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Interview

REGIE-GENIE AUS BAD ISCHL

Andreas Prochaska. Vom Thriller zur Komödie, vom Drama zum Western: der 49-jährige Bad Ischler ist in jedem Film-Genre zuhause. Das macht ihn zu Österreichs vielseitigstem Regisseur.

Bist du der Bub vom Schneckerl?“ Mit dieser Frage konnte man Andreas Prochaska in seiner Jugend zum Wahnsinn treiben. Wenn ihn unsere deutschen Nachbarn mangels
phonetischem Verständnis heute „Proschaska“ nennen, kostet ihm das höchstens ein müdes Lächeln. Denn Erfolg und Bekanntheitgrad sind in ihrer Tendenz beide steigend: Sein Alpenwestern „Das finstere Tal“ (derzeit im Kino) wird nicht nur von der kritischen Masse gelobt, sondern ist auch der große Favorit beim Deutschen Filmpreis. Über sein Privatleben spricht Prochaska wenig. Aufgewachsen im idyllischen Bad Ischl lebt er heute mit seiner Frau Astrid und seinen vier Söhnen in Purkersdorf bei Wien.
Sein ältester Sproß arbeitet als Cutter an seiner Seite. Mit dem Schnitt fing auch Prochaskas Karriere an, unter anderem bei Michael Haneke. Von ihm habe er sich die Genauigkeit abgeschaut, sagt er. Was ihn heute auszeichnet ist seine Vielseitigkeit:
Nachdem er 2006 mit seinem Heimat-Thriller „In 3 Tagen bist du tot“ bekannt wurde, folgte kurz darauf die Komödie „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“. Das TVDrama „Wunder von Kärnten“ brachte ihm einen Emmy (Amerikas begehrtesten Filmpreis) ein, was einem Ritterschlag gleichkommt. Dabei haben seine Werke nur eines gemeinsam: den starken Lokalbezug. Wir trafen Andreas Prochaska während der Dreharbeiten zur Thriller-Serie „Spuren des Bösen“ und sprachen mit ihm über seinen Werdegang, Filmbudgets und Castingprozesse.

„Regie zu machen war so wahrscheinlich wie auf den Mond zu fliegen.“

Ihr Alpenwestern „Das finstere Tal“ wird - wie die meisten Ihrer Filme - von allen Seiten gelobt. War Regie Ihr Traumberuf?
Prochaska: Ich komme aus Bad Ischl. Da war die Vorstellung, Filmregie zu machen so unrealistisch wie auf den Mond zu fliegen. Als Jugendlicher dachte ich, Filme macht
man in Hollywood. Ich kannte damals auch nicht viele österreichische Filme. Real wurde es erst, als ich nach Wien übersiedelt und mit der Branche in Berührung gekommen bin.

Ihre Filme strotzen meist vor Lokalkolorit. Ist das Ihr Markenzeichen?
Prochaska: Ich hoffe dass ich kein Markenzeichen habe, sonst wär's ja langweilig! Wenn ich einen Film für meine Landsleute mache, wieso sollte ich ihre Sprache verleugnen? Wenn ein Film nicht lokal authentisch wirkt, brauche ich ihn gar nicht zu machen. „In 3 Tagen bist du tot“ war noch ein Experiment. Ich wollte wissen, ob man ein amerikanisches Genre in eine typisch österreichische Umgebung transferieren kann. Mich reizt es, das Lokale und das Internationale zu verbinden. Dabei sollen die Figuren echt wirken. Ich fände es regelrecht gruselig, wenn Leute in Tirol am Berg stehen und sich mit Burgtheater-Deutsch ansprechen. Böse Geschichten passieren auf der ganzen Welt. Die müssen nicht immer in Synchrondeutsch sein.

Sie haben bereits einen Emmy gewonnen und sind aktuell in neun Kategorien für den Deutschen Filmpreis nominiert. Gab es bei Ihnen schon einmal diesen Moment, wo man mit sich zufrieden ist und weiß dass man gut ist?
Prochaska: Es gibt Glücksmomente, wo man denkt man muss irgendetwas richtig gemacht haben. Gleichzeitig erhöht das auch den Druck, die Latte beim nächsten Mal wieder überspringen zu müssen. Auch wenn die letzten Filme recht erfolgreich waren, das Gefühl, ich könne mich jetzt zurücklehnen und die Füße hochlegen, habe ich sicher nicht.

Sie haben Ihr Publizistikstudium abgebrochen und dann als Cutter gearbeitet. Aus heutiger Sicht: War es ein harter Weg zum Erfolg?
Prochaska: Ich bin nicht morgens aufgestanden und habe gedacht „Ich will erfolgreich sein.“ Ich habe nur versucht, jeden Tag die bestmögliche Leistung zu bringen. Wenn man das versucht und dabei hartnäckig bleibt, kann die Saat einmal aufgehen. Ich mache den Beruf seit 1998 und bin durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Es ist immer so, dass der nächste Film der letzte sein kann.

Wenn man Schauspieler, Kostüme, Equipment und Arbeitszeit zusammenrechnet: Was kostet ein Film wie „Das finstere Tal“?
Prochaska: Der Film hat 6,5 Millionen gekostet. Im internationalen Vergleich sehr bescheiden. Mir fällt kein Hollywoodfilm ein, der nicht für das Zehnfache gedreht wurde.

Spannend auch das Ensemble: Tobias Moretti und Sam Riley – wie kamen Sie denn auf diese Kombination?
Prochaska: Als Tobias Moretti vorgeschlagen wurde, war ich anfangs zurückhaltend weil ich keinen Moretti-Film drehen wollte. Es war aber schnell klar, dass an ihm kein Weg vorbeiführt. Alles passte zusammen. Über Sam Riley bin ich mehr oder weniger gestolpert. Ein Foto auf seiner Agenturseite hat mich an Alain Delon in „Der eiskalte Engel“ erinnert. Er war meine erste und einzige Wahl.

Macht Ihnen das Casten Spaß?
Prochaska: Das ist immer ein sehr aufregender Prozess. Man beginnt beim Film mit einem Text. Sobald die Figuren darin Gesichter bekommen, fängt das ganze an zu leben. Mir nützt die beste Kamera nichts, wenn der falsche Mann im Kostüm steckt.

In welche Berufsrichtung entwickeln sich Ihre Söhne?
Prochaska: Mein ältester Sohn Daniel schneidet meine Filme. Bei den anderen lässt es sich noch nicht absehen. Ich werde ihnen aber raten, etwas Vernünftiges zu lernen. Man turnt ja
in der Branche ohne Netz. Einerseits ist es total aufregend, nicht zu wissen was als nächstes kommt. Aber man braucht schon gute Nerven.

Auf welchen Film freuen Sie sich persönlich dieses Jahr?
Prochaska: Ich muss gestehen: ich weiß gar nicht, was demnächst kommt. Aber ich finde die Serie „True Detective“ mit Woody Harrelson und Matthew McConaughey aufregend.

Welches Genre steht denn als nächstes auf der Liste?
Prochaska: Ein richtiger Thriller fürs Kino. Ein Endzeitwestern, ein Musical, ein Liebesfilm – es gibt noch einiges zu tun.