karikaturen sind. Besteht da nicht die Gefahr auch wieder Vorurteile zu reproduzieren? "Ja", sagt Tripp, "aber gleichzeitig breche ich die Stereotype sehr stark auf. So ist zum Beispiel Ayshe sehr frech und spricht mit einer tiefen, rauen Stimme, aber gleichzeitig ist sie sehr, sehr schlau und ein Computernerd."
Zwei Herren im Bad treffen zufällig in einer Badewanne aufeinander. Einer der unzähligen Sketche von Loriot. Er war ein Meister darin, banale Alltagsszenen überspitzt darzustellen. Am Sonntag jährt sich sein Todestag zum zehnten Mal.
Tripps Puppen bilden in ihren Geschichten oft sehr alltägliche Themen und Probleme ab. Das schaffe eine Identifikationsfläche für das Publikum. Überhaupt seien die Bubales echte Türöffner, auch wenn es um schwerere politische Themen geht, sagt Tripp: "Die Puppen bauen Berührungsängste ab und öffnen bei den Menschen etwas, was eine lebendige Person gar nicht so einfach hinkriegt - selbst bei Erwachsenen. Puppen bauen Brücken."
Um das auch in der Corona-Zeit tun zu können, gingen die Bubales online. Mit ihrem Team drehte Shlomit Tripp Filme. So erklärte zum Beispiel die "Schalömchen-Bahn" an jeder Haltestelle einen jüdischen Feiertag. Ihr neuestes Stück soll möglichst an einem festen Theater in Berlin aufgeführt werden. Es werde ein echtes Spektakel, erzählt Tripp - und auch wieder zweisprachig in deutsch und türkisch. Den Titel verrät Tripp schon einmal: Buraya-Oraya: Hierhin, dorthin.
"Puppen müssen klären, wer ins Abgeordnetenhaus darf"Nun steht aber erst einmal die Verleihung der Obermayer-Awards an, der von der Obermayer-Foundation mit Sitz in den USA verliehen wird. Auf der Homepage heißt es, der Preis würdige Einzelpersonen und Organisationen in Deutschland, "die mit kreativem und uneigennützigem Engagement dazu beigetragen haben, die jüdische Geschichte und Kultur in ihren Gemeinden zu bewahren und Hass, Vorurteilen und Antisemitismus entgegenzuwirken."
Das könnte auch eine Beschreibung der Bubales sein. Über den Preis freuen sie sich riesig, erzählt Tripp. Wer aber mit zur Preisverleihung ins Abgeordnetenhaus darf, sei noch nicht ausgemacht: "Die Puppen müssen das noch untereinander klären - da wird es große Diskussionen geben."
Sendung: Inforadio, 25.01.2022Beitrag von Fabian Grieger