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Wer ist von Hass und Hetze im Netz betroffen?
Plattformen wie Facebook, YouTube, Twitter, WhatsApp, Telegram, Instagram und bestimmte Webseiten sowie öffentliche Kanäle wie etwa Facebook-Seiten, offene und vor allem geschlossene Facebook-Gruppen oder Gruppen z. B. bei WhatsApp, Threema, Signal und Telegram können Sie beruflich und privat hervorragend nutzen, um mit einer bestimmten, ausgewählten Gruppe zu kommunizieren. Für die meisten von uns sind Online-Communitys ein harmloses und unkompliziertes Mittel zum Informationsaustausch. Seniorengruppen, Kitaeltern und viele andere nutzen sie. Gemeinsame Ziele, Interessen oder Wertvorstellungen halten die Gruppe zusammen.
Aber auch Demokratiefeinde wissen um den Wert solcher Plattformen, die als Medium für Hatespeech und Fake News dienen. Da die Inhalte nur für Gruppenmitglieder sichtbar sind, fühlen sich Extremisten in bestimmten geschlossenen Gruppen besonders sicher. Immer wieder sickert durch, was sich in bestimmten, von der Öffentlichkeit verborgenen Gruppen abspielt und wie es in diesen speziellen Echokammern aussieht. Hetze gegen soziale Gruppen oder Minderheiten wie Juden und Geflüchtete wird von Administratoren teils nicht nur geduldet, sondern zum Teil ganz gezielt auf die Agenda gesetzt. Das dient daher oft der gegenseitigen Meinungsbestätigung. Wissenschaftliche Studien, aber auch polizeiliche Ermittlungen zeigen, dass es Kommunikationsgruppen gibt, in die keine Inhalte mehr von Andersdenkenden dringen und deren Mitglieder komplett inSubkulturen und Parallelwelten abgetaucht sind.
So radikalisieren sich dort u. a. auch Rechtspopulisten zunehmend:
2017 veröffentlichte Chatprotokolle einer geschlossenen Gruppe der AfD Sachsen-Anhalt belegen, dass dort mit rund 200 Mitgliedern u. a. Aussagen wie „Deutschland den Deutschen" geteilt wurden
2019 berichtete der WDR von einer anderen geschlossenen Chat-Gruppe der AfD, in der zum Umsturz aufgerufen, „Grüße vom Führer" verschickt und das Dritte Reich verherrlicht wurden.
2020, als sich viele Fake News zu Covid-19 verbreiteten, reagierte WhatsApp und schränkte die Weiterleitungsfunktion massenhaft geteilter Inhalte ein, um die „Infodemie" einzudämmen. Nicht zuletzt deshalb verlagerten viele, die sich bereits durch die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen von der Regierung gegängelt fühlten, ihre Kommunikation in die geschlossenen Gruppen von Telegram. Dort werden täglich neue krude Verschwörungsmythen geboren und arglos verbreitet. Dass dies das Potenzial hat, das Vertrauen in die Demokratie und unseren Rechtsstaat in Zweifel zu ziehen und damit zu zerstören, wird billigend in Kauf genommen und sogar absichtsvoll vorangetrieben.
Die Begriffe Desinformation, Manipulation, Propaganda, Fake News werden oft synonym verwendet. Es geht um falsche, ungenaue oder irreführende Informationen in Sprache, manipulierten Bildern und Bewegtbildern. Im Gegensatz zu einfachen Hassbotschaften sind Fake News für viele ohne eigene Recherche oft schwer bis gar nicht zu erkennen.
Diese Tatsache machen sich verschiedene Akteure bewusst zunutze. Gelegentlich geschieht das, weil sich damit viele Klicks auf reißerische „Infos" generieren lassen. Häufiger geht es darum, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, gesellschaftliche Konflikte zu verschärfen, die Demokratie zu gefährden. Die Bedrohung kommt von Einzelpersonen genauso wie von bestimmten Gruppierungen oder Staaten. Betroffen sein können Einzelne und Gruppen, die in der Öffentlichkeit stehen, auch Lokalpolitiker.
Informationsmanipulation ist kein neues Phänomen, aber erst seit dem digitalen Zeitalter verbreiten sich diese falschen Fakten rasant, gehen häufig „viral", werden also tausend- oder sogar millionenfach geklickt, geliked und geteilt. Fake News sind oft in spektakulärem, emotionalem, alarmierendem Stil verfasst, spielen häufig mit der Angst. So verbreitete sich die Schlagzeile „Merkel hofft auf 12 Millionen Einwanderer" (2017) wie ein Lauffeuer. Viele von denen, die sie geteilt hatten, ließen sich auch von einer Richtigstellung, wie in dem Fall von „Correctiv Faktencheck", nicht überzeugen.
Unter Fake News fallen auch Deepfakes bzw. Shallow Fakes, ein Phänomen, das in den USA schon weit verbreitet ist. Manipuliertes Video- oder Audiomaterial wirkt täuschend echt und wird u. a. dazu verwendet, jemanden zu diskreditieren. Gesichter werden ersetzt oder Bewegungen verändert. Teils reichen schon kleinere Veränderungen wie etwa die Verlangsamung von Aufnahmen, damit jemand zum Beispiel betrunken wirkt. Von der bewussten Desinformation wird übrigens die Misinformation unterschieden, die beispielsweise ihre Ursache in mangelnder Recherche hat, aber nicht mit Absicht verbreitet wird. Auch Misinformation wird immer wieder als Fake News bezeichnet.
Bevor Sie loslegen: Schnelle Reaktionen sind wichtig, unüberlegte Schnellschüsse und Panikreaktionen aber kontraproduktiv. Stecken Sie auf keinen Fall den Kopf in den Sand! Reagieren Sie sehr zeitnah, aber trotzdem überlegt. Wenn Sie sich zu viel Zeit lassen, übernehmen andere die Deutungshoheit, und es wird schwerer für Sie, gehört zu werden.
Klären Sie dennoch die folgenden Punkte, bevor Sie handeln:
Wer kommuniziert? Richten sich die Angriffe gegen Sie als Einzelperson oder gegen eine größere Gruppe (z. B. Stadtrats- oder Kreistagsfraktion)? Auch wenn Sie als Einzelperson betroffen sind: Suchen Sie die Abstimmung, beispielsweise mit Ihnen nahestehenden, kommunalen Mandatsträgern oder einer Beratungsstelle. Sobald mehrere Personen betroffen sind beziehungsweise gemeinsamen Zugriff auf ein Profil in den sozialen Medien haben: Stimmen Sie sich untereinander ab und legen Sie fest, wer von Ihnen - in Abstimmung mit den anderen - die Kommunikation nach innen und nach außen übernimmt. Achtung: Interne Kommunikation sollte - auch unter Zeitdruck - der externen Kommunikation vorangehen. Wer sollte im Vorfeld informiert werden? Z. B. Mitglieder Ihrer Gemeinderatsfraktion, Mitarbeiter etc.? Diese Gruppen sollten Sie immer auch auf dem Laufenden halten, z. B. mit Hilfe eines E-Mail-Verteilers, einer gemeinsamen WhatsAppGruppe oder im Intranet. Welche Gruppen (z. B. Bürger, Presse, Behörden etc.) müssen Sie informieren? Welche Kanäle nutzen Sie? Wie erreichen Sie Ihre Zielgruppen am besten und welche analogen (Zeitung, Lokalradio etc.) und digitalen (Pressemitteilung, Newsletter, Facebook, Twitter, Instagram, Xing, LinkedIn etc.) Kanäle bieten sich dafür an? Sollten Sie eine Hotline einrichten? Ist eine Pressekonferenz angebracht? Empfiehlt es sich, aktiv auf die Presse oder etwa auch auf die Polizei zuzugehen? Wer kann Sie gegebenenfalls unterstützen, wenn Ihnen ein Format (z. B. ein Video) nicht liegt? Wie kommunizieren? Seien Sie glaubwürdig, das heißt: Kommunizieren Sie offen und ehrlich! Finden Sie überzeugende Argumente und Erklärungen. Denken Sie auch daran, Fakten emotional zu unterfüttern, denn Emotionen bleiben viel besser im Gedächtnis. Behalten Sie Ihre eigene „Sprache" - auch in der Krisenkommunikation. Wichtig ist, dass Ihre Kommunikation als authentisch wahrgenommen wird. Sie muss zu Ihnen passen. Überlegen Sie, ob Sie eine Geschichte erzählen können, die die Wahrnehmung drehen kann.Vermeiden Sie Verheimlichungen, Verharmlosungen und/oder die Wahrheit nur Stück für Stück („Salami-Taktik") preiszugeben. Verzichten Sie auch auf Floskeln und nennen Sie die Dinge beim Namen. Auch wenn Sie unter großem Rechtfertigungsdruck stehen, angespannt sind und sich gegen unberechtigte Vorwürfe wehren wollen: Impulsives, aggressives, arrogantes oder überhebliches Verhalten ist tabu! Achten Sie auch darauf, keine Versprechungen zu machen, die Sie gegebenenfalls nicht halten können.
Eine schnelle, erste Reaktion kann je nach Sachlage sein: „Wir gehen der Sache nach", „Wir nehmen die Sache ernst" oder „Wir klären die Sache auf". Sie sollte am besten innerhalb der ersten halben Stunde erfolgen. Später können Sie Details bringen, aber diese erste Reaktion hilft, dass Sie die Deutungshoheit behalten.
Monitoring nicht vergessen: Beobachten Sie kontinuierlich bestimmte Schlüsselbegriffe sowie Seiten und Gruppen im Netz (u. a. mit Hilfe von Google Alerts), aber auch Zeitungen und relevante Blogs. Vorsicht beim Löschen: Der Versuch, Informationen durch Gerichte online löschen zu lassen, lässt diesen oft sogar noch mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden. Die Öffentlichkeit erfährt dadurch vielleicht erst von dem Fall. Dieser sogenannte „Streisand-Effekt" geht zurück auf die Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand, die 2003 einen Fotografen aufgefordert hatte, Luftaufnahmen von ihrem Anwesen zu löschen. Erst danach wurde das Bild viral geteilt. Bedenken Sie diesen Effekt auch, wenn Sie eigene Beiträge im Netz löschen, bei denen Sie vielleicht nicht so glückliche Formulierungen gewählt haben. Wenn ein Text erst einmal hohe Wellen geschlagen hat, haben andere Nutzer in der Regel bereits Screenshots gemacht. Das Löschen produziert erst recht Aufmerksamkeit und Screenshots des Ursprungsbeitrags werden dann besonders häufig geteilt. Sollten Sie sich für Löschen entscheiden, dann denken Sie bitte daran, zuerst Beweise mit Hilfe von Screenshots zu sichern. Das ist unter anderem dann wichtig, wenn es zu polizeilichen Ermittlungen kommt. Sichern Sie auch die URL, also die Adresszeile, außerdem das Nutzerprofil bzw. das Impressum und halten Sie Datum und Uhrzeit fest. Denken Sie auch daran, dass Sie der Öffentlichkeit erklären sollten, warum Sie gelöscht haben, insbesondere wenn die betreffenden Kommentare zuvor schon größere Aufmerksamkeit erregt haben. Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, bereits vor einer Krise die eigene Präsenz in Social Media mit einem klaren Hinweis, etwa wie folgt, zu versehen: Eine konstruktive, gerne auch kritische Debatte wird gewünscht, aber es gelten die Regeln des anständigen und zivilisierten Miteinanders - sprich: Beleidigungen und Drohungen sind tabu! Beiträge melden: Sie können natürlich jederzeit gegen Sie gerichtete Beiträge, die z. B. Fake News enthalten, bei den Social-Media-Plattformen melden, weil diese meist gegen deren Richtlinien verstoßen dürften. Auch hier gilt: Erst die Beweise sichern. Aber Achtung: Oft werden diese Beiträge dann trotzdem - nicht immer nachvollziehbar - als NICHT gegen die Richtlinien verstoßend eingestuft. Einen Versuch sollte es aber auf jeden Fall wert sein. Wenn Sie die Beiträge für justiziabel halten, können Sie sich auch an die Polizei wenden und Anzeige erstatten. Lassen Sie sich am besten juristisch, aber auch kommunikativ beraten, ob ein straf- oder zivilrechtliches Vorgehen angebracht ist. Protokoll führen: Je länger die Kommunikation im Notfall andauert und je mehr Personen beteiligt sind, desto wichtiger ist es, dass Sie über alle Handlungen Protokoll führen. Das setzt alle Beteiligten ins Bild und erleichtert Übergaben, wenn etwa im Schichtbetrieb reagiert oder wenn jemand im Urlaub vertreten werden muss. Das Protokoll dient im Nachhinein auch dazu, den Fall gemeinsam aufzuarbeiten und Lehren daraus zu ziehen. Denn nach der Krise ist vor der Krise.
Für die Erstellung Ihrer Social-Media-Strategie, aber auch um sich gegen Online-Bedrohungen präventiv schützen zu können, müssen Sie über grundlegende Informationen verfügen, die wir Ihnen in unserem „Kompass Wehrhafte Demokratie" zusammengestellt haben.
Wenn Sie sich jedoch im Kampf gegen Hass, Verschwörungsmythen und verbale Gewalt „der hellen Seite" der Macht für ein Internet der Vernünftigen anschließen wollen, dann brauchen Sie für den Einstieg tiefere Kenntnis über die Funktionsweise des Internets, über die dort herrschende Bildsprache, aber auch über die dunklen Ecken des Netzes, wo Lüge, Hetze und Hass produziert werden und die nur einen „Rechtsklick zuviel" vom populären Katzenvideo und Do-it-yourself-Video entfernt sind. Wir haben hier am Ende vom „Kompass Wehrhafte Demokratie" eine crossmediale Lese-, Hör-und Anschauempfehlung zusammengestellt, die als Ausblick in eine Zukunft eines demokratischen und menschendienlichen Internets dienen mag:
Lesetipps Ebner, Julia: Radikalisierungsmaschinen. Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren, Berlin 2019. Franke, Silke (Hrsg.): Rechtes Land? Demokratie stärken (= Aktuelle Analysen 76, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung), München 2020. Haller, André: Der Wahlkampf im Netz. Twitter, Facebook, Social Bots, Fake News und die Folgen, in: Politische Studien 474/2017, S. 12-21. Hegelich, Simon: Social Media im Wahlkampf. Die digitale Revolution der Meinungsbildung, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 2018. Nocun, Katharina/Lamberty, Pia: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln, 3. Aufl., 2020. Rückert, Maximilian Th. L.: Vom Witz zum Wahnsinn. Der globale Kulturkampf rechter Demokratiefeinde im Netz, in: Politische Studien 485/2019, S. 26-37. Schiebel, Christoph: Framing macht Politik. AfD nutzt Kopfkino, um Angst in der Bevölkerung zu schüren, in: Politische Studien 483/2019, S. 51-59. Stegemann, Patrick/Musyal, Sören: Die rechte Mobilmachung: Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen, Berlin 2020. Wilke, Tabea: Informationsbedrohungen. Herausforderungen für den europäischen Informationsraum (= Aktuelle Analysen 77, hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung), deutsch und englisch, München 2020. Internettipps Dokutipps