Am 11. September um sechs Uhr morgens klopft es an Max Zirngasts Tür in Ankara. Der 29-jährige Politikwissenschaftler und Journalist weiß gleich, was das bedeutet. In der Türkei ist längst bekannt, dass die Polizei Menschen meist im Morgengrauen verhaftet. 15 bis 20 Polizist*innen stehen mit einem Haftbefehl gegen ihn in der Wohnung.
Vorgeworfen wird Zirngast die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, der „illegalen bewaffneten Organisation TKP/K" ( Anm: Türkische Kommunistische Partei/Funke) wie er in einem Interview mit Datum erklärt. Max Zirngast und drei Freund*innen kommen für zehn Tage in Polizeigewahrsam. In Briefen beschreibt er die Zeit als zehn lange, unerträgliche Tage. Danach würden sie freikommen, glauben Max und seine Kolleg*innen. Immerhin gibt es für die Anschuldigungen keine Beweise. Aber Hatice, Mithat und Max werden ins Gefängnis in Sincan geschickt.
Am 24. Dezember dürfen die drei überraschend gehen. Zumindest vorerst. Im April findet die Anklage statt, bis dahin muss Max Zirngast in Ankara bleiben und jeden Montag zur Polizei gehen, um seine Anwesenheit zu beweisen. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Wir haben mit dem 29-Jährigen via Skype über seine Zeit im Gefängnis gesprochen
.
ze.tt: Max, du warst drei Monate in einem türkischen Hochsicherheitsgefängnis. Was fällt dir als erstes ein, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?Max Zirngast: Tja, das ist eine gute Frage. (Ü berlegt einen Moment) Ich habe das Zimmer unserer Zelle noch sehr klar vor Augen. Wir haben dort drei Monate rund um die Uhr verbracht, bis auf die Ausnahmen, wenn du zum Anwalt oder es wegen Familienbesuch verlassen darfst. Mein Freund und Zimmerkollege Mithat war zuvor schon zwei Mal kurz im Gefängnis und meinte mal, man vergesse das sehr schnell. Ich habe es noch nicht vergessen, in meinem Kopf ist das alles sehr klar vor mir.
Ich habe das Zimmer unserer Zelle noch sehr klar vor Augen. Wir haben dort drei Monate rund um die Uhr verbracht.
In Bezug auf Raum und Privatsphäre ist die Isolation eigentlich relativ komfortabel. Andere sind schließlich mit 20 Häftlingen in einer Zelle, wir waren immer nur zu zweit, nur die erste Woche in einem anderen Gefängnis in Sincan zu dritt. Im Hochsicherheitsgefängnis hatten wir zwei Stockwerke. Oben war es sehr hell, weil eine Seite nur aus Fenstern bestand und wir auf der Ost-Seite waren. Das war ein Glück! Im Oberstock gibt es drei Betten und drei Eisenschränke. Im unteren Stockwerk ist es hingegen sehr dunkel gewesen. Dort waren zwei Türen: eine in den Innenhof und eine in den Korridor. Im Unterstock findet sich dann auch ein Bad mit WC und Waschbecken und einer Art Duschtrasse, wir hatten aber keinen Duschhahn. Es gibt noch eine Art Küche, was ein Schrank und ein Waschbecken ist. Und ein Plastiktisch, dazu zwei Plastikstühle. Als das Wetter noch schön war, haben wir die Stühle und den Tisch in den Hof getragen, danach morgens meist in den Oberstock, weil da die Sonne reingeschienen hat.