Am Vormittag des Wahltags steht die Pflegerin Julia Heusser im Krankenhaus. Die Schicht ist knapp besetzt. Alle sind am Anschlag - wie immer. Am Abend schaltet sie zu Hause den Fernseher ein. So wird sie es der Republik später am Telefon erzählen. Um 18 Uhr kommen die ersten Prognosen. Dann reden die Spitzenkandidaten über die Ergebnisse. Erschöpft vom Tag, verfolgt Heusser die Reaktionen am Fernseher - und staunt. Der Zustand der Pflege ist an diesem Wahlabend mitten in der Pandemie kein Thema.
Nach 16 Jahren Merkel, eineinhalb Jahren Pandemie und vielen Monaten Wahlkampf steht ein Sieger fest: Olaf Scholz. Und die SPD. Knapp dahinter landet die Union mit einem historisch schlechten Wahlergebnis: Sie verliert verglichen mit den letzten Wahlen rund ein Viertel an Wählerstimmen. Und auf dem dritten Platz, weit abgeschlagen, die Grünen, obwohl sie ihren Anteil von 2017 um knapp sechs Prozentpunkte übertroffen haben.
Jetzt steht eine heikle Regierungsbildung bevor: Deutschland wird wohl das erste Mal seit den Fünfzigerjahren von einem Dreierbündnis regiert werden. Wer Kanzler wird, ist noch unklar. Obwohl rechnerisch möglich, lehnen SPD und CDU eine Neuauflage der Grossen Koalition ab. Zwei Szenarien bleiben: die Ampel aus SPD-FDP-Grünen oder Jamaika, eine Koalition von CDU-Grünen-FDP.
Während des Wahlkampfs hat die Republik sieben Wählerinnen in Baden-Württemberg begleitet. Sie alle waren in unterschiedlicher Weise von der Pandemie betroffen. Sie haben mit Hoffnung und Sorge auf diese Wahl geschaut, unterschiedliche Lehren aus der Pandemie gezogen. Was sagen sie jetzt zum Resultat? Und was erwarten sie von den kommenden vier Jahren?
Am Wahlabend und am Tag danach rufen wir an und fragen nach.
Wir erreichen sie auf dem heimischen Sofa, an einer Wahlveranstaltung, bei der Arbeit und unterwegs.